Energiekosten – Der Irrweg der Verknappung

Unternehmen Zuversicht #3

„Die Sonne schickt uns keine Rechnung“, so lautet der berühmte Satz und Buchtitel von Franz Alt aus dem Jahr 1994. Alt, über 20 Jahre lang das Gesicht des ARD Politmagazins „Report“, prägte später auch die bis heute zitierte Formel: „Wind und Sonne stellen keine Rechnung.“ Diese Aussage wurde von der „grünen“ Bewegung zur Dogmatik erhoben: Die Zukunft der Energie müsse allein in Windkraft, Solarenergie und anderen erneuerbaren Quellen liegen – denn „sie kosten ja nichts“.

Doch die Realität sieht anders aus.

2004 sagte Jürgen Trittin, damals grüner Bundesumweltminister in der Regierung Schröder, in der Bild am Sonntag über die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG):

„Die Energiewende wird eine durchschnittliche Familie nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten.“

Ich würde sagen: Entweder sind die Preise für eine Kugel Eis explodiert – oder die Politik hat die tatsächlichen Kosten der Energiewende massiv unterschätzt.

Dann ziehen Sie sich warm an

Wind- und Solaranlagen liefern Strom nur, wenn Wetter, Tageszeit und Jahreszeit es erlauben. Der Wind kann unvermittelt aufhören, Wolken können die Sonne verdecken, und schon gibt es weniger Strom. Manche Politiker schlagen vor, einfach flexibler zu sein: Wenn gerade kein Strom da ist, könne man doch später kochen oder waschen. Wolfgang Schäuble empfahl Bürgern schon einmal, sich einfach „einen Pullover“ überzuziehen, wenn die Heizung streikt.

Was für Privathaushalte gelegentlich kompensierbar ist, kann für energieintensive Industrien existenzbedrohend sein. Die deutsche Wirtschaft braucht eine zuverlässige Stromversorgung, die nicht schwankt. Ohne eine stabile Energiequelle können Fabriken nicht produzieren, Maschinen stehen still, und Arbeitsplätze sind gefährdet.

 

Unsere Industrie braucht Systeme, die sie nach ihren Bedürfnissen hoch- und runterfahren kann – so wie es eben mit Kohle, Gas und auch Kernenergie möglich war. Die deutsche Wirtschaft braucht eine grundlastfähige Energieversorgung und keine Willkür des Wetters.

Früher leisteten Kohle, Gas und Kernkraftwerke genau das: berechenbare, skalierbare Energie auf Abruf. Heute sollen Gaskraftwerke, später vielleicht Wasserstoffkraftwerke, als Backup-Systeme dienen. 

Laut Plänen der Bundesregierung müssten diese Backup-Kapazitäten so ausgelegt werden, dass sie die Stromnachfrage auch bei längeren Phasen ohne Wind und Sonne vollständig decken können.

Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln (EWI) hat im Handelsblatt vorgerechnet, dass allein für diese Reservekraftwerke ein Finanzierungsloch von rund 60 Milliarden Euro klafft.

Ein weiteres Problem: An sonnigen und windreichen Tagen produzieren die erneuerbaren Energien häufig deutlich mehr Strom, als im Netz benötigt wird. Da es keine ausreichenden Speicherlösungen gibt, muss dieser Überschussstrom zu negativen Preisen verkauft werden – das heißt: Deutschland bezahlt dafür, dass andere Länder unseren Strom abnehmen. Gleichzeitig erhalten Betreiber von Wind- und Solaranlagen ihre gesetzlich garantierte Vergütung, unabhängig davon, ob der Strom gerade gebraucht wird oder nicht.

Das führt zu absurden Situationen: Während Verbraucher hohe Strompreise zahlen, fließt überflüssiger Strom ins Ausland – subventioniert von deutschen Haushalten und Betrieben. Dieses System ist weder effizient noch nachhaltig.

Vom Markt zum Subventionsstaat

Eine zentrale Säule der deutschen Energiewende ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das 2000 das Stromeinspeisungsgesetz von 1991 ersetzte und bis heute regelmäßig angepasst wurde.

Mit der Einführung des EEG und der damit verbundenen Vorrang-Einspeisung für erneuerbare Energien hat Deutschland die Prinzipien einer echten Marktwirtschaft verlassen. Der Strommarkt wird zunehmend politisch gelenkt und durch Subventionen verzerrt.

Nun geht die Politik den nächsten Schritt: Mit dem geplanten Kapazitätsmarkt wird ein weiteres Subventionsmodell eingeführt. Betreiber von Kraftwerken erhalten dann Geld nicht für die Stromproduktion selbst, sondern allein dafür, dass ihre Anlagen jederzeit einsatzbereit sind: als Reserve für Zeiten, in denen Wind und Sonne nicht genügend Strom liefern.

Diese Backup-Kraftwerke müssen ständig betriebsbereit gehalten werden, inklusive Personal, Wartung und technischer Infrastruktur, obwohl sie oft nur selten gebraucht werden. Ohne staatliche Zahlungen wäre ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Reservekapazitäten nicht möglich.

Wir schaffen damit ein teures Parallelsystem: ein komplett subventioniertes Netz von Reservekapazitäten, das allein existiert, um die Schwankungen der wetterabhängigen Energien auszugleichen. Der Staat wandelt sich vom Schiedsrichter zum Betreiber – zulasten von Effizienz, Wettbewerb und Kostenwahrheit.

Deshalb mein dringender Appell: Wir müssen zurückkehren zu einer echten Marktwirtschaft, in der sich alle Technologien unter gleichen Bedingungen im Wettbewerb beweisen können. Keine Subventionen, kein Vorrang für politisch oder von Lobbygruppen favorisierte Technologien, sondern echte Technologieoffenheit. Nur so sichern wir Innovation, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit.

Der Netzausbau – ein Billionengrab

Ein weiteres Problem ist der Stromtransport: Windparks stehen oft im Norden, die großen Industriezentren sind im Süden und Westen. Damit der Strom überall ankommt, sind tausende Kilometer neuer Stromleitungen nötig. Das Bundeswirtschaftsministerium bezeichnet diese neuen Stromnetze als das „Rückgrat einer gelungenen Energiewende“.

Doch dieses Rückgrat hat seinen Preis. Die Bundesnetzagentur schätzte die Kosten 2023 noch auf 95 Milliarden Euro bis 2030. Anfang 2024 wurde diese Zahl auf 300 bis 500 Milliarden Euro korrigiert.

Die Kosten der EEG-Förderung sind ebenfalls enorm: Allein im Jahr 2024 beliefen sie sich auf rund 19 Milliarden Euro, wie aus Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hervorgeht. 

Dazu kommen massive Preissteigerungen bei Rohstoffen: Kupfer und Lithium, essenziell für Leitungen und Speicher, könnten laut Prognosen bis 2030 um bis zu 180 Prozent teurer werden.

Die Schätzungen für die Gesamtkosten der deutschen Energiewende reichen je nach Studie von 1.240 Milliarden Euro (NZZ, April 2024) bis zu 6.000 Milliarden Euro (McKinsey). Professor André Thess vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik errechnet gar 10.000 Milliarden Euro – auf einem einzigen Bierdeckel.

Aus der versprochenen Kugel Eis ist ein milliardenschweres Dauersubventionssystem geworden.

Deutschland kann rechnen

Der Verein Global Energy Solutions hat für ein vollständig auf Wind- und Solarkraft basierendes Stromsystem jährliche Gesamtkosten in Höhe von 247 Milliarden Euro errechnet – das entspricht rund 33 Cent pro Kilowattstunde, ohne Steuern und Abgaben. Die Gründe liegen auf der Hand: hoher Flächenbedarf, gigantische Speicher- und Reservekapazitäten, gewaltiger Netzausbau. All das treibt die Systemkosten nach oben.

Würde man das deutsche Energiesystem hingegen auf der Grundlage moderner Kernenergie wie der Thoriumtechnologie umstellen, ließen sich die jährlichen Gesamtkosten auf geschätzte 50 Milliarden Euro senken. Das Einsparpotenzial beträgt damit bis zu 200 Milliarden Euro pro Jahr: dauerhaft, inflationsrobust und ohne neue Rohstoffabhängigkeiten.

Deutschland steht in den kommenden Jahren vor gewaltigen finanziellen Herausforderungen: Der demografische Wandel verschärft den Druck auf Renten- und Gesundheitssysteme. Gleichzeitig ist die Infrastruktur vielerorts marode, die Sozialausgaben steigen, und die öffentlichen Haushalte nähern sich bereits heute der Grenze ihrer Tragfähigkeit.

Eine bezahlbare, kapitalschonende und verlässliche Energieversorgung ist unter diesen Bedingungen kein Luxus, sie ist die Grundlage dafür, dass wir in Deutschland auch in Zukunft noch handlungsfähig bleiben.

Volker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Netfonds AG, bringt es auf den Punkt: „Unsere Stärken sind der Mittelstand, die Hidden Champions. Die brauchen konkurrenzfähige Energiepreise – alle anderen Themen sind nachgeordnet.“

Wenn wir wirtschaftlich stark bleiben und den sozialen Zusammenhalt sichern wollen, brauchen wir eine Energiepolitik, die rechnet – ökologisch, ökonomisch und technologisch. Der Weg ist da. Wir müssen ihn nur gehen.

Dieser Beitrag ist ein Kapitel aus dem Buch „Unternehmen Zuversicht. 12 gute Gründe, warum die besten Jahre Deutschlands noch vor uns liegen” von Wilfried Hahn, das in der Edition Sandwirt erschienen ist und das Sie überall im Buchhandel und hier im Shop des Sandwirts kaufen können. 

„Zuversicht ist kein Gefühl, das man einfach hat. Sie ist eine Haltung, die man sich erarbeitet.” 

Wilfried Hahn

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