„Wir zahlen nicht mehr!”

In Epping, Essex, flattern Plakate mit der Aufschrift: „No Council Tax Until Closed.“ Familien weigern sich, ihre Gemeindesteuer zu zahlen, solange das Bell Hotel als Asylunterkunft genutzt wird. „Enough is enough“, sagt die 44-jährige Sarah Corner, „unsere Steuern finanzieren das Chaos.“

In Deutschland wächst der Unmut über den Rundfunkbeitrag. Nach der Berichterstattung von ARD und ZDF über den ermordeten US-Aktivisten Charlie Kirk sprechen Kritiker von Verzerrung – und fragen, warum sie dafür Zwangsgebühren entrichten sollen.

Und wieder in Deutschland, Anfang 2024: Landwirte blockieren mit Traktoren Straßen, Brücken, Autobahnen. Anlass sind Kürzungen bei der Agrardiesel-Subvention. Viele Betriebe fürchten den Ruin. Erst nach tagelangem Protest lenkt die Bundesregierung ein.

Drei Fälle, ein Muster: Bürger fühlen sich nicht gehört, sehen ihre Abgaben missbraucht – und reagieren, indem sie Steuern und Gebühren zum Mittel des Widerstands machen.

Altes Phänomen mit neuer Wut

Die Idee, Steuern nicht zu zahlen, ist so alt wie die Steuer selbst. Schon die römischen Provinzen erhoben sich gegen untragbare Abgaben. Bauern in Süddeutschland verweigerten im 16. Jahrhundert Zehnten und Frondienste. Hunderttausende schlossen sich dem Bauernkrieg an. „Wir wollen frei sein und keine Lasten tragen außer denen, die wir selbst wählen“, hieß es in den Zwölf Artikeln von 1525. Das Ende war blutig. 100.000 Bauern verloren ihr Leben. Doch das Motiv blieb: Steuern sind ein Preis – und wenn die Gegenleistung fehlt, wird die Zahlung verweigert.

Zweihundert Jahre später: Boston, 1773: Männer in Indianerverkleidung werfen nachts Teekisten ins Hafenbecken. Die berühmteste Steuerrebellion der Welt war gleichzeitig der Beginn des Aufstiegs der ersten republikanischen Supermacht der Neuzeit. „No taxation without representation“ – der Satz, der die Revolution auslöste. Auch hier galt: Kein Preis ohne Gegenwert.

Und 1990 in Großbritannien: die Poll Tax. Eine Kopfpauschale, die Millionen als ungerecht empfanden. Ganze Stadtviertel verweigerten die Zahlung, Proteste eskalierten. Am Ende fiel die Steuer – und mit ihr Margaret Thatcher.

Die Botschaft ist klar: Steuerstreik ist nicht nur Finanzverweigerung. Er ist politischer Preiskampf.

Epping: Lokaldrama mit Signalwirkung

Im Sommer 2025 macht eine kleine Stadt in Essex Schlagzeilen: Das Bell Hotel, seit April mit 138 Asylbewerbern belegt, wird zum Symbol. Ein Auslöser der Proteste war ein schwerer Kriminalfall. Hadush Gerberslasie Kebatu, 38, wird im Juli wegen sexueller Übergriffe angeklagt und am 4. September schuldig gesprochen. „Das Urteil ist eine Rechtfertigung für die Protestierenden, die die Sicherheit von Frauen und Mädchen in Epping gefordert haben“, sagt der Ex-Polizist Peter Bleksley.

Parallel dazu begann ein juristisches Tauziehen. Der High Court erklärt die Nutzung des Hotels für rechtswidrig, der Court of Appeal hebt das Urteil wieder auf. Die Regierung selbst gedenkt, das Problem in den nächsten drei oder vier Jahren zu lösen. Den Bürgern dauert dies zu lang.

Während Gerichte streiten, marschieren Bürger auf die Straße. Am 17. Juli verletzen Proteste acht Polizisten, Flaschen und Feuerwerk fliegen. Auf X erklärt die Gruppe „Epping Says No“: „Everyone needs to stop paying council tax.“ – „Jeder muss damit aufhören, die Gemeindesteuer zu zahlen!”

So wird aus Frust über Politik und Justiz ein Steuerboykott. Aus einem Preis für Sicherheit und Ordnung wird ein Preis für Unsicherheit und Chaos – und der wird verweigert.

Zwangsgebühren und schwindendes Vertrauen

Auch in Deutschland entzündet sich Wut an Abgaben, die als ungerecht empfunden werden. Der Rundfunkbeitrag – offiziell keine Steuer, faktisch aber Pflichtabgabe – ist seit Jahren ein Reizthema. Wer nicht zahlt, riskiert Mahnungen, Pfändung, Haft. Dabei hält auch hier der Empfänger des Beitrags nicht, was er vertraglich verspricht.

Besonders deutlich wird das im Fall Charlie Kirk. Nach seiner Ermordung berichten ARD und ZDF in Gestalt von Moderatorin Dunja Hayali und Korrespondent Elmar Theveßen von „rassistischen“ und „menschenverachtenden“ Aussagen. Aussagen, die aus dem Kontext gerissen wurden. Kirk war durchaus konservativ, aber nutzte alle genannten Beispiele zur Illustration, wie man es nicht machen sollte. Nichts davon spiegelte seine eigene Meinung wider.

Selbst das ZDF musste einräumen, man hätte „Zusammenhänge deutlicher machen“ müssen. Eine echte Richtigstellung blieb jedoch aus. Und dies ist lediglich der letzte Fall von schiefer Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewesen. Das Vertrauen hier ist größtenteils verspielt worden.

Damit rührt der Fall an die Kernfrage: Wofür zahlen Bürger Zwangsgebühren? Für neutrale Information – oder für Haltungsjournalismus, der ideologisch einordnet und Denken nur in vorgegebenen betreuten Bahnen zulässt?

Wenn Letzteres überwiegt, wird der Beitrag zum falschen Preis. Und wer das Gefühl hat, für eine Leistung zu zahlen, die nicht erbracht wird, stellt irgendwann die Zahlung ein.

Die Geschichte kennt viele Vorbilder

Schon Henry David Thoreau verweigerte 1846 seine Kopfsteuer aus Protest gegen Krieg und Sklaverei – sein Essay „Civil Disobedience“ wurde zum Klassiker. Mahatma Gandhi führte 1930 den Salzmarsch an, Millionen Inder verweigerten die britische Salzsteuer. Die Suffragetten riefen: „No vote, no tax“ – und trieben so das Frauenwahlrecht voran. Leo Tolstoi predigte Steuerboykott als radikale Absage an Krieg und Unterdrückung.

Die US-Kolonisten setzten mit der Parole „No taxation without representation“ eine ganze Revolution in Gang. Und irische Bauern erzwangen mit der Land League durch gewaltlosen Widerstand gegen den englischen Grundstücksverwalter Charles Cunningham Boycott am Ende Pacht- und Steuererleichterungen – und brachten gleich ein neues Wort in die Sprache ein: boykottieren.

Was all diese Beispiele zeigen: Steuerverweigerung war selten Selbstzweck. Oft führte sie – trotz Repression – zu greifbaren Verbesserungen, zu Reformen, zu Freiheitsgewinnen.

Die Wut der Bauern

Noch greifbarer sind die Proteste der Landwirte. Anfang 2024 rollen Traktoren durch deutsche Städte, blockieren Straßen und Häfen. Anlass: Die Bundesregierung will die Agrardiesel-Subvention streichen und die Steuerlast erhöhen. „Das bringt uns um“, rufen Landwirte, „wir können nicht mehr!“

Tausende schließen sich an, Unterstützer stehen an Brücken und verteilen Kaffee. Erst als die Republik tagelang lahmgelegt ist, lenkt die Regierung ein.

Dieser Protest war kein Boykott von Zahlungen, sondern von Arbeit. Ein Streik mit Motorengeräusch. Und er machte sichtbar: Bürger zahlen nicht nur mit Geld, sondern mit Vertrauen. Wird dieses Vertrauen gebrochen, kippt auch die Zahlungsbereitschaft.

Wer bricht hier eigentlich Verträge?

Steuern sind mehr als Geldflüsse – sie sind Teil eines stillschweigenden Vertrags. Bürger geben einen Teil ihrer Freiheit ab, um Rechtssicherheit, Ordnung und eine effiziente Verwaltung zu gewinnen. Der Vertragsschluss ist nicht freiwillig. Hierzulande bekommen Eltern schon nebst der Geburtsurkunde vom Finanzamt die lebenslang gültige Steueridentifikationsnummer ihres Kindes zugeschickt.

Und was, wenn nach dem ersten Kompromiss der Unfreiwilligkeit auch der Tausch nicht mehr aufgeht? Wenn Sicherheit nicht gewährleistet wird, wenn Politik an den Menschen vorbeiregiert, wenn Institutionen ihren Auftrag verlieren? Was, wenn man für schlichte, zugespitzte Kritik an Politikern oder an Zuständen sich bereits vor dem Richter wiederfindet? 

Wenn also fundamentale, oft auch unausgesprochene Vereinbarungen in einer Gesellschaft von Seiten der beauftragten Sachwalter nicht mehr eingehalten werden, dann haben diese Sachwalter den Vertrag gebrochen. So gesehen ist Steuerstreik oder die Verweigerung bestimmter Abgaben nicht Rechtsbruch, sondern demokratisch legitimierter Akt der Selbstbehauptung – gewissermaßen eine Resouveränisierung des Souveräns.

Staatliche Macht ist nicht grenzenlos, sondern beruht unter anderem auf Zustimmung. Grundsätzlich ist die Idee der staatlichen Macht an sich schon übergriffig. Vielmehr sollte der Staat eine Organisation sein, die ein Gemeinwesen schlicht verwaltet. Und diese Verwaltung hat im Sinne der Auftraggeberinnen und Auftraggeber zu handeln – nicht mehr, und auch nicht weniger.

Derzeit weigert sich diese Verwaltung, sich ihrer unfähigsten Mitarbeiter zu entledigen.

Und hier liegt der Kern der aktuellen Wut. Die Sturheit der deutschen Politik, die absolute Unflexibilität der Regierung, die gebrochenen Wahlkampfversprechen – sie sind Legion. Dazu haben die vergangene und die jetzige Regierung die Wirtschaft in eine Rezession getrieben und seit 2015 angewachsene Sicherheitsprobleme im Inland in keiner Weise adäquat beantwortet. In diesem Klima fühlen sich Bürger nicht mehr vertreten, sondern verschaukelt. Wer zahlt, zahlt in ein System, das weder Sicherheit noch Wohlstand garantiert. Ob legal oder illegal – die Weigerung zu zahlen ist dann keine Laune, sondern die letzte logische Konsequenz, um diese misswirtschaftliche Verwaltung zu beenden.

Das Schlagloch im Fundament

Epping. Charlie Kirk. Die Bauernproteste – drei Beispiele, die zeigen: Steuerstreik und Abgabenverweigerung sind keine Randnotiz, sondern Symptom tieferer Risse. Denn der vielbeschworene Gesellschaftsvertrag ist längst einseitig gekündigt. Wer Kritik an Politikern oder Zuständen übt, läuft Gefahr, vor Gericht gezerrt zu werden. Medien verzerren Debatten und relativieren politische Morde. Regierung und Opposition fürchten ihre Wähler so sehr, dass sie weder in der Einwanderungs- noch in der Wirtschaftspolitik handeln.

Statt schlichte Fakten zu nennen, deuten ausgerechnet öffentlich-rechtliche Medien jede Sachfrage zur Gefahr für „unsere“ Demokratie um. Allzu oft ist Kritik als „faschistisch“ oder „menschenfeindlich“ gebrandmarkt. Der politische Diskurs wird abgewürgt – und kriminelle Tat ersetzt allzu oft verbale Kontroverse.

Was bleibt dem Bürger? Wenn jede Stimme diskreditiert, jede Sorge verächtlich gemacht wird, bleibt am Ende nur die Tat. Steuerstreik ist dann kein Spiel mit Zahlen, sondern ziviler Ungehorsam. Kein Versuch, sich zu bereichern, sondern der letzte Ausweg, um gehört zu werden.

Die offene Rechnung ist weniger ein Loch in der Staatskasse als ein Schlagloch im Fundament der Legitimität. Und manchmal beginnt eine Umwälzung nicht mit dem Sturm auf Paläste – sondern mit dem nüchternen Satz: Wir zahlen nicht mehr.

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1 Kommentar. Leave new

  • Hans Hövelmann
    28/09/2025 10:47

    Ein guter Ansatz, den man verfolgen sollte. Nur nützt es nichts, wenn man als Einzelner seine Rundfunkgebühren nicht zahlt, da wird man gnadenlos verfolgt und fertiggemacht. Der Staat will Exempel statuieren. Der Staat ist allerdings machtlos bei einer koordinierten und organisierten Aktion, bei der Tausende mitmachen. Ggf. mit juristischer Unterstützung. In Zeiten des Internets müssst sowas doch machbar sein …

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