Wenn Riesen fallen

Die Party ist vorbei. Doch viele scheinen es noch nicht gemerkt zu haben. Die großen westlichen Nationalstaaten, ins Alter gekommene Riesen, desintegrieren zusehends; aber ihr Führungspersonal feiert noch fröhliche Urstände. 

Es war der amerikanische Militärexperte und ehemalige ranghohe Berater des US-Verteidigungsministers, Colonel a.D. Douglas Macgregor, der mich darauf aufmerksam machte, dass es nicht nur eine Hypostasierung ist, von Staaten wie von wirklichen Wesen zu denken, wo es sich doch um geistige Konstrukte handelt. Sondern man kann auch die ‚Lebensdauer‘ dieses geistigen Konstruktes überschätzen. Macgregor beschrieb, ich gebe das Gehörte hier so wieder, wie ich es für mich eingeordnet habe, dass beispielsweise Mexiko oder Venezuela de facto über kein funktionales organisiertes Staatswesen mehr verfügen. Die gewählten – oder vermeintlich gewählten im Falle Venezuelas – ‚Staatschefs‘ hätten noch eine gewisse Macht in einem begrenzten Radius rund um ihren Amtssitz, figurativ gesprochen. Aber die wirklichen Drahtzieher und Mächtigen seien im Falle Mexikos de facto die Kartelle und in Venezuela die Militärgeneräle.

Mexiko, Venezuela, DDR, UdSSR, USA, Deutschland

Es geht mir in den beiden Fällen Mexikos und Venezuelas nicht so sehr um die ‚Realien‘, also ob die Einschätzung Macgregors die Realität tatsächlich trifft, sondern um das Idealbild, dass eine Organisation oberflächlich noch einen Namen hat, sich ihr Führungspersonal noch mit diesem Namen und der Organisation identifiziert und ‚so tut, als ob‘ alles noch funktionieren würde – etwa wie die Nomenklatura der DDR oder der Sowjetunion in den ‚Iden‘ des Oktobers 1989. Oder wie etwa der Name des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ noch herumgeisterte, als dieses schon lange nicht mehr römisch oder heilig war.

Im Falle Mexikos oder Venezuelas, der DDR oder der Sowjetunion, werden viele Leser leicht einsehen, dass das ‚Funktionieren‘ der Staatsorganisation „mehr Schein als Sein“ ist bzw. war. Doch wie sieht es in den USA oder Deutschland aus? 

In den USA wird – wider den Willen des Establishments – ein Präsident gewählt, auf dem im Wahlkampf geschossen wird. Einer seiner größten Unterstützer, der christlich-konservative Influencer Charlie Kirk, wird auf offener Bühne erschossen, während er ein T-Shirt trägt, auf dem „Freedom“, also Freiheit steht. Die Kriminalität in den US-Großstädten wird als außer Kontrolle beschrieben, der amtierende Präsident hat in Washington D.C. sogar die Nationalgarde mobilisiert, um die Kriminalität zu bekämpfen. Die innere Sicherheit ist praktisch nicht nur stark gefährdet, sondern teilweise nicht mehr gegeben. Das Vertrauen in die Massenmedien liegt laut einer Umfrage bei nurmehr 31 Prozent (im Vergleich 1976: 72 Prozent), das Vertrauen in die US-Regierung bei nur noch 22 Prozent (im Vergleich 1964: 77 Prozent).

In Deutschland wurde durch die Veröffentlichung der RKI-Protokolle offenbar, dass die Bevölkerung während der Zeit der schrecklichen Corona-Zwangsmaßnahmen an der Nase herumgeführt wurde. Auf Länderebene wurden von Oppositionsparteien Untersuchungsausschüsse erzwungen und jetzt auch eine Enquete-Kommission des Bundestages. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Sicherheit im öffentlichen Raum, insbesondere in Großstädten oder in öffentlichen Beförderungsmitteln wie Bahnen, stark zurückgegangen. 47 Prozent der Befragten äußerten in einer Umfrage, dass sie mit einer Verschlechterung der Sicherheitslage rechneten, während nur 15 Prozent mit einer Verbesserung rechneten. 75 Prozent der Befragten des ARD-DeutschlandTrends sind Anfang Dezember mit der Bundesregierung unzufrieden. 78 Prozent haben laut einer INSA-Umfrage Angst, ihre Meinung zu sagen. Und eine weitere INSA-Umfrage aus 2024 ergab, dass nur ein Drittel (33 Prozent) der 18- bis 29-Jährigen Befragten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine verlässliche Quelle hielten – selbst in der Gesamtbevölkerung ist es nicht mehr ganz jeder Zweite (47 Prozent). 

Desintegrationsprozesse sind also beobachtbar im Gange, aber die große Mehrheit der Bevölkerung bleibt im Denken in den überkommenen Narrativen verstrickt.

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“

In ihrem herausragenden, visionären Buch The Sovereign Individual (1999) beschreiben die Autoren Lord William Rees-Mogg (1928 – 2012) und James D. Davidson genau dieses Szenario: Die Desintegration der Nationalstaaten, ohne dass dies von der breiten Masse – oder auch den vermeintlichen Eliten – bereits bemerkt würde. Solange man mitten drin lebt in der ‚Geschichte‘, fällt einem nicht auf, dass es bereits zu Brüchen kam, die – im Nachhinein und von außen betrachtet – längst einen Paradigmenwechsel eingeläutet haben. Rees-Mogg und Davidson erkennen im Berliner Mauerfall am 9. November 1989 – also bereits zehn Jahre vor dem Erscheinen ihres Buches – diesen Bruch und sehen seitdem sowohl den Nationalstaat als auch sein Kernelement, die Politik, als im Untergang begriffen.

Dabei beschreiben die Autoren den Menschen als ein Wesen, das auf äußere Anreize reagiert, die manchmal außerhalb seines Einflusses liegen, und sehr oft jedenfalls außerhalb des Einflusses des Einzelnen, des Individuums. Diese äußeren Anreize können technologische sein, geografische und/oder klimatische Bedingungen, intellektuelle ‚Sprünge‘ und dergleichen. 

Nun habe die Erfahrung spätestens seit 1776 für jeden unvoreingenommenen Beobachter gezeigt, so die Autoren sinngemäß, dass die Menschen dann am meisten Wohlstand für sich und andere (!) schaffen, wenn sie in Freiheit von Politik leben, wenn Kommerz an die Stelle von Kommando und Befehl tritt, wenn die Menschen ihre Angelegenheiten mit Verträgen statt mit Drohungen und Zwang regeln. Intellektuell hätten das John Locke (1632 – 1704) oder Adam Smith (1723 – 1790) bereits nachgewiesen, und in John Lockes griffiger Phrase „Leben, Freiheit und Besitz“ komme das prägnant zum Ausdruck. „Seit 1776 ist offensichtlich, dass es für alle Nationen die beste Art und Weise ist, Wohlstand zu optimieren, den Einzelnen zu gestatten, ihre Kapitalerträge in freiem Wettbewerb zu optimieren“, schreiben Rees-Mogg und Davidson.

Eine etwa 1750 einsetzende Erwärmung und der damit verbundene Mehrertrag der Landwirtschaft, die Technologien der Feuerwaffen und der Dampfmaschine, die Druckerpresse, der Abfall vom Glauben und die an seine Stelle tretenden Ersatzreligionen des Etatismus und Nationalismus wären die Bedingungen gewesen, unter denen der Nationalstaat und die Politik florierten, die schließlich sogar deren noch üblere ‚Geschwister‘ hervorbrachten, Sozialismus, Nationalsozialismus, Kommunismus und Faschismus. 

Die Autoren schreiben: „Politik begann vor fünf Jahrhunderten mit der Frühphase der Industrialisierung. Jetzt stirbt sie. Eine weitverbreitete Abneigung gegen Politik und Politiker fegt über die Welt hinweg.“

Seit dem Mauerfall sind einige Imperien untergegangen, kleine wie große, und zwar so, dass es sogar mittlerweile allgemein bemerkt wurde. Die Sowjetunion ist untergegangen wie auch das sozialistische Jugoslawien. Tschechien und die Slowakei haben sich getrennt. Und blicken wir noch einmal weitere 70 Jahre zurück, so sind Österreich-Ungarn, das britische Empire, das französische Kolonialreich und das deutsche Kaiserreich ebenfalls verschwunden. 

Seit der „Wende“ 1989 hat sich nicht mehr Etatismus durchgesetzt, sondern der Kapitalismus hat seinen Siegeszug angetreten. In China, Indien, Russland, allgemein in den sogenannten BRICS-Staaten gingen die Herrscher dazu über – wenn auch in Grenzen –, das zu tun, was Rees-Mogg und Davidson beschreiben: Den Einzelnen zu gestatten, ihre Kapitalerträge zu optimieren. 

Die – wie Ludwig von Mises (1881 – 1973) sie nannte – ‚behinderte Marktwirtschaft‘ wurde etabliert, als die optimale Möglichkeit, für den Nationalstaat das Maximum aus den Produktiven herauszuholen. Hierzu wurde die Interventionsspirale quasi etwas zurückgedreht, das heißt, zwangsweise Eingriffe seitens der „Clique an der Macht“ (Henry Hazlitt, 1894 – 1993) gegen die freie wirtschaftliche Betätigung der Individuen (d.h.: Interventionen) wurden teilweise zurückgenommen.

Als die neuen, nunmehr maßgeblichen Anreize beschreiben Rees-Mogg und Davidson die computergestützten Informationstechnologien (IT), inklusive die dadurch ermöglichten „Sozialen Medien“ (das Wort benutzten sie freilich noch nicht) oder IT-gestützten finanziellen Transaktionsmöglichkeiten wie digitales Bezahlen oder Geld. Und natürlich – für aufgeklärte, neutrale Beobachter – der intellektuelle Sprung, dass der Kapitalismus, also im Wesentlichen das Wirtschaften unter Arbeitsteilung und Kapitalgütereinsatz bei Freiheit von Zwangsmaßnahmen seitens der Herrscher, der einzige zivilisierte, nein: der einzige Weg zu Wohlstand für die Masse der Menschen ist. Eine Erkenntnis, die wir – neben den von Rees-Mogg und Davidson angeführten britischen Intellektuellen – vor allem dem herausragenden Österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises zu verdanken haben.

Die Zwickmühle der Herrscher

Die Herrscher befinden sich in einer Zwickmühle. Einerseits ist die ‚behinderte Marktwirtschaft‘, also der Etatismus oder Interventionismus dasjenige, was dazu führt, dass sie selbst über Zwangsabgaben wie Steuern, Beiträge und Gebühren sowie das Geldmonopol und Inflation das Maximum aus den Produktiven herausholen können. Andererseits gilt: Werden die Menschen zu wohlhabend, erkennen sie, dass sie die Politik (wie wir sie heute kennen) gar nicht brauchen. Sie werden zu souveränen, von der Politik unabhängigen Individuen. 

Durch die neuen alternativen oder sozialen Medien können die Menschen zudem aus dem berühmten „geistigen Gängelwagen“ entfliehen, wie Immanuel Kant (1724 – 1804) so zutreffend formulierte, also dem geistigen Gefängnis entkommen, in das die Unterworfenen aus Sicht der Herrscher gesperrt werden sollten.

Seit dem Mauerfall gehört die Zukunft nach Rees-Mogg und Davidson solche ‚Souveränitäten‘, die den Produktiven und Vermögenden die besten Bedingungen im Hinblick auf wirtschaftliche Freiheit und innere Sicherheit bieten könnten. Dahin würden die jungen, die schlauen Köpfe und die Vermögenden drängen. Sie würden aus den überschuldeten Nationalstaaten auswandern, die längst dysfunktionale Dinosaurier geworden sind, so sinngemäß, die den Produktiven und Kapitalbesitzern das Leben nicht angenehmer machten, sondern – im Gegenteil – das größte Risiko für Eigentum und körperliche Unversehrtheit darstellten. Denn insbesondere mit dem Militärzwang, dem euphemistisch als ‚Wehrpflicht‘ bezeichneten erzwungenen Kriegsdienst, verlangten diese letztlich, dass – insbesondere die jungen Menschen – für eine bloße Idee, den „Nationalstaat“, bereit sein müssten, sogar Leib und Leben zu geben. 

Die Gefahr für die Produktiven, die Pfründe ihrer Tätigkeit zu verlieren, geht nicht zuallererst von Gelegenheitsdieben aus, sondern die sich in Nationalstaaten organisierenden Profiteure des Interventionismus selbst sind letztlich deren „größter Feind“. Die Autoren schreiben – Charles Tilly (1929 – 2008) zitierend –, dass Regierungen „unsere größten Beispiele organisierten Verbrechens“ seien („our largest examples of organized crime“). 

Rees-Mogg und Davidson meinten, dass die jetzige Nomenklatura der bröckelnden, zentralistischen Kolosse freilich versuchen wird, alles daran zu setzen, die Produktiven und Vermögenden davon abzuhalten, erstens zu dieser Erkenntnis zu gelangen und zweitens abzuwandern. 

Sie beschrieben das 1999 recht prophetisch: „Regierungen werden Menschenrechte verletzen, mit Zensur die Informationsfreiheit beschränken, nützliche Technologien sabotieren – und Schlimmeres.“ 

Hier sei nur gedacht an den „Digital Services Act“, das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, die Strafbarkeit von Beleidigung in Deutschland (welche einen Auslegungs- und Aktionsspielraum für Strafprozesse, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme schafft), Desinformationskampagnen, die Verächtlichmachung freier oder alternativer Medien und dergleichen.

„Politiker werden frohen Mutes die Aussicht für längerfristige Wohlstandszunahme durchkreuzen, nur um Individuen davon abzuhalten, ihre Unabhängigkeit von der Politik zu erklären.“ 

Unter diesem Aspekt wird es nur verständlich, wieso beispielsweise ‚menschengemachter Klimawandel‘ oder ‚tödliche Pandemien‘ Narrative sind, die sich eignen für eine Politik der Deindustrialisierung, Lockdowns, Verteuerung von Energie, Nutzungsbeschränkungen von Grund- und Boden bis hin zu (Aus-)Reisebeschränkungen, Wegzugsbesteuerung und dergleichen.

Die Herrscher werden also nach Rees-Mogg und Davidson nochmals richtig ‚hässlich‘ werden zu den Produktiven und nicht nur eigene Vorfeldorganisationen gegen die Produktiven aufhetzen und anstacheln, sondern diese auch schutzlos der sich im Machtvakuum ausbreitenden Kriminalität überlassen. 

„Während sich die technologische Revolution entfaltet, wird sich räuberische Gewalt mehr und mehr außerhalb der zentralistischen Kontrolle entwickeln.“ Zu denken ist hier etwa an politische Vorfeldorganisationen wie die Antifa, an NGOs, an abtrünnige ein Eigenleben führende bürokratische Apparate, Kartelle, Clans und dergleichen.

Dennoch gibt es keinen Grund, aufzustecken oder zu verzweifeln, denn die Unterdrückung erzeugt auch immer wieder Gegendruck, gerade dann, wenn Menschen in der Lage und mutig genug sind, sich selbst aufzuklären.

Rees-Mogg und Davidson schreiben, dass die Kirche im 15. Jahrhundert bei dem Versuch, die subversive Technologie des Buchdruckes zu zensieren, nur dafür sorgte, dass vom Buchdruck in der subversivsten Art und Weise überhaupt Gebrauch gemacht wurde. Durch die neue Technologie des Buchdruckes wurden benediktinische Skriptorien so überflüssig wie heute etwa staatliche Universitäten, der Öffentlich-rechtliche Rundfunk oder Altmedien.

Anstelle der durch Zwang in der Hochphase von Schießpulver und Etatismus entstandenen Nationalstaaten (und deren ‚Clubs‘ wie EU, UNO, WHO und dergleichen) werden nach Rees-Mogg und Davidson regionale, kleinere Souveränitäten treten. Für Deutschland kann man hier an Souveränitäten denken, mit denen sich die Menschen vor Ort identifizieren können, wie etwa souveräne Länder, Gemeindeverbände, freie Städte – und, ja – souveräne Individuen. Als Beispiel für souveräne Städte lässt sich die von Titus Gebel ins Leben gerufene Initiative der „Freien Privatstädte“ anführen. Rees-Mogg und Davidson schreiben: „Geliehene Souveränität ist nicht mehr destabilisierend als eine Freihandelszone zu beherbergen.“ 

Dezentralisierung und Marktwirtschaft statt Anomie

„Lokale Dialekte werden an Wichtigkeit gewinnen. Die Propaganda des Zentralstaates wird viel ihrer Zusammenhalt stiftenden Wirkung verlieren, weil Immigranten und Minderheiten mit eigener Sprache der Angleichung und Eingliederung in die Nation widerstehen werden.”

Rees-Mogg und Davidson zitieren erneut Charles Tilly, wenn sie mit diesem sinngemäß darauf verweisen, dass zentralistische territoriale Monopole ohne jede Anarchie auseinandergehen können, wie dies schon die Aufteilung der Souveränität heute zwischen der Zentralregierung und den Länderregierungen zeige. Etwa so, wie ich dies in meinem letzten Beitrag „Republik Bayern-Franken-Schwaben“ dargestellt habe. 

Eine „Regierung a la carte“ wird für die Bürger zu einer Selbstverständlichkeit werden, ein Wettbewerb kleinerer, selbständigerer Souveränitäten einerseits, und ein Auswählen der ‚Kunden‘ andererseits, wo ihnen das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für eine komfortable Infrastruktur bei hoher innerer Sicherheit geboten wird.

Deutschland scheint hierfür wie prädestiniert. Die gewachsenen dezentralen Strukturen wurden durch Kriege zu einer zentralistischen Struktur zusammengeschweißt. Oder, etwas weniger blumig ausgedrückt, eine Gruppe von Herrschern, und zwar die preußisch dominierte, hat eine andere Gruppe von Herrschern, wie etwa die Könige Bayerns, Sachsens oder Hannovers, inklusive der Beherrschten erobert. 

Aber es gibt sie nach wie vor, die regionalen Unterschiede in Mentalität, Sprache, Kultur, Essen und Trinken und dergleichen. Bayern verfügt zum Beispiel über eine komplette ‚verwaltungstechnische Infrastruktur‘ und hat viele Probleme nicht in dem Ausmaß wie andere Regionen der Bundesrepublik. 

Dabei müsste, wie ich in meinem vorgenannten Beitrag bereits mit Ludwig von Mises und Wilhelm Röpke (1899 – 1966) dargelegt habe, die ‚Kompetenz-Kompetenz‘, also die Zuständigkeit für neue Zuständigkeiten, die Souveränität bei der kleinsten funktionierenden Verwaltungseinheit liegen, also in der Regel bei der Gemeinde oder – im Falle, dass das funktional darstellbar ist – bei souveränen Individuen. Nur so können Föderalismus und individuelle Freiheit effektiv geschützt werden. 

Und kommen Sie mir jetzt nicht mit „souveräne Individuen“ seien nicht vorstellbar. Rees-Mogg und Davidson untersuchen die Frage, ob die Queen (im Jahre 1999) Bürgerin des Vereinigten Königreichs sei, und kommen sinngemäß zu dem Ergebnis, nein, sie ist ‚Eigentümerin‘. Die Autoren schrieben: „Die Queen – lang möge sie leben – ist in der glücklichen Situation, dass sie sich nicht darum zu scheren braucht, ob sie eine Bürgerin ist. … die Queen ist souverän seit ihrer Geburt und durch diese, sie hat ihren Status geerbt herrührend von einem Brauchtum, das älter ist als die modernen Zeiten.“

Die ‚Party‘ der Zentralisten ist vorbei. Douglas Macgregor hat sinngemäß die NATO oder die EU als institutionelle Dinosaurier dargestellt. Anachronistische Kolosse ohne eigene Macht, nur mit abgeleiteten Befugnissen, abhängend von den sie tragenden Nationalstaaten, diesen nun selbst bröckelnden Giganten. Der sozialistische Globalismus hat die nationale Kohärenz, auf der ihr ‚Gründungsmythos‘ beruht, durch eine wesentliche Erhöhung der Heterogenität der Bevölkerung bereits derart ausgehöhlt, dass es den überschuldeten, auf Propagandamacht angewiesenen Machtzentren in Washington, London, Paris oder Berlin heute weitgehend an der Unterstützung der produktiven Bevölkerung fehlt, wie wir oben bereits gesehen haben. Es scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein, bis es – nach dem Vereinigten Königreich – zu weiteren EU-Austritten kommt. 

Schlussbetrachtung

Auch in Deutschland werden dezentralistische Tendenzen langsam salonfähig. Man denke nur an kleine Reformschrittchen wie die Abschaffung des Länderfinanzausgleichs oder die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge als zarte Reform-Pflänzchen. Oder ein Wettbewerb auf Länderebene um die niedrigsten Steuern, wie dies der bayerische Ministerpräsident kürzlich angedeutet hat, wenn er erklärte, bei der Erbschaftsteuer günstiger sein zu wollen als andere. In dann etwas größeren Schritten können ganze Politikbereiche dezentralisiert werden, wie zum Beispiel die Armenfürsorge von der Bundesebene auf die kommunale Ebene, also ‚vor Ort‘, wo sie hingehört, und zwar inklusive Unfall-, Kranken-, Arbeitslosen-, Alters- und Waisenfürsorge. 

Und wenn solche Reformschritte erst einmal in Gang gekommen sind und die Erfahrung zeigt, dass die ‚Kunden‘ (die Produktiven und Vermögenden bzw. die Nettosteuerzahler) zufriedener sind mit mehr Dezentralität und mehr wirtschaftlicher und persönlicher Freiheit, dann gibt es grundsätzlich kein Halten mehr bei der Frage, wie dezentral und freiheitlich eine Souveränität organisiert sein kann. Ebenso wie die Interventionsspirale die Produktiven und Vermögenden verarmt und ihnen die Freiheit nimmt, kann eine Desinterventionsspirale sie ihnen wiedergeben. 

Ein „actus contrarius“ ist immer möglich!

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