Es gibt Profis und Dilettanten – und zweifellos wissen die einen mehr als die anderen. Das heißt aber nicht, dass Dilettanten manchmal nicht die berühmten blinden Hühner sind, die zufällig ein Korn finden.
Ich gestehe: Ich dilettiere in bescheidenem Umfang auf dem Aktienmarkt. Weit davon entfernt, mir besondere Expertise anzumaßen, interessieren mich dennoch Prognosen, Techniken und Methoden der Kursanalyse.
Solcher Systeme gibt es so viele wie todsichere Methoden beim Roulette. Ich möchte mich hier aber auf zwei Ansätze konzentrieren: Einerseits auf die Fundamentalanalyse, wie sie Warren Buffett anwendet. Andererseits auf die Elliott-Wellen-Theorie, wie sie unter anderem vom deutschen Blogger Philip Hopf vertreten wird.
Als ich einmal ein kleines Sümmchen zum Investieren übrig hatte, fragte ich meinen Bruder nach einem Aktientipp. Er riet mir zu einem britisch-amerikanischen Tabakkonzern, dessen Aktien gerade günstig waren – wegen eines laufenden Gerichtsverfahrens. Sein Argument: „Die dürfen nicht mehr werben und Sponsoring betreiben – das hat sie immer ein Vermögen gekostet. Also bleibt mehr hängen.“ Tatsächlich war die Dividendenrendite attraktiv.
Ich erzähle das als Beispiel für fundamentale Analyse im Buffett-Stil: Günstiger Einstiegspreis, relativ stabiles Geschäftsmodell, regelmäßiger Cashflow, begrenzte Konkurrenz und einigermaßen konstante Nachfrage.
Bingo: Die Aktie ist seitdem um 60 Prozent gestiegen – ein Ende ist nicht in Sicht. Die Annahme, dass für das sündhaft teure Produkt lediglich Tabak, Papier, Verpackung und ein paar Maschinen mit überschaubarer Komplexität nötig sind, war korrekt. Dazu kam die Einschätzung, dass in Krisenzeiten und „in den Schützengräben“ immer geraucht wird – Scherz beiseite.
Für die Fundamentalanalyse braucht man Zahlen: KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis), Verschuldungsgrad, Cashflow, Eigenkapitalrendite. All das ergibt ein Gesamtbild – wobei: Manchmal sind gerade die profitabelsten Aktien fundamental schwer zu greifen. Wer sich nur auf solide Unternehmen konzentriert, verpasst womöglich die Kursraketen.
Buffetts Ansatz lässt sich so zusammenfassen:
Er, CEO von Berkshire Hathaway, verfolgt einen langfristigen, strukturierten Investmentansatz. Er betrachtet Unternehmen als Ganzes – nicht nur als Aktie. Seine Methode basiert auf vier Prinzipien:
- Verständliches Geschäftsmodell
- Nachhaltiger Wettbewerbsvorteil („Moat“)
- Qualitätsmanagement
- Günstiger oder fairer Preis
Eine schwäbische Hausfrau wäre begeistert – und auf lange Sicht funktioniert dieser Ansatz tatsächlich oft.
Ganz anders die Elliott-Wellen-Analysten – ein analytischer Menschenschlag mit einer Vorliebe für sozialpsychologisch-mathematische bis fast esoterische Erklärungsansätze. Kursbewegungen werden hier als Naturphänomen beschrieben, mathematisch vorhersehbar. Und – um es vorwegzunehmen – oft klappt das auch. Nur nicht immer. Ein Grund: Die Theorie beschreibt Kursverläufe, aber keine Zeitachsen.
Die Elliott-Wellen-Theorie, benannt nach dem US-Ökonomen Ralph Nelson Elliott (1871–1948), basiert auf wiederkehrenden Mustern menschlichen Verhaltens. Märkte bewegen sich demnach nicht zufällig, sondern in zyklischem Rhythmus – gesteuert durch kollektive Psychologie und im Kontext von Fibonacciverhältnissen (siehe unten).
Das Modell unterscheidet zwei Phasen:
- Impulsphase (5 Wellen):
- Welle 1: Erste Bewegung mit wenig Vertrauen
- Welle 2: Korrektur
- Welle 3: stärkste Welle mit hoher Dynamik
- Welle 4: kleine Korrektur
- Welle 5: Euphoriephase mit Übertreibung
- Korrekturphase (3 Wellen – A, B, C):
-
- Welle A: erste Gegenbewegung
- Welle B: trügerische Erholung
- Welle C: letzter Abverkauf
Ein vollständiger Zyklus besteht also aus acht Wellen – fünf mit dem Trend, drei dagegen.
Schließen sich fundamentale und Elliott-Analyse aus? – Nicht zwangsläufig. Elliott-Waver behaupten, Kursbewegungen lassen sich „richtig zählen“, dann klappt die Prognose. Wenn nicht, wurde eben „falsch gezählt“. Für mich als ökonomisches Lieschen Müller muss hinter einer Bewegung aber auch ein realer Auslöser stehen.
Vielleicht haben Elliott-Waver den Anstieg der Rheinmetall-Aktie vorausgesehen. Der reale Grund ist aber: Krieg in der Ukraine, politische Aufrüstung. Ich persönlich rechne dort schon mit einem baldigen Einbruch – Massenpsychologie neigt zur Übertreibung.
Manches, das real plausibel ist, funktioniert aber dennoch nicht. Seit Jahren wird der Anstieg des Silberpreises heraufbeschworen – angeblich sogar technisch bedingt. Doch passiert ist wenig. Manche machen dafür eine Marktmanipulation durch große Player verantwortlich.
Zwei aktuelle Prognosen von Philip Hopf möchte ich kurz erwähnen:
- Ölunternehmen hätten erhebliches Aufwärtspotenzial (auch Buffett investierte dort).
- Eine große amerikanische Healthcare-Firma habe nach Einbruch enormes Potenzial zur Erholung.
Als Dilettant fragt man sich: Was sind die realen Treiber?
- Beim Öl: Die OPEC fördert wie verrückt, der Preis bleibt stabil, Tanken ist eher günstiger. Woher also der Aufschwung? Vielleicht: geopolitische Spannungen, Kriegsrisiken, Rückgang der US-Produktion.
- Bei Healthcare: Papiere großer Unternehmen, wie Novo Nordisk, fallen. Trotzdem wird eine Kursvervielfachung prophezeit. Was treibt das? Medicaid wurde unter Trump beschnitten. Die Nachfrage ist aber da – vielleicht reagiert der Markt nur verzögert.
Hier ein kleiner Exkurs, weil oben erwähnt zu Fibonaccizahlen:
Die Fibonacci-Zahlen spielen in der Elliott-Theorie eine große Rolle. Die berühmte Folge (0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, …) beschreibt ein Verhältnis, das in der Natur, Architektur – und angeblich auch an der Börse – vorkommt. Viele Kursverläufe orientieren sich (angeblich) an diesen Zahlen.
Ob Pythagoras das als mathematische Wahrheit oder als Mystik gesehen hätte?
Man legt also Fibonacci-Linien über Kursverläufe, um Wendepunkte zu identifizieren. Und manchmal funktioniert es wirklich. Dann stellt sich die Frage: Warum?
Und: Was passiert, wenn nicht mehr Marktkräfte, sondern politische Manipulationen den Takt angeben?
Schwierig, schwierig.





2 Kommentare. Leave new
Danke für die interessante Zusammenfassung.
Fundamentalanalyse: Die dargestellten Faktoren trieben mich vor ca 5 Jahren zu Intel. Eine Enttäuschung – ich hätte dem AI-Trend glauben sollen und NVIDIA kaufen sollen. Ixch bin wohl zu konservativ und zu mißtrauisch. Wirecard und anderen Fintechs habe ich auch nicht geglaubt, der BATabacco und Chevron durchaus.
Es bleibt in Teilen immer auch Casino.
Nach über 30 Jahren Börse bleiben ein paar wenige fundamentale Erkenntnisse:
– eine garantierte Erfolgsmethode gibt es nicht, sonst wären alle reich (oder arm).
– es ist ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten und je mehr Daten man sammelt, je mehr Variablen man kennt, um so höher ist die Erfolgswahrscheinlichkeit an der Börse.
– Geduld beim Invest schlägt kurzfistiges Zocken oder das Hinterherlaufen von Trends (meist ist man zu spät)
– Psychologie ist immer ein Teil der Börse, deshalb klappt es auch oft bei Eliot-Wavern, das Problem ist immer der Zeithorizont, der sich kaum vorhersagen läßt
– die berühmten 1000% mit einer Aktie macht man eigentlich immer aus 2 Gründen – Glück oder mit Insiderinformationen, nie mit Börsenbriefen
– ein langfistiges Invest/Vermögensaufbau mit Aktien schlägt immer das Tagesgeldkonto
– gerade in Zeiten wie diesen, ist ein Invest in Sachwerte (Aktien/Rohstoffe/evtl. Krypto´s) zwingend notwendig, nicht um reich zu werden, sondern um überhaupt einen Kapitalerhalt zu erreichen.