Freiheit braucht Grenzen

Statt Grenzkontrollen gibt es zwischen Lauterbourg und Neulauterburg kurz vor Berg (Pfalz) Steak mit Bier. Eigentlich kein übler Tausch, im Gegenteil. Die Franzosen sprechen dort eine Art Sprache, die klingt, als würde ein Winzer aus der tiefsten Pfalz anfangen, „Bonjour“ statt „Grüß Gott“ zu sagen. Die Betonung ist ganz und gar nicht français, eher tief ländlich alemannisch. Beim ersten Hinhören war ich mir sicher: Das kann kein Deutsch sein, dafür verstehe ich zu wenig. Es kann aber auch unmöglich Französisch sein, denn selbst nach mehreren Minuten konnte ich kaum ein Wort ableiten. Der Dialekt, der sich anhört, als wären Mund, Kiefer und Wangenraum nach einem anaphylaktischen Schock geschwollen, nennt sich Alsacien, also Elsässisch.

Diese Geschichte, so erzählen die Leute, spielte sich in Wissembourg, Nordelsass, ab, vermutlich um 1942, und zeigt, wie anfällig dieser Dialekt für Missverständnisse sein kann. Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele Elsässer zwangsweise in die Wehrmacht eingezogen. Sie standen also als „Deutsche“ unter deutscher Fahne – oft ohne sich wirklich als solche zu fühlen. Die Verständigung innerhalb der Truppe war manchmal, sagen wir es mal höflich, schwierig. „Lost in Elsässisch“ könnten Sie auch sagen.

Eines Tages kam es beim Fahnenappell zwischen einem preußischen Feldwebel und seinem elsässischen Untergebenen Jean-Pierre Schmitt zu einem Vorfall. Der deutsche Feldwebel, ein Preuße, brüllt beim Appell:

„Schmitt! Warum sind Sie zu spät? Sie sollten um sechs Uhr antreten!“

Der Schmitt steht stramm, kratzt sich am Kopf und sagt:

„Jo, Herr Feldwebel, i bin jo früh kumme, awer d’r Zùg isch furt, bevor i do gsi bin, gäll!“

Der Feldwebel runzelt die Stirn:

„Wie bitte? Sprechen Sie ordentlich Deutsch, Soldat!“

Der Schmitt, bemüht, sich verständlich zu machen, aber halt wie immer:

„Jawoll, jawoll, Herr Feldwebel… awer’s isch halt so gsi: d’r Zùg het g’fahr, i bin no ned do gsi, un denn bin i z’Fuess gange, grad d’rhinne dur d’Wiss, aber do het’s e Sauerei g’het, na jo!“

Der Feldwebel völlig verwirrt:

„Ich verstehe kein Wort! Sind Sie Deutscher oder nicht?“

Da hebt der Schmitt den Kopf, schaut ihn mit einem schelmischen Grinsen an und sagt breit und ruhig:

„Herr Feldwebel… für d’Franzose bin i e Dütscher, für d’Dütsche bin i e Franzos, un für mich selber – i bi e Elsässer, un des blibt so!“

Verwundbare Freiheit

Diese Geschichte spiegelt die Zerrissenheit der Elsässer wider, die Sie auch bei anderen „Grenzgängern“ beobachten können. Apropos und zurück zum Steak mit Bier statt Schlagbaum mit Passkontrolle: Lauterbourg auf der französischen und Berg (Pfalz) auf der deutschen Seite trennt optisch wie dialektal wenig bis gar nichts. Die Dichte von liebevoll hergerichteten Fachwerkhäusern ist spektakulär, während naturbelassene Weiden und Wälder, bei denen mir ein stolzer Hahn entgegenkam, für den notwendigen Seelenfrieden sorgen. Kaum vorstellbar, obwohl es kaum 35 Jahre her ist, dass zwischen beiden Dorfperlen noch Beamte nach dem Ausweis fragten.

Erst 1991 wurden die ständigen Grenzkontrollen eingestellt. Dies geschah im Zuge der Vorbereitung auf das Schengener Abkommen, das 1995 für beide Länder vollständig in Kraft trat. Wir erinnern uns: Das Schengener Abkommen ist ein Vertrag zwischen mehreren europäischen Staaten, der den freien Personen- und Warenverkehr ohne systematische Grenzkontrollen an den Binnengrenzen ermöglicht. Es wurde 1985 unterzeichnet und schrittweise umgesetzt, um die Mobilität innerhalb des Schengen-Raums zu fördern. Man versprach sich Freiheit durch offene Binnengrenzen, wie am Übergang in Lauterbourg, wo seit über drei Jahrzehnten keine systematischen Kontrollen mehr stattfinden und Menschen frei zwischen Frankreich und Deutschland reisen können.

Doch was bringen diese offenen Grenzen innerhalb Schengens, wenn die europäischen Außengrenzen nur unzureichend kontrolliert werden? Freiheit braucht denknotwendig Grenzen, um geschützt zu werden – ohne starke Außenkontrollen wird die innere Freiheit zur Illusion, da unkontrollierte Einreisen Risiken für Sicherheit und Wohlstand bergen. 

Nehmen wir die Grenzöffnung 2015 während der Flüchtlingskrise: Damals wurden Außengrenzen faktisch aufgegeben, was zu chaotischen Zuständen führte und die Freiheit der EU-Bürger einschränkte, weil Ressourcen überfordert wurden, weil Türen und Tore für Frauen-, Juden- und Schwulenhasser geöffnet wurden. 

In Lauterbourg symbolisiert der zu einem Museum umgewandelte Zollpavillon unsere in Europa erreichte Freiheit, doch er erinnert auch daran, wie verwundbar diese ist.

Freiheit Raum geben 

Freiheit ist kein Vakuum, sie bedeutet auch nicht Beliebigkeit; Freiheit erfordert klare Grenzen, um zu gedeihen, um individuelle Rechte zu wahren und das Vertrauen in die EU zu stärken. Weil nur so die Mobilität und der innere Frieden nachhaltig gewährleistet sind.

Die Ereignisse von 2015 zeigen, wie lax kontrollierte Außengrenzen innere Spannungen erzeugen, etwa durch temporäre Binnenkontrollen, die die versprochene Freiheit ad absurdum führen. Vom Prinzip her funktioniert Schengen also nur, wenn Außengrenzen wie Festungen geschützt werden, sonst erodiert die Freiheit durch illegale Migration, Kriminalität und Terrorrisiken. Sie wird zur lächerlichen Illusion, da unkontrollierte Einreisen Sicherheit und Zusammenhalt gefährden.

Schengen sollte reformiert werden, mit mehr Fokus auf Außensicherung, um wahre Freiheit zu ermöglichen, die auch von einer sogenannten Seenotrettung nicht untergraben wird, die als verlängerter Arm der Schlepper Schengen systematisch aushebelt, um damit eine Politik der grenzenlosen Staaten zu forcieren.

Wie einst in Lauterbourg, wo Steak und Bier die Grenzkontrollen ablösten, zeigt sich die Schönheit offener Grenzen in der gelebten Nähe zwischen Menschen und Kulturen. Vergessen wir aber nicht: Lauterbourg mag heute ein Symbol für grenzenlose Mobilität im Wortsinn sein, und reizend ist das Fleckchen im Elsass obendrein, wahre Freiheit aber erfordert Grenzen, die schützen, statt zu spalten. Nur so bleibt der Schengen-Raum ein Raum des Friedens, der Sicherheit und vor allem der Freiheit.

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