Warum der CSD Klischees manifestiert 

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts und im Televisor des Sandwirts: Hier.

Ich schwöre Ihnen, und Sie können mich auch gern vereidigen: Ich, bzw. meine Freundin und ich liefen rein zufällig durch den Christopher Street Day (CSD) in Frankfurt. Eigentlich wollten wir auf einer kleinen Reise noch einige Utensilien kaufen. Und als wir das erledigt hatten, meinte meine bessere Hälfte, wir könnten doch am Mainufer etwas spazieren gehen. „Warum auch nicht?“, dachte ich mir – die gute Laune war vorhanden, doch das sollte sich rasch ändern.

Schon von weitem hörten wir unausstehliche Katzenmusik, und bunt angestrichene Gestalten in wahlweise viel zu engen, wahlweise viel zu weiten, auf jeden Fall gotteshässlichen Klamotten kamen uns entgegen. Auf einmal wurde mir schlagartig klar: Ich bin auf dem besten Weg, in den CSD Frankfurt reinzulatschen! Als ich zu meiner Freundin blickte, war sie gar nicht überrascht. Sie hatte das wohl eingefädelt, und ich konnte bzw. wollte mich auch nicht mehr wehren. Perfide eingefädelt, also gar nicht zufällig.

Aber gut, was tut man nicht alles für eine funktionierende Beziehung – also folgte ich ihr durch das regenbogenbunte Getümmel. Die Katzenmusik wurde lauter, und ich fragte mich, ob man wirklich schwul oder lesbisch oder queer – was immer das sein soll – sein muss, um diese grässlichen Töne als hörenswert bezeichnen zu können. Doch dann erinnerte ich mich an meinen besten Freund, der so hetero ist wie Ryan Reynolds (obwohl er gar nicht so aussieht), der aber auch Liebhaber dieser elektronischen Techno-was-auch-immer-man-das-nennt-Geräuschharmonien ist. Naja, da hat eben jeder seins.

Man stelle sich vor, der CSD wäre Alltag 

Andererseits war ich auch lange mit Männern liiert, doch an mir ist diese musikalische Verdröhnung gänzlich vorbeigegangen. Wiederum manchen Protagonisten, der mit meiner Musik nichts anfangen kann. Geschmäcker sind verschieden – und manche haben leider gar keinen.

Zurück zum CSD. Leider kann man diese geschmacksbefreite Zone nur im Bullettime-Modus durchlaufen, weil es eng ist und an jeder Ecke wahnsinnig unattraktive Menschen stehen, die durch ihr Äußeres mitteilen wollen, sie seien … ja, was denn nun: gay, bi, lesbisch, nonbinär, genderfluide oder einfach nur trans? Auf einer Bühne krakeelt eine biologische Frau in einem Kleid, das sie wohl Kay Ray aus einer Show von 2002 abgekauft hat. Sie ist der Meinung, dass sich queere Menschen endlich zeigen sollen – und auch zeigen müssen. Ich sehe mich um und denke mir: Okay, hier sind heterosexuelle Menschen in der absoluten Minderheit.

Sicherlich meinte Frau CSD nicht ihre eigene Gay-Parade, sondern das normale Leben. Ihr Aufruf meint also implizit, dass die Leute, die hier gerade mit Kostümen aus der Regenbogen-Vorhölle Hessens größten Bad-Taste-Day mimen, mit dieser irren Klamotte auch im Privatleben, aber auch im Berufsalltag aufkreuzen sollen. 

Man stelle sich das vor: Es ist mal wieder so weit, Sie müssen zum Zahnarzt. Die dicke Sprechstundenhilfe mit einem bunten, dafür umso engeren Rock begleitet Sie in vom Warteraum mit ebenso bunter Regenbogenfahne ins Behandlungszimmer, das einem Darkroom gleicht, bis der Zahnarzt das Licht anschaltet. Dann erschrecken Sie, denn der Dentist ist ganz und gar nackt. Naja, fast – damit er nicht ganz so geniert daherkommt, trägt er eine lederne Schirmmütze. Und wenn ich Ihnen sage, dass der Behandlungsstuhl nichts anderes ist als ein „Tower of Power“, sind Sie sich sicher: Der Bluts übertreibt mal wieder maßlos.

Der besondere Verein „Yachad“

Es stimmt, dieses Szenario ist nicht sehr wahrscheinlich – auch wenn ich glaube, dass das Auffinden des Bernsteinzimmers realistischer ist als ein Besuch bei Zahnarzt Dr. Supergay. Dennoch ist diese überzogene Geschichte, die Frau CSD da implizit erzählt hat, nur folgerichtig. Es gibt Lesben, es gibt Schwule, es gibt Bisexuelle und es gibt Transpersonen, die die Diagnose der Geschlechtsdysphorie aufweisen können. Sie leben unter uns – und solange sie ihre Sexualität, aber auch ihre Fetische in ihren privaten Räumen ausleben, kenne ich niemanden, der da etwas dagegen hätte. 

Es existiert übrigens – völlig überraschend – auch Heterosexualität, die die Mehrheit in jeder Gesellschaft stellt. Auch hier gilt dasselbe, wobei es selten geworden ist, dass heterosexuelle Menschen ihre Fetische jedem Dieter unter die Nase reiben wollen.

Ein Stand war ein ganz besonderer: Der Verein „Yachad“ gab sich die Ehre. Dieser engagiert sich für „lesbische, transsexuelle, schwule und bisexuelle Jüdinnen. Bei einem Spiel durfte man raten, welcher Prominente jüdisch ist und wer nicht. Beim Gewinn: unter anderem ein Davidstern. Auf dem Flyer ist zu lesen, dass sie sich über jeden freuen, „der mit uns gemeinsam die kulturelle Vielfalt etwas bunter gestalten möchte.“ Das ist interessant, da man sich auf die Fahne geschrieben hat, sich um schwule, lesbische und bisexuelle Juden kümmern zu wollen. Aber immerhin schenkt man hier lebenden Juden – und das ist selten in Deutschland – Beachtung, anstatt ständig auf Dachau, Buchenwald und Auschwitz – also tote Juden – zu referieren. Inwieweit aber ausgerechnet eine aktivistische Regenbogenveranstaltung da der richtige Ort ist, bleibt fraglich. Dennoch: ein Lichtblick, so fair muss ich sein.

Es bleibt eine Inszenierung für die Teilnehmer 

Die beste Begegnung ist die Alltägliche. Manni liebt Horst und arbeitet bei Siemens. Sein Kollege Heinz ist mit Gudrun verheiratet, und Manni lädt beide bei sich zu Hause, wo er mit Horst lebt, zum Grillen ein. Britta ist mit Evi liiert, und sie ziehen in ein neues Haus. Zur Einweihungsparty kommen die Nachbarn. In der Schule ist es ungleich schwieriger, doch auch hier ist die Gesellschaft schon weiter – wenn man mal abzieht, dass unlängst ein Berliner Lehrer von muslimischen Schülern „weggelobt“ wurde. Hier ist die Schule selbst gefragt – weniger mit Aufklärung, eher mit klarer Kante: Mobber haben in einer Schule nichts verloren. Gleiches gilt für Schüler, die von anderen gemobbt werden, weil sie gay sind. Da müssen die Mobber konsequent bestraft werden.

Den Stand von „Yachad“ einmal abgezogen: Der CSD in Frankfurt ist einer von vielen CSDs. Oder anders: Kennst du einen, kennst du alle. Sie unterscheiden sich lediglich in der Größe und in der Intensität der Geschmacklosigkeiten. Die Katzenmusik ist übrigens immer dieselbe. Die Protagonisten tun sich keinen Gefallen, wenn sie einmal im Jahr allen Menschen genau die Klischees vorführen, in denen sich heterosexuelle Menschen bestätigt fühlen. Denn sie werden ja de facto bestätigt. 

Homosexualität und dergleichen sind nun mal nicht normal, nicht üblich – einfach weil sie von der Norm, vom Üblichen abweichen. Die meisten Männer stehen nun mal nicht auf Männer. Das heißt nicht, dass alle abnormal oder gar pervers sind. Zu dem Ergebnis kann man kommen, wenn man den CSD als Begegnungsstätte „queeres Leben“ ansieht. Doch das ist es nicht. Es ist eine Inszenierung für die Teilnehmer – was im Prinzip in Ordnung ist. Aber dann sollten sie auch keine Akzeptanz erwarten, wenn Heterosexuelle nach einem solchen Besuch nichts mit einem CSD anfangen können.

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