Der beste Rapsong dieses Jahres auf Deutsch stammt von Samra und heißt „Irgendwann“:
Ich kann in deinen Augen sehen,
du schaffst es nicht, da rauszugehen.
Weil man dir gesagt hat,
es wäre besser, einfach aufzugeben.
Als würd das Leben dich grad tot boxen.
Als wär der Regen aus K.-o.-Tropfen.
In diesen Zeiten, in denen Debatten nicht mehr nur aufgeheizt sind, sondern verbrannt und dadurch toxisch werden, ist es für manche Randgruppen kaum mehr möglich, sich in sachlicher Art Gehör zu verschaffen. Also gibt es für viele dieser Art nur noch zwei Optionen, wie Samra singt: „einfach aufzugeben“ oder gar nicht erst „aufzustehen“.
Eine dieser Debatten, die hierfür stellvertretend steht, ist die Diskussion um das Thema Trans. Ich erlaube mir zu sagen, dass ich diese Auseinandersetzung von Beginn an begleitet habe. Durch Marie-Luise Vollbrecht, die ich zu meinen Freunden zählen darf, erfuhr ich noch lange vor ihrem gar nicht mal so skandalösen Skandal-Vortrag, wie Frauen zu dem Thema stehen. Ich habe ihnen zugehört und verstanden, weshalb sie eine Gefahr sehen, wenn beispielsweise Schutzräume für biologische Frauen von Transfrauen bedroht werden könnten.
Jedoch – bis auf einige Einzelbeispiele und einen eher humoresken Auftritt einer mir nicht ganz unbekannten bärtigen sogenannten Transfrau – kann ich, wenn ich heute zurückblicke, auf wenig harte Zahlen blicken, die die These dieser Aktivistinnen stützen.
Was nicht heißt, dass es diese Gefahr nicht gibt. Doch die Frage bleibt: Wie herzlos und gleichzeitig emotional, wie unterkomplex muss man eine Debatte führen? Wenn Bärbel Bas sagt: „Transfrauen sind Frauen, deswegen sehe ich da jetzt keinen weiteren Diskussionsbedarf“, dann würgt sie eine notwendige Diskussion in einer Gesellschaft per ordre de mufti einfach ab. Denn sie sagt eine Unwahrheit: Transfrauen sind keine Frauen. Sie sind aber auch keine Männer. Transfrauen sind Transfrauen.
Mir ist nach den Jahren der Auseinandersetzung mit diesem Thema völlig schleierhaft, weshalb sich beide Lager nicht lagerübergreifend auf diese Formel einigen können.
Gefühle können sich ändern – Tatsachen nicht
Naturwissenschaftlich gesehen scheint die Sachlage zunächst geklärt. Natürlich hat Marie-Luise Vollbrecht recht, wenn sie sagt, dass die – also die biologische, konkret chromosomale – Geschlechtlichkeit des Menschen aus genau zwei Geschlechtern besteht. Daran ändert übrigens auch Intersexualität nichts: Die biologische Geschlechtsbestimmung basiert auf zwei Fortpflanzungsrollen, männlich und weiblich, definiert durch Chromosomen und den Phänotyp, also die beobachtbaren körperlichen Merkmale wie Gonaden oder Genitalien. Intersexuelle Variationen sind dabei übrigens seltene Ausnahmen, die diese binäre Grundlage nicht aufheben, sondern sie eigentlich sogar bestätigen. Denn sie zeigen, dass selbst Abweichungen innerhalb dieses binären Systems auftreten.
Und dennoch gibt es noch etwas mehr zwischen Null und Eins. Zum Beispiel, wenn Transpersonen eine eindeutig definierte Erkrankung, nämlich Geschlechtsdysphorie, aufweisen. Geschlechtsdysphorie bedeutet, dass eine Person erhebliches psychisches Leid erlebt, weil ihre Geschlechtsidentität nicht mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt. Diese Menschen leiden an ihrer Erkrankung ihr Leben lang. Welche freiheitliche Gesellschaft möchte sich dem widersetzen, um eine Transfrau oder einen Transmann in ihre biologische Tatsache auf Teufel komm raus zu pressen, obwohl sie kraft der Medizin es eindeutig anders sehen? Daher bleibt die These korrekt: Transfrauen sind keine Männer. Sie sind Transfrauen.
Kluge Kritiker der Regenbogen- bzw. Transideologie haben diese Unterscheidung immer gemacht. Jenseits eines selbstbezogenen und damit nicht selten selbstzerstörerischen Transaktivismus muss zwischen einer Gefühlslage und einer medizinischen Tatsache unterschieden werden.
Denn es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Leuten einerseits, die sich als non-binär oder genderfluid bezeichnen, sich neuartige, oftmals clowneske Pronomen geben, die sie sicherlich in zehn Jahren nicht mehr verwenden werden, und andererseits Transpersonen, die an Geschlechtsdysphorie leiden. Denn Gefühle können sich ändern – ich hörte mit acht Jahren beispielsweise „Die Prinzen“. Doch über medizinische Tatsachen kann sich auch keine noch so starke Emotion erheben. Sie ist da, und sie bleibt. Daher höre ich heute lieber „Blood for Blood“ als „Die Prinzen“.
Detranspersonen oder lesbische Frauen?
Es gibt übrigens auch nicht wenige Transpersonen, die dieses „In-einen-Topf-Werfen“ von Genderfluiden und Non-Binären einerseits und Transpersonen andererseits beklagen. Sie werden dadurch abgewertet und in eine ideologische Gruppe gepresst, in die sie gar nicht gehören. Wissenschaft – so der Idealzustand – kennt keine Ideologie.
Besonders deutlich wird der Widerspruch, wenn man sich anschaut, was für ein quälender und anstrengender Weg eine Transition darstellt. Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich in einem Fall diesen Weg, zumindest den letzten wesentlichen Teil, mitbegleitet habe: Ich war dabei, als eine mir nahestehende Person ein Vorgespräch zu einer geschlechtsangleichenden Operation wahrgenommen hat. Später durfte ich miterleben, wie eine vierstündige Operation gut lief und sie in einer fremden Stadt auf Station die ersten Heilungsschritte unternahm. Nach einer lebensbedrohlichen Komplikation, die selten ist, aber leider auch vorkommen kann, stand sie wacker weiter da und versucht seither, ihr Leben zu leben, wie sie das möchte.
Was ich damit sagen will: Diese Art von Eingriff ist eine große, schwere Operation, und ich glaube nicht, dass die meisten Patienten sich das leicht machen. Ja, es gibt Fälle von Detranspersonen, die eine Transition rückgängig machen, um in ihrer ursprünglichen Geschlechtsidentität zu leben, doch diese Beispiele sind sehr selten, was nicht heißt, dass sie unterschätzt werden sollten. Die Fälle, die ich kenne, waren allesamt Ex-Trans-Männer, die im Prinzip – die meisten übrigens lesbisch und mit psychischen Begleiterkrankungen „gesegnet“ – einfach nur Frauen waren. Sicherlich und ganz bestimmt lief hier in der medizinischen Beratung, aber auch in links-woke geprägten Beratungsgruppen einiges schief.
Leben, wie sie leben möchten
Daher halte ich das „Selbstbestimmungsgesetz“ auch weiterhin für ein falsches Gesetz. Und so manch eine Transperson erzählt unter vorgehaltener Hand, manchmal aber auch ganz öffentlich, dass man mit diesem Gesetz Tür und Tor für Willkür geöffnet habe und das Transsexuellengesetz gar nicht mal so falsch war.
Dennoch ist es unmöglich, aufgrund von Einzelbeispielen – seien es bärtige sogenannte Transfrauen in Frauensaunen, Detranspersonen einerseits und andererseits zunehmend hysterische, verbal und gar nicht mal nur verbal aggressive Transaktivisten – auf die Allgemeinheit zu schließen. Denn am Ende des Tages geht es für freiheitliches Denken vor allem darum, Individualismus möglich zu machen.
Und da Freiheit keine Beliebigkeit darstellt, muss man als freiheitlich denkender Mensch auch gesellschaftliche Tatsachen akzeptieren. Der Satz „Es gibt nur zwei Geschlechter“ ist so wahr wie der Satz „Transfrauen sind Transfrauen“. Akzeptiert man das nicht, argumentiert man nicht nur gegen die eigene Vernunft, sondern vor allem gegen eine Randgruppe, die sich nichts mehr wünscht, als so zu leben, wie sie leben möchte, sich aber viel zu oft in toxischen Debatten wiederfindet, bei denen sie nur verlieren kann.
Daher ist das beste Lied dieses Jahres in deutscher Sprache, Stand Oktober 2025, völlig zurecht von Samra. Es heißt, wie eingangs erwähnt, „Irgendwann“:
Ich steck’ zwar nicht in deiner Haut,
doch weiß, dein Fell ist dicker, als du glaubst.
Denk an mich, irgendwann hört es auf,
Bruder, du kannst mir vertrauen.
Irgendwann tut dir die Vergangenheit nicht mehr weh,
irgendwann wirst du all die Narben nicht mehr sehen.
Irgendwann merkst du, wie dein Herz so langsam wieder schlägt,
irgendwann hast du alles überlebt.
Stehst vor ausverkauften Hallen,
so viel Menschen, die schreien,
musst keinem, außer nur dir selber, gefallen.
Irgendwann erinnerst du dich nicht an deine Tränen,
irgendwann wirst du alles verstehen.