Der größte Aufreger derzeit ist sicherlich die sich anbahnende Annäherung des BSW und der AfD, nach einem mehrstündigen, offensichtlich relativ sachlichen Gespräch der thüringischen Fraktionsvorsitzenden. Es wird bestätigt, dementiert, ausgeschlossen – und vor allem das BSW scheint sich da nicht ganz einig zu sein. Während die Parteigründerin vorsichtig gesprächsbereit ist, lehnen wichtige Funktionäre vertiefte Kontakte ab. Andere sehen schon die Brandmauer einstürzen und ergehen sich in Kalkulationen, dass ja jetzt schon AfD und BSW in Thüringen die Mehrheit zum Sturz der ungeliebten Voigt-Regierung hätten.
Mit Sorge blickt das politische Berlin auch auf die kommenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo ein noch zu schmiedendes Hufeisen an den Drücker kommen könnte.
Avancen der AfD gab es schon früher – interessanterweise ausgerechnet von Björn Höcke. Auch Herr Gauland äußerte sich vorsichtig interessiert und Frau Weidel machte in dem berühmten Fernsehinterview im letzten Jahr Sahra durchaus Avancen. Die hielt sich bedeckt und musste wohl hauptsächlich wegen der Koalition mit der Voigt-CDU in Thüringen bei der Bundestagswahl eine erhebliche Schlappe einstecken. Es stellt sich die Frage, ob diese bei einer eindeutig positiveren Haltung zur AfD vermeidbar gewesen wäre. Ich vermute: ja. Der Teil des linken Milieus, der eindeutig „woke“ ist, hat die damals noch notleidende Linkspartei aufgebläht – und Wagenknecht hätte wohl konsequenter handeln müssen, als kritische Alternative mit den Blauen.
Das Ganze wurde nun natürlich auch im libertären Milieu diskutiert, und die Herren Krall & Bubeck traten auf YouTube mit dem Titel: „BSW & AfD – Das Ende der Brandmauer?“ auf.
Klar ist: Programmatisch liegen die „Rechtsaußen“ der AfD und die „Ex-Kommunistin“ Wagenknecht nicht allzu weit auseinander. Beide Parteien wollen Waffenlieferungen an die Ukraine sofort stoppen und mit dem „Kriegsverbrecher“ Putin verhandeln. Beide fordern eine deutlich verschärfte Asylpolitik, weniger Macht für die EU, einen Stopp von Gender- und Diversity-Plänen und weniger Klimavorschriften, um die Wirtschaft zu entlasten.
Soweit, so gut. Allerdings bedeuten für einen in der Wolle gewaschenen Libertären Wagenknechts „sozialistische“, im Kern aber eher altsozialdemokratische Zielsetzungen einen breiten Weg in einen neuen Gulag. Alles, was das Wort „sozial“ überhaupt enthält, ist des Teufels – was man durchaus bei den anfänglichen Reaktionen von Herrn Bubeck bemerken konnte. Krall war da positiver und sah im sich anbahnenden Hufeisen Schnittmengen, was vor allem die Medienpolitik und Migration anbelangt. Eine Entente könnte nach ihm die Brandmauer durchbrechen und verkrustete Parteistrukturen in den Orkus schicken.
Allerdings war sofort klar, dass eine wie auch immer gedachte Zusammenarbeit nur ein Zwischenschritt zum endgültigen Sieg der AfD sein könnte, die von Krall als genuin libertäre Partei eingeschätzt wurde. Dass er damit nur einen Teil der Blauen erfasst – und nicht wenige eher einer Vorstellung von urschwedischem „Volksheim“ anhängen – geschenkt. Die AfD hat ihre Wähler im Osten wohl mehr von der Ex-SED und der SPD geholt als von sonstwoher.
Die Einschätzung des BSW als vorübergehendes Vehikel zur Systemveränderung hat durchaus auch einen Zug ins Arrogante – zumal die andere Seite da vielleicht ähnlich denkt. Wirkliche Probleme werden nicht tief genug ausgelotet, und als alter Humanist fällt mir da Platon ein, der seinen Staat mit einem sizilianischen Tyrannen verwirklichen wollte. Die Sache ging nicht gut aus.
Auch die libertären Großdenker wirken manchmal wie Philosophen, die hoffen, sich auf politische Bewegungen draufzusatteln und ihre Ideen dort aufoktroyieren zu können. Das hat schon im Fall der Werteunion nicht geklappt, von der man sich einst doch einiges erhofft hatte, wie ich mich erinnere.
Manches wurde gar nicht angesprochen – wie zum Beispiel das Verhältnis zu Russland, meiner Meinung nach der Elefant im Raum, auf den viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Krisensymptome zurückzuführen sind: Für jemanden, der den Ukrainekrieg ablehnt, sind das BSW und die AfD die einzig wählbaren Parteien. Und dieses Problem ist so zentral, dass daran argumentativ nicht vorbeigegangen werden kann.
Da wünscht man sich auch von libertärer Seite mehr Deutlichkeit.




