Wert und Preis 

Kurz und knapp könnte man sagen: Ein Wert ist subjektiv, während ein Preis vorläufig und nichts anderes als eine historische Dokumentation eines erfolgreichen Tauschvorganges ist: Ein Gut X hat den Besitzer zu dem Preis Y gewechselt. Der nächste Marktpreis, der das Zustandekommen eines Tauschvorgangs dokumentiert, kann schon komplett differieren. 

Seit Carl Mengers subjektiver Werttheorie wissen wir, dass Wert und Preis zwei verschiedene Paar Schuhe sind. In der herkömmlichen Medienlandschaft jedoch werden diese Begrifflichkeiten fälschlicherweise eher synonym verwendet. 

Eine Wertbeimessung ist höchst subjektiv, sie hängt mit den individuellen Zielen und Präferenzen eines Menschen zusammen. Einer Person kann ein teurer Sportwagen viel wert sein und einer anderen Person eben nicht. Diese beiden Menschen würden keinen Marktpreis erzielen können, weil ihre Wertbeimessung nicht auf Basis eines Güteraustausches – Geld gegen Auto – darstellbar wäre. Es käme keine Austauschbeziehung zustande. 

Der subjektive Charakter der Wertbeimessung geht einher mit der Tatsache, dass es so etwas wie einen intrinsischen Wert gar nicht geben kann. Denn ein Wert kann eben nicht intrinsisch sein, weil er in der subjektiven Werteinschätzung eines jeden einzelnen Individuums liegt. 

Eine individuelle Wertbeimessung ist folglich höchst unterschiedlich. Wenn die eine Person den Sportwagen verkaufen möchte, dann gibt sie auf Basis ihrer subjektiven Werteinschätzung über diverse Plattformen oder Online-Marktplätze ein Verkaufsangebot ab. Sollte der Verkäufer zügig den Verkauf vollziehen wollen, wäre es ratsam, sich an der Realität der jüngst getätigten Transaktionen zu orientieren. 

In dem Fall könnte er nachsehen, ob und zu welchem Preis ein vergleichbares Fahrzeug den Besitzer gewechselt hat. Allerdings ist dieser zustande gekommene Marktpreis ein Vergangenheitsergebnis und keine Garantie für das Zustandekommen einer weiteren Transaktion. Der Verkaufswillige benötigt eben einen Gegenpart, der bereit ist, das Auto dieser Art und Güte zu dem Verkaufsgebot zu kaufen. Dann ist ein Marktpreis entstanden – und auch dieser ist dann ein historischer Preis. 

Wichtig zu unterscheiden ist zudem noch, ob der jeweilige Markt liquide ist oder nicht. Je spezieller das Gut, z. B. ein Oldtimer, desto illiquider ist in der Tendenz der jeweilige Gütermarkt. Je liquider ein Markt ist, desto mehr Transaktionen finden statt und desto größer ist die Zahl der Verkaufs- und Kaufgebote. Ein durch ausreichend Liquidität und Transaktionen gesättigter Markt ist deutlich transparenter und besser einzuschätzen. Aber eine Markteinschätzung findet stets unter der Ungewissheit der Zukunft statt.

Werteinschätzung im speziellen Kontext der Situation 

Wert ist ohne Kontext auch ohne Bedeutung. Die Wertbeimessung der Menschen hängt elementar von dem Kontext ab, in dem das betreffende Gut und der beurteilende Mensch stehen. 

So erfährt etwa ein Glas Wasser von den Menschen unterschiedliche Wertschätzung. In einem Haushalt mit fließendem Wasser ist die Wertschätzung anders als in der Wüste. Ein Diamant genießt in der „normalen“ Welt eine enorme Werteinschätzung, in der Wüste ist er hingegen für den durstigen Menschen ziemlich wertlos. Für Wasser hingegen würde der Mensch in der Wüste vermutlich einen vergleichsweise hohen Preis bezahlen, zumindest in diesem besagten Beobachtungsmoment. Aus diesen Beispielen wird deutlich, wie unterschiedlich die subjektive Wertbeimessung sein kann.

Zeit, Geld, Wohlstandswachstum und der Mensch 

Die Konzeption der Zeitpräferenz ist ziemlich unbekannt. Während meiner schulischen und akademischen Laufbahn war sie in keiner Weise Gegenstand der Lehrpläne. Jedoch ist sie sehr wichtig und sie ist auch einfacher zu verstehen, als es das Wort an sich vorgibt. 

Menschen handeln, um ihre Situation zu verbessern und Ziele zu erreichen. Eine frühere Zielerreichung wird einer späteren Zielerreichung vorgezogen. An der Stelle findet die Zeitpräferenz schon ihren Ausdruck. Subjektiv wird die Zeitpräferenz dergestalt, dass es geduldige Menschen in Bezug auf die Zielerreichung gibt. Auf der anderen Seite gibt es weniger geduldige als ungeduldige Menschen. Zudem variiert die Geduld je nach Lebensalter und Lebensphase. 

Menschen möchten als grundsätzliche Zielsetzung ihren Wohlstand mehren. Der Wohlstand ist gleichzusetzen mit dem Gütervorrat, über den der jeweilige Mensch verfügt. Wichtig bei den Betrachtungen der zukünftigen Zielerreichung ist zudem die Haltbarkeit der Güter. Auch hier spiegelt sich das Phänomen der Zeitpräferenz wieder. 

Um die Ziele zu erreichen, benötigen die Menschen Zeit, die sie aufzuwenden haben. Da Menschen, um zu überleben, immer konsumieren (Nahrung, Lebenshaltung usw.) müssen und damit nie aufhören können, ist Zeit knapp. Auch hier findet der Vorzug des früheren Konsums – und somit die Zeitpräferenz – seinen Ausdruck. Jeder Mensch hat nur eine gewisse Zeit pro Tag, pro Woche, pro Leben usw. zur Verfügung. Aus dieser Gleichung ergibt sich die Tatsache, dass Zeit knapp ist. 

Die Menschen müssen Entscheidungen darüber treffen, welche Ziele sie wann erreichen und angehen möchten. Sie wählen das Ziel, welches ihre Unzufriedenheit am meisten mindert bzw. welches ihnen zunächst am dringlichsten erscheint. 

Selbstverständlich sind Menschen bestrebt, die höchste Ergiebigkeit zu erzielen. Deswegen würden sie den Produktionsweg wählen, der das beste Ergebnis erzielt. Damit ist die Ausbringungsmenge (Output) in Relation zur Einbringungsmenge (Input) gemeint. Die effizienteste Methode, um Fische zu fangen, ist hier als ein gängiges und oft zitiertes Beispiel zu nennen.

Die Produktionsmittel könnten eine Angel, ein Fischernetz und später dann ein industrielles Fischfangschiff sein. Der Kapitalbedarf für ein Schiff ist deutlich größer als der für ein Netz oder eine Angel. Die Ersparnisbildung nimmt also einen deutlich längeren Zeitraum in Anspruch. Jetziger Konsum, Spartätigkeit, Investition und Zeitpräferenz stehen in unbedingtem Zusammenhang. Die Zeitpräferenz ist an der Stelle ein begrenzender Faktor. 

Zeitpräferenz und Kapital 

Durch die Zeitpräferenz begrenzt, wird der Mensch ein gegenwärtiges Gut nur dann gegen ein zukünftiges tauschen, wenn er annimmt, dadurch seine Menge an zukünftigen Gütern zu vergrößern. Am Beispiel des Fischernetzes und des Fischfangschiffes wird dieser Zusammenhang sehr deutlich. Von Mensch zu Mensch variiert die Zeitpräferenzrate (auch Ur-Zins). Sie kann nie null oder negativ werden. Einfach aus dem Grund, dass Menschen konsumieren müssen und den gegenwärtigen Konsum (und die jetzige Zielerreichung) stets einem späteren Konsum vorziehen. Die aggregierte Summe der dynamischen und höchst subjektiven/individuellen Zeitpräferenzraten aller Menschen ergibt die gesellschaftliche Zeitpräferenzrate, man kann auch von dem gesellschaftlichen Ausdruck der Spartätigkeit sprechen. Diese gesellschaftliche Zeitpräferenzrate trifft nun auf eine gesellschaftliche Investitionsnachfrage. Aus diesem Marktaustausch folgt der Marktzins. In Kapitel V werden wir das Thema noch weiter ausführen. 

Kapital kann ohne vorherige Ersparnisse nicht geliehen und folglich auch nicht investiert werden. Das heißt, ohne auf den Gegenwartskonsum zu verzichten und ohne überhaupt die Möglichkeit zum Sparen zu haben. Letzteres setzt die Notwendigkeit voraus, dass die Produktivität höher ist als der Konsum. Die Nachfrage nach den Ersparnissen wiederum fußt auf den kreativen Entdeckungen derjenigen, die so zu investieren gedenken, dass die Ausbringungsmenge erheblich über der gegenwärtigen Einbringungsmenge liegt. An der Stelle sind nicht nur kreative und innovative Unternehmer gefragt, sondern insbesondere auch die Unternehmer, welche die zukünftigen Bedürfnisse gut antizipieren können. Von diesen Unternehmern und deren produktivitätssteigernden Entdeckungen und Investitionen hängt der gesamtvolkswirtschaftliche Wohlstand ab.

Würden die Menschen den Fokus zu 100 Prozent auf den Gegenwartskonsum legen, wären die Güter in absehbarer Zeit aufgezehrt. Die Möglichkeit, in zeitaufwendige und kapitalintensive Produktionsmethoden zu investieren, wäre nicht gegeben. Der Preis des Kapitals (der Zins) würde aufgrund der absoluten Knappheit ins Unermessliche steigen. Eine derartige Volkswirtschaft würde sämtliche Kapitalgüter (Produktionsmittel) abwirtschaften. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Niedergang wären vorprogrammiert. Knappheit, Mangel, Not und Elend wären die Folge. 

Die besagten zeitintensiven Produktionsmethoden zeichnen sich oft durch indirekte und komplexe, länger andauernde Produktionsprozesse aus. Man spricht auch von der sogenannten Umwegsproduktion. Durch Kapitalbildung und -akkumulation wachsen Kapitalstock sowie Gütermenge und der Wohlstand wird gemehrt. 

Der Unternehmer, der in die Produktionsmethoden investiert hat, muss am Markt für seine Güter mehr erzielen können als die Summe seiner investierten Produktionsfaktoren. Die Produktionsfaktoren umfassen die Kapitalgüter, die Arbeitskraft, Vorprodukte und sämtliche Arbeitsleistungen, die zur Erstellung seiner Produkte oder Dienstleistungen erforderlich sind. 

Eine niedrige volkswirtschaftliche Zeitpräferenzrate (gesamtvolkswirtschaftlicher Ur-Zins) wird die Kapitalbildung und die Schaffung eines signifikanten Kapitalstockes tendenziell begünstigen. Eine hohe gesellschaftliche Zeitpräferenzrate erschwert die Bildung eines Kapitalstocks. Jede Erhöhung der Ansammlung von Kapitalgütern (Produktionsmitteln) verlängert die Produktionsstruktur und erhöht die Produktivität. Die höhere Produktivität lässt Spielraum für höhere Löhne und Gehälter. Die Arbeitnehmer könnten so an den Produktivitätssteigerungen partizipieren. Gesamtvolkswirtschaftlich profitieren sie überdies von der steigenden Gütermenge. Je größer die Gütermenge, desto größer ist der Wohlstand der Menschen. Eine zukunftsgewandte und in Kapitalgüter investierende Volkswirtschaft ist die Basis für zukünftige Einkommen, dynamische wirtschaftliche Entwicklungen und für eine bedürfnisgerechte Güterversorgung. 

Ein Blick auf die seitwärts laufenden Produktivitätsentwicklungen in Deutschland sollte im Kontext dieser Ausführungen nachdenklich stimmen. 

Benjamin Mudlack - Neues Geld für eine freie Welt

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Neues Geld für eine freie Welt. Warum das Geldsystem kein Herrschaftsinstrument sein darf” von Benjamin Mudlack, das in der Edition Sandwirt erschienen ist und das Sie überall im Buchhandel und hier im Shop des Sandwirts kaufen können.

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