Mein Freund, der Held

Manche Dinge müssen einfach immer wieder erzählt werden, da sie den Rechtsstaat und das Vertrauen in selbigen bis ins Mark erschüttern. In meinem Berufsleben gibt es Geschichten, die mehr prägen als andere. Einfach deswegen, weil diese Vorfälle so unglaublich sind, dass sie Zweifel am System säen. Und auch wenn ich ähnliche Geschichten aus den Medien kenne, so ist es etwas ganz anderes, wenn du die Person persönlich kennst und den Fall hautnah miterlebst.

Da wäre zum einen die exzessive Polizeigewalt, die Peter Kilian hat erleben müssen, als der Schwerbehinderte, der auch als solcher gekennzeichnet war, bei einer Corona-Demo von einem Polizisten grundlos geschlagen wurde. Er erlitt dabei einen epileptischen Anfall und leidet bis heute an einer posttraumatischen Belastungsstörung. 

Einen anderen Fall von unverhältnismäßiger Polizeigewalt erlebte mein bester Freund, der von Polizisten aufgrund einer Lächerlichkeit fast umgebracht wurde – und der zum Dank obendrein, denn natürlich wehrte er sich, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt wurde. Die Polizisten hatten sich offensichtlich für den Prozess abgesprochen und trugen teilweise sogar wortgleich ihre erlogene Aussage vor. Richter und Schöffen waren nicht in der Lage, oder sie wollten schlicht nicht, diese himmelschreiende Ungerechtigkeit zu erkennen. 

Eine ganz andere, aber nicht minder emotional prägende Geschichte ereignete sich vor inzwischen mehr als fünf Jahren. Mohammed Ali Slim, ein gläubiger Muslim und ehemaliger Bundeswehrsoldat, geriet in Lebensgefahr, nachdem er als Reaktion auf die Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty eine Mohammed-Karikatur veröffentlicht hatte. Die Karikatur zeigte den Propheten oberkörperfrei mit Lederschuhen, eine Regenbogenfahne schwenkend, untertitelt mit „Das Coming-out des Propheten“. 

In einem begleitenden Facebook-Post entschuldigte er sich im Namen des Islams für den Mord an Paty, distanzierte sich von der Tat und betonte, sein Islam habe keine Angst vor Karikaturen, Satire oder Kritik. Er wollte demonstrieren, dass nicht alle Muslime religiöse Befindlichkeiten über weltliche Gesetze und Meinungsfreiheit stellen, und positionierte sich als gläubiger Muslim in Bundeswehruniform in einer Moschee. 

Der Post verbreitete sich rasch international, auch in Ländern wie der Türkei, Algerien und Marokko, was zu massiven Anfeindungen führte.

Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad im Kleinformat

Die Reaktionen eskalierten schnell: Mohammed erhielt weltweit Morddrohungen von Islamisten, seine Adresse wurde in Moscheegemeinden und auf islamistischen Facebook-Seiten geteilt – darunter eine große Seite aus seiner eigenen DITIB-Moschee. Er wurde physisch angegriffen, etwa auf dem Heimweg von der Arbeit und in der Berufsschule in Pausen und Raucherecken. 

Die Polizei reagierte zögerlich – zunächst nur mit einer Online-Anzeige, später mit Screenshots der Drohungen und gelegentlichen Streifenfahrten vor der Schule. Personenschutz wurde mangels Ressourcen abgelehnt, mit dem Hinweis, erst bei einem aktiven Vorfall einzugreifen. Der Höhepunkt kam, als vier Onkel unerwartet in der Wohnung seiner Mutter auftauchten, ihn in den Schwitzkasten nahmen und in ein Zimmer mit einem Messer schleppten; nur durch lautes Schreien und das Eintreffen der Polizei entkam er – mit einem Rucksack als einzigem Gepäck.

Auf der Flucht halfen ihm vor allem jüdische Gemeinden aus Frankfurt, Freiburg und Fulda, die ihn in Synagogen aufnahmen und ihn an Chanukka teilnehmen ließen. – Menschen, vor denen er sein Leben lang gewarnt worden war, retteten sein Leben. Fremde, darunter ein Unternehmer, der ihm eine schusssichere Weste schenkte, unterstützten ihn mehr als der Staat.

Vor mehr als drei Jahren lernte ich Mohammed Ali Slim kennen. Wir freundeten uns an, und in Diskussionen waren wir ein wenig wie Henryk Broder und Hamed Abdel-Samad im Kleinformat: Auf der einen Seite der jüngere, vernünftige Moslem, der lieber einmal mehr denkt, bevor er etwas sagt, und auf der anderen Seite die jüdische Rampensau, die mit dem Wort „Der Islam ist eine primitive Wüstensekte“ auf Tournee geht. 

Als Mohammed diesen Satz das erste Mal hörte und gefragt wurde – ich erinnere mich noch gut –, ob er sich damit beleidigt fühle, antwortete er sinngemäß: „Mir gefällt der Satz nicht. Aber man darf das sagen, und Moslems müssen das aushalten.“ 

Kleiner Funfact: Der Satz ist gar nicht von mir, sondern von Michael Schmidt-Salomon, einem bekannten deutschen Atheisten – mit dem kleinen, aber folgenschweren Unterschied, dass er damit das Christentum meinte. Im Gegensatz zu mir, der spätestens seit diesem Satz als islamophob und rassistisch gilt, musste er sich nicht anhören, wie christenfeindlich und rassistisch er denn sei.

Blind gewordene Gesellschaft 

Ansonsten aber muss ich, bis auf regelmäßige Cancel-Versuche, wenig Repressalien aushalten. Das ist bei Mohammed Ali Slim anders. Er lebt heute größtenteils unter dem Radar; in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien findet er nicht mehr statt – und wenn, dann anonym. Manchmal komme ich mir schlecht vor, weil ich so gut wie alles sagen kann, was ich will, ohne dass mir Menschen nach dem Leben trachten – und Mohammed nicht. Und das, obwohl er wesentlich weniger lautstark, polemisch und beleidigend ist als ich. 

Die hässliche Fratze des Islams ist, seine Macht, abweichende Meinungen in der eigenen Community totzumachen. Und wie immer ist erschreckend: Die einen handeln und die deutsche Mehrheitsgesellschaft schweigt. Lieber forcieren sie weiter die ungezügelte Zuwanderung aus islamischen Ländern, als die Probleme mit den hiesigen Moslems zu lösen.

Trotz allem glaube ich, dass es richtig war, was Mohammed Ali Slim vor mehr als fünf Jahren gemacht hat. Er hat, ohne es zu wollen, die Grenzen der freien Rede in seiner Religion aufgezeigt. Für mich bist du ein Held, lieber Freund, aber auch ein randlos trauriges Symbol einer Gesellschaft, die in ihrer Dekadenz die eigenen Werte ignoriert und somit begräbt. 

Viele Einzelschicksale, ob Opfer von Polizeigewalt oder Opfer des politischen Islams, sind die ersten, aber irgendwann nicht mehr die letzten Leidtragenden eines blind gewordenen deutschen Volkes.

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