Viel Gas braucht das Land …

… das ist zumindest die Aussage der Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Der angekündigte und mit Spannung erwartete Monitoringbericht ist nun erschienen, und dazu hat die Ministerin einen 10-Punkte-Plan herausgegeben, der die Tätigkeit der Regierung für die nächsten Wochen (oder Monate, falls die Koalition noch so lange hält …) beschreibt. 

Im Punkt 4 heißt es dazu: „Flexible Grundlastkraftwerke, insbesondere Gaskraftwerke mit Umstellungsperspektive auf Wasserstoff, werden priorisiert.“ 

Die Idee, die Lücken der Versorgung, die durch die Erneuerbaren verursacht werden, durch Gaskraftwerke zu schließen, ist ja nun nicht neu, das hatte auch der Vorgänger Robert Habeck so geplant.

Die aktuelle Diskussion entzündet sich vor allem an der Frage: Wie viele sollen es denn wohl sein? Und da Katherina Reiche in ihrem Plan deutlich mehr vorsieht, wird sie von ihren besten Freunden, den Grünen (man hatte ja gemeinsam die so lästige Schuldenbremse gelockert), mit dem Kosenamen „Gas-Kathi“ angesprochen.

Im Plan kein Wort

Was außer Gaskraftwerken noch für die Grundlast infrage kommen könnte (also Kernkraft oder Braunkohle, die im Lande ja reichlich vorhanden ist), dazu finden Sie im Plan kein Wort. 

Wenn also die Erneuerbaren zeitweise kaum Energie liefern, dann sollen allein Gaskraftwerke die gesamte Leistung des Netzes, die gesamte benötigte Strommenge für Haushalte, Industrie, Verkehr und Heizung, stemmen.

Welche Kosten für diese Gaskraftwerke aufgebracht werden müssen und wo man den dazu notwendigen grünen Wasserstoff bekommen will, dazu gibt es auch keinen Hinweis.

Risiko ohnegleichen

Nun ist der Ansatz, die Versorgungssicherheit durch Gaskraftwerke herzustellen, zunächst einmal nachvollziehbar. Nur, wie wir die Versorgungssicherheit in Gänze in Deutschland anpacken, das macht uns keiner nach: Als einziges der 194 Länder der UNO glaubt Deutschland, man könne ein Industrieland allein mit Sonne und Wind versorgen. Als zweites Alleinstellungsmerkmal auf internationalem Parkett kommt nun hinzu, dass wir denken, allein mit Gas die Lücken stopfen zu können, die uns der Glaube an die Erneuerbaren einbrockt. Das Ganze ist, wie Sie sehen, ein Experiment mit einem Risiko ohnegleichen.

Und wie viele Gaskraftwerke sollen es denn jetzt sein, mit denen wir dieses Experiment starten? 

Im Koalitionsvertrag hatte man sich auf 20 GW geeinigt. Doch brauchen wir die überhaupt noch? Die Diskussion geht aktuell auch darum, wie sich der Bedarf für die gesamte Leistung in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Wenn es weiterhin „gelingt“, mit der Energiewende noch mehr Firmen aus Deutschland zu vertreiben oder in den Konkurs zu zwingen, dann käme man ja auch mit weniger Gaskraftwerken aus …

Vielleicht reichen Speicher?

Auf der Tagung „Energy Transition Summit“ (Denglisch klingt bekanntlich besser) des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research äußerte sich der Staatssekretär Frank Wetzel aus dem Bundeswirtschaftsministerium im September so: „Dank Batteriespeicher reichen laut Aurora-Analysen fünf bis zehn Gigawatt neue Gaskraftwerke bis 2040 aus.“ 

Nur: Wenn Deutschland genug Speicher hätte, dann bräuchte Deutschland ja gar keine Gaskraftwerke. Aber diese Speicher gibt es in nennenswerter Größenordnung bisher nicht. 

Erinnert sei hier daran, dass man ja mal versucht hatte, eine kleine Insel mit ausreichend Speichern zu versorgen. Das war das Projekt „SmartRegion Pellworm“. Wie lief das Projekt? Schon nach einem Jahr, als die Fördermillionen verbraucht waren, mussten die Anlagen wieder abgebaut werden. Daraus können Sie und ich schließen, dass die Idee mit den Speichern zu den nicht nur im Bundeswirtschaftsministerium reichlich verbreiteten Illusionen gehört.

Oder doch anders?

In Punkt 5 des 10-Punkte-Plans von Frau Reiche wird dann doch noch etwas vorgeschlagen: „Flexibilität und Digitalisierung des Stromsystems voranbringen.“ 

Gemeint ist hier vor allem die Nachfrageflexibilität, die man vor allem durch einen (wörtlich) „verstärkten Rollout von Smart Metern“ in Gang bringen will. 

In klaren Worten: Haushalte und Industrie sollen Strom nur dann verbrauchen, wenn der Wind gut weht und die Sonne scheint. 

In einem gewissen Maße ist diese „Nachfrageflexibilität“ schon heute Praxis: Unbemerkt von der Öffentlichkeit werden stromintensive Betriebe zeitweilig von der Versorgung abgeschaltet. Gegen entsprechende Vergütung, was natürlich auch zu einer Erhöhung des Strompreises führt, fließt der Strom wieder. 

Diese Praxis lässt sich allerdings nicht sehr viel weiter ausbauen: Denn wenn auch Haushalte zeitweise vom Strom abgeschaltet werden, würde die Akzeptanz für die Energiewende restlos verloren gehen.

Fazit

Der Titel des Plans heißt: „Klimaneutral werden – wettbewerbsfähig bleiben.“

Ja, das klingt wie ein frommer Wunsch, es erinnert mich an die bekannte Aufforderung: „Wasch mir den Pelz, aber bitte, mach mich nicht nass!“ Und da wir in Deutschland schon einige Jahre nicht mehr wettbewerbsfähig sind, könnte man eigentlich nur fordern (oder hoffen), wieder wettbewerbsfähig zu werden (und eben nicht „bleiben“). 

Eine bekannte Bewertung dieses Plans lautet: „In Anbetracht der gigantischen Kosten der Energiewende sind die kostendämpfenden Maßnahmen, die durch die Abarbeitung von Reiches To-Do-Liste erreicht werden können, nicht mehr als Peanuts.“  

Alles in allem stellt sich mir die Frage: Mit wem müssen wir eigentlich mehr Mitleid haben? Mit den Bürgern unseres Landes, die einen zunehmenden Abstieg der Wirtschaft und des Wohlstandes zu erwarten haben, oder mit den Regierenden, die diese Situation herbeigeführt haben und nun allmählich ängstlich werden? 

Leider wird, wenn wir so weitermachen, die Sache kein gutes Ende nehmen. Es sei denn, wir entwickeln einen anderen Plan und geben auf eine andere, vernünftigere Weise Gas.

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