Auf dem Plattenspieler: A-ha

Künstler: A-ha

Song: Take On Me – Live bei MTV Unplugged in Giske, Norwegen 2017 

In seiner 1896 entstandenen Komposition „Also sprach Zarathustra“ lässt Richard Strauss die Töne in machtvollen Wellen ansteigen und explodieren – ein mitreißendes, triumphales Klangbild, das sein Publikum begeisterte.

Knapp hundert Jahre später nutzt die norwegische Pop-Band A-ha unbewusst dasselbe Prinzip für den Refrain ihres Hits „Take On Me“ – und begeistert damit das Publikum ihrer Zeit. Vergleicht man beide Stücke direkt miteinander, wird die erstaunliche Verwandtschaft deutlich: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ …

Ebenfalls eine alte Geschichte, fast so alt wie die Menschheit, ist die der Heldenreise: voller schwerer Prüfungen, großer Opfer und eines bleibenden Vermächtnisses. Überraschenderweise steckt genau eine solche Geschichte des Durchhaltens auch hinter dem fröhlichen „Take On Me“.

Die Wurzeln dieses Liedes reichen zurück in das Jahr 1979, zu der Jugendband Bridges, gegründet von Pål Waaktaar und Magne Furuholmen. Bei einem ihrer Auftritte war der Hobbysänger Morten Harket im Publikum und bot sich kurzerhand als zweite Stimme an. 

Besonders beeindruckt hatte ihn das Synthesizer-Motiv in dem Lied „Miss Eerie“ … Und genau dieses Riff sollte sie jahrelang begleiten – bis es schließlich zur legendären Melodie von „Take On Me“ wurde!

Nur drei Mitglieder von Bridges hielten dauerhaft an der Vision einer Musikerkarriere fest: eben sie – Pål Waaktaar, Magne Furuholmen und Morten Harket. So bildete das Trio eine neue Formation: A-ha, benannt nach dem „A-ha-Moment“, den sie hofften auszulösen, wenn Menschen ihre Musik entdeckten und feierten.

Mit großen Träumen und grenzenlosem Ehrgeiz reisten sie nach London, damals das pulsierende Zentrum der europäischen Musikszene. Ihr Ziel: die Aufnahme qualitativ hochwertiger Demos, ein Plattenvertrag und ein fester Platz in der Popwelt.

Doch schnell mussten sie feststellen, dass ihre Vorstellung dieser Reise stark romantisiert war: Ihre Musik stieß auf wenig Resonanz, mit einem Touristenvisum durften sie nicht arbeiten, das Geld wurde knapp, und der Alltag war ein ständiger Kampf ums Überleben. Nach einigen Monaten blieb ihnen nur die Rückkehr nach Norwegen – ihr großer Plan war gescheitert.

Bemerkenswerterweise waren sie, zurück in der Heimat, nicht entmutigt, sondern richteten ein kleines Heimstudio in Waaktaars Keller ein und arbeiteten umgehend weiter! So entstand 1982 „Lesson One“, die allererste Version von „Take On Me“, die interessanterweise bereits viele wesentliche Elemente des finalen Tracks beinhaltete.  

Überzeugt, ihren charakteristischen Sound herausgearbeitet zu haben, verkauften die Musiker wieder all ihr Equipment, um ein weiteres Mal nach London aufzubrechen – und alles in die Musik zu investieren …

Dort führten die drei ein absurdes Doppelleben: Tagsüber schliefen sie auf Polystyrolmatten in einem unbeheizten Keller und hungerten regelrecht, nachts arbeiteten sie in einem professionellen Musikstudio an ihrem Debütalbum.

John Ratcliffe, der Besitzer des Musikstudios, ließ ihr Demotape schließlich in seinem Netzwerk zirkulieren – mit Erfolg: A-ha unterschrieb unter der Betreuung der britischen Abteilung einen Vertrag bei Warner Brothers, inklusive eines großzügigen Vorschusses von über 100 000 Dollar für ihr erstes Album!

Endlich hatte es das Trio also geschafft … oder? Nun ja, noch nicht … 

Die ersten Aufnahmen scheiterten. Als Experte für computergesteuerte Synthesizer schien der von der Plattenfirma zugewiesene Produzent zunächst perfekt für die Gruppe – überlagerte ihre Demos jedoch so sehr mit Effekten, dass Harkets Gesang schlichtweg in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Magie der ursprünglichen Versionen ging verloren, das Label lehnte die Songs ab, der Produzent verließ das Projekt – und A-ha war erneut aufgeschmissen.

Gemeinsam mit ihrem Mentor John Ratcliffe nahmen sie die Songs neu auf, reduzierten die Effekte und rückten den Gesang wieder stärker in den Vordergrund, bis das Album schließlich fertiggestellt war.

Und dann war endlich der große Moment gekommen: Die britische Labelabteilung nahm die Platte ab, ließ ein Musikvideo drehen und „Take on Me“ wurde, zunächst in Europa, als Lead-Single veröffentlicht.

Jetzt begeisterte der Track endlich die breite Masse, ging um die Welt und wurde zu dem Klassiker, der er heute ist … richtig? Nun ja, immer noch nicht …

Nach all der Mühe und Aufregung floppte „Take On Me“ tatsächlich vollkommen; Platz 137 in den britischen Charts spricht Bände. Doch damit nicht genug: Noch im selben Jahr ist die Single drei weitere Male angelaufen – und alle drei Male war es ein völliger Misserfolg! A-ha’s Debütalbum wurde daher auf unbestimmte Zeit zurückgestellt – und so langsam verlor die Band selbst jegliche Hoffnung …

Doch Pål Waaktaar ergriff die Initiative: Er umging Manager, Berater und die gesamte britische Abteilung – und rief direkt beim Mutterlabel in den USA an, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Zu seiner Überraschung zeigte sich Warner Brothers weiterhin überzeugt von A-ha, erklärte die Band zur obersten Priorität und investierte fortan massiv, um den Song zu perfektionieren!

Der Hintergrund: Nach den gescheiterten Veröffentlichungen wurde in einem Akt der Verzweiflung „das Projekt A-ha“ dem hochrangigen Warner-Creative-Executive Jeff Ayeroff vorgestellt. Dieser hörte „Take On Me“, sah sich die vorläufigen Pressefotos der Band an – und fiel aus allen Wolken! Er erkannte nicht nur ihr Talent, sondern auch den jungen, attraktiven Harket als idealen Sänger für die bildorientierte MTV-Ära. 

Mit einem weiteren Produzenten entstand wieder eine neue Aufnahme ihrer Platte – und seitens Jeff Ayeroff die Idee zu einem fesselnden, neuen Video zu „Take On Me“, das mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf die Band ziehen sollte …

Unglaubliche 16 Wochen lang arbeitete das Team täglich daran: Die Animatoren zeichneten und animierten rund 2000 Einzelbilder, der Musikvideoregisseur setzte die Szenen zusammen – und das Ergebnis war nicht weniger als revolutionär.

Nun ging es für A-ha also endlich richtig los … oder? Ja – diesmal schon.

MTV nahm das Video ins Programm – und die Popularität der Band explodierte über Nacht. „Take On Me“ stürmte in rund 25 Ländern die Chartsspitze, erhielt in zwölf davon zahlreiche Gold- und Platinauszeichnungen, wurde einer der bekanntesten 80er-Hits weltweit – und A-ha zu einer der größten Bands ihrer Ära!

Viele Jahre vergingen … Und nach unzähligen Erfolgen und mehr als drei Jahrzehnten im Rampenlicht interpretierten die drei Musiker 2017 „Take On Me“ für MTV Unplugged ein letztes Mal neu. Entstanden ist eine ruhige, melancholische Version, in der dieser ganze Weg mitschwingt: das Ringen, das Reifen, das Wachsen. Es wirkt wie ein bittersüßer Abschied – und fast so, als würden sie diesen Kampf ein Stück weit vermissen …

Denn die Tragik dieser Heldenreise, vielleicht jeder Heldenreise, liegt darin: Wer lange kämpft, macht den Kampf zu seinem Zuhause. Das Ringen wird Teil seines Wesens. Und so steht der Held nach dem Sieg vor der Frage: Wie weiterleben, wenn das, was ihm Heimat war, plötzlich verschwunden ist?

Take on me

Take me on

I’ll be gone

In a day or two

Hören Sie hier die atemberaubende Live-Version von A-ha’s „Take On Me“ bei MTV Unplugged 2017.

Und hier die Entwicklung:

„Miss Eerie“, das Fundament von 1979, als die Jugendband Bridges, noch ohne Morten Harket.

„Lesson One“ von 1982, die erste Version als A-ha.

Die erste Veröffentlichung mit dem Titel „Take On Me“, mit dem noch schlichten Musikvideo von 1984.

Und zu guter Letzt die finale Version mit dem berühmten Musikvideo von 1985.

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