Das Leiden des alten Beamten

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts und im Televisor des Sandwirts: Hier.

Mein Vater war ein guter Beamter. Genauer gesagt, war er ein guter Mitarbeiter des Staates, obwohl er Zeit seines Berufslebens das gar nicht hätte sein müssen, denn er war ja Beamter. Als Bewährungshelfer hatte er eine volle Woche und einen vollen Terminkalender. Montags und donnerstags entschied er sich für lange Arbeitstage; er kam nicht vor Anbruch des Abends nach Hause. Und auch an den restlichen Tagen schien er gut beschäftigt; manchmal besuchte er seine Probanden, wie er die von ihm betreuten Verurteilten nannte, sogar am Wochenende. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er auf die Uhr schaute und seine Stunden brav aufschrieb. Das hätte er auch gar nicht müssen.

Beamte werden nicht dafür bezahlt, was sie arbeiten oder wie gut sie ihre Tätigkeit verrichten. Sie werden dafür bezahlt, dass sie so sind, wie sie sind. Ein Kollege eines ehemaligen Freundes, beides Lehrer, hatte während des Schulalltags stets seine Verbeamtungsurkunde in Kopie bei sich. Und jedes Mal, wenn ihm seine Chefin blöd kam, was oft vorkam, denn er war faul wie Garfield, kramte er aus der Hosentasche den Schrieb hervor und präsentierte diesen der Rektorin. „Du kannst mir gar nichts, weil ich unkündbar bin“, drückte er damit aus. Und er hatte damit recht. Beamte obliegen nicht den hiesigen Gegebenheiten einer Leistungsgesellschaft. Es ist für ihr Salär und für ihre Weiterbeschäftigung uninteressant, wie gut sie in ihrem Job sind. Es gibt keine Evaluierung und das ist auch genau so gewollt.

Die Beamten „können nicht mehr“

Hintergrund ist die Idee, dass Beamte eine Sicherheit genießen, weil sie den Staat am Laufen halten. Leider ist es in Deutschland exakt umgekehrt: Eben weil es kein Leistungsprinzip bei Beamten gibt, gibt es so viele Probleme im Staat. Behördengänge werden zur mentalen Zerreißprobe, und wenn Ihr Sohn einen unfähigen Beamten als Lehrer hat, so können Sie sich nach der Decke strecken, wie Sie wollen: Er wird seinen Job nicht verlieren. Vielleicht wird er sogar trotz oder gar wegen seiner Unfähigkeit befördert. Es gibt schlicht keine Anreize, besser zu werden und sich zu hinterfragen. Das machen fraglos manche, aber sie machen es von sich aus und aufgrund eines höheren Ziels. Doch das ist leider bei Weitem nicht bei jedem so.

Nun hat das Forschungsinstitut Pestel einen Vorschlag gemacht, der beim Staatsadel für regelrechte nervöse Zusammenbrüche sorgen dürfte. Die Demoskopen fordern, dass Beamte aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung fünfeinhalb Jahre länger arbeiten sollen als andere Berufsgruppen, um die Altersversorgung in Deutschland gerechter und bezahlbarer zu gestalten. Dieser Vorschlag stieß beim Beamtenbund auf harsche Kritik, insbesondere von dessen Chef Volker Geyer, der die Idee als „absurd“ bezeichnete und warnte, dass die Einführung berufsgruppenspezifischer Rentenaltersgrenzen problematisch sei. Geyer betonte, dass die steigenden psychischen Belastungen in der Arbeitswelt berücksichtigt werden müssen, denn „die Leute können nicht mehr“. In ein ähnliches Horn bläst auch die Polizeigewerkschaft.

Dieses System hat keine Zukunft mehr 

Die deutschen Beamten „können nicht mehr“. Wer kennt nicht den zu Tode gehetzten Verwaltungsbeamten, der vor lauter Herzproblemen aufgrund des hohen Kaffee- und Kuchenkonsums kaum mehr atmen kann? Und wer ist nicht im Bilde des desolaten Gesundheitszustands der Stempelhelden, wenn das Stempelkissen wieder einmal trocken ist? 

Insgesamt spiegelt die Diskussion die Herausforderung wider, gerechte Lösungen für die Rentenreform zu finden, ohne bestimmte Berufsgruppen unverhältnismäßig zu belasten.

Ich habe da einen völlig verrückten Vorschlag, um echte Gerechtigkeit herzustellen: Warum das Beamtentum nicht ganz abschaffen? Weshalb werden beispielsweise Lehrer nicht daran gemessen, wie viele Schüler einen Abschluss schaffen? Warum können nicht auch Menschen in der Verwaltung nach ihrem Tagwerk und weniger nach ihrem Status bezahlt werden? Und warum ist es so schwierig, Beamte im Vollstreckungsdienst loszuwerden, wenn sie unverhältnismäßige Polizeigewalt angewandt haben? 

Bleibt das System so, dann bleibt das Beamtentum ein Becken der Mittelmäßigen und Unterirdischen, die man nie wieder los bekommt. Immerhin erkennen dies immer mehr Deutsche. Laut einer aktuellen Insa-Umfrage wünschen sich die meisten Deutschen eine Reduzierung des Beamtentums sowie niedrigere Pensionen. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann befürwortet ein Engagement für weniger Beamte. Zwar sind weniger Bundesadelige immer noch zu viele Staatsdiener, aber man muss ja hierzulande kleine Brötchen backen.

Menschen wie mein Vater gab es und gibt es auch heute noch. Dennoch dienen sie dem Staat auf eine gute Art und Weise nicht wegen, sondern obwohl sie verbeamtet sind. Dieses System kann keine Zukunft mehr haben. Es lädt zur Faulheit und Unfähigkeit ein. Es heizt die intellektuelle Armut und Denkfäule an. Und es regt Empathielosigkeit und Gleichgültigkeit an, wenn mal wieder ein Bürger vor dem Schalter steht und auf den guten Willen eines Staatsadeligen angewiesen ist.

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3 Kommentare. Leave new

  • G. M. Luft
    21/08/2025 20:26

    Absolut richtig, Julian.

    Dein ehemaliger Freund

    Antworten
  • Berthold bohner
    22/08/2025 11:36

    Wie aus meiner Seele gesprochen , es ist Zeit , Beamte nur in Polizei und Justiz einzustellen. Begründung : es wird besondere Loyalität zum Gesetz verlangt. Alle anderen nur Angestellte.
    Es geht auch ohne Beamte.

    Antworten
  • Markus Rimpler
    26/08/2025 17:29

    Sehr geehrter Herr Plutz,
    Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie irren.
    Nehmen wir mal die meistgehasste Beamtengruppe, die Lehrer. Wer sollte die Leistung den messen?
    Die Eltern? Die Noten würden noch viel mehr inflationär besser werden. Leistung und Bildung wären abgeschafft.
    Die Schüler?
    Die Noten würden noch viel mehr inflationär besser werden. Leistung und Bildung wären abgeschafft.
    Irgendeine vorgesetzte Struktur?
    Wer mit dem Zeitgeist hadert, kann das nicht ernsthaft wollen…
    Wenn die Lehre in Abhängigkeit wünscht, möchte den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
    Gruß aus der Pfalz

    Antworten

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