
Wilhelm Reich (geboren am 24. März 1897, gestorben am 3. November 1957 in Lewisburg, Pennsylvania) gilt als einer der originellsten und zugleich kontroversesten Psychiater und Psychoanalytiker des 20. Jahrhunderts.
Als Schüler Sigmund Freuds gehörte er in den 1920er Jahren zu den produktivsten Vertretern der Psychoanalyse. Reich entwickelte das Konzept der „Charakteranalyse“ und betonte, dass psychische Störungen untrennbar mit körperlichen Spannungen verbunden seien – ein Gedanke, der später in Körpertherapien und der humanistischen Psychologie fortlebte.
In den 1930er Jahren verband Reich seine sexualtheoretischen Ansätze mit sozialkritischen Ideen. Er sah sexuelle Unterdrückung als Wurzel autoritärer Strukturen und plädierte für eine „sexuelle Revolution“ als Voraussetzung gesellschaftlicher Freiheit. Diese Haltung brachte ihn in Konflikt mit der Psychoanalytischen Vereinigung und politischen Institutionen gleichermaßen.
Zwischen 1931 und 1933 lebte Reich mit seiner Frau Annie in Berlin. Am 2. März 1933 erschien im Völkischen Beobachter ein Hetzartikel gegen Reichs Schrift „Der sexuelle Kampf der Jugend“. Am nächsten Tag emigrierte Reich zusammen mit seiner Frau Annie zunächst nach Wien und dann nach Kopenhagen, 1939 in die USA.
Nach seiner Emigration in die USA entwickelte Reich seine umstrittenste Theorie: die Existenz der „Orgonenergie“, einer universellen Lebensenergie, die er wissenschaftlich erfassen zu können glaubte. Seine Experimente und Apparaturen – etwa der „Orgon-Akkumulator“ – stießen in der Fachwelt auf Skepsis und führten schließlich zu seinem Ausschluss aus akademischen Kreisen.
Heute gilt Wilhelm Reich als Pionier der Körperpsychotherapie und Sexualtherapie. Er verband Psychologie, Körperarbeit und Gesellschaftsanalyse auf eine originäre Weise und inspiriert Ärzte, Therapeuten, Soziologen, Denker und Künstler bis heute.
„Gegen den Strich gelesen: Wilhelm Reich“ von Stefan Blankertz