Künstler: Timmy Thomas
Album: Why Can’t We Live Together (Glades/Polydor 1972)
Die Message des Albums, das sich heute auf dem Plattenspieler des Sandwirts dreht, wirkt fast wie frisch getextet. Der Albumtitel und der gleichnamige Titelsong „Why Can’t We Live Together“ wurden zwar bereits 1972 veröffentlicht, die Inhalte aber, die der Sänger Timmy Thomas darauf zum Besten gibt, sind bis heute noch brandaktuell. Oder ich könnte auch einfach behaupten, die Menschen sind in den letzten 50 Jahren kein bisschen schlauer geworden.
„Why Can’t We Live Together“ ist ein legendärer Antikriegssong aus der Feder von Timmy Thomas. Vermutlich kennen ihn viele eher in der Version der fantastischen Soulsängerin Sade aus den 80ern. Sie hat den Titel in Zeiten des Kalten Krieges auch schon als wichtig, passend und besonders aktuell empfunden und ihre gefühlvolle Version auf ihr berühmtes Debütalbum „Diamond Life“ aus dem Jahr 1984 gepackt. Aber auch danach wurde der Song immer wieder herausgekramt, da er inhaltlich einfach zeitlos ist. MC Hammer, Steve Winwood oder Santana, haben ihre Version des Titels veröffentlicht, um nur einige zu nennen.
Timmy Thomas, geboren im US-Bundesstaat Indiana im Jahre 1944 (gestorben am 11.3.2022), war bis zum Erscheinen dieses Albums eher als Begleitmusiker bekannt. Er spielte für berühmte Kollegen wie Donald Byrd oder Cannonball Adderley, bevor es ihn in die Musikmetropole Memphis in Tennessee zog, wo er immer häufiger als Sessionmusiker auffiel. Anfang der 70er Jahre zog Timmy weiter Richtung Süden, genauer nach Miami in Florida, wo er erstmals mit den Begebenheiten des Vietnamkrieges konfrontiert wurde. Vor allem im Radio hörte er immer wieder die Zahlen der Opfer und der gefallenen Soldaten. In einem Interview erzählte er einmal, dass er so geschockt über die Zahlen war und daraufhin sagte: “WHAT?! You mean that many mothers’ children died today? In a war that we can’t come to the table and sit down and talk about this, without so many families losing their loved ones? Why can’t we live together?”
Der Titel und die Message waren geboren. Es floss ihm direkt aus der Feder: “No more wars, we want peace in this world, and no matter what color, you’re still my brother.”
Timmy Thomas war es sehr ernst mit der Antikriegs- und Antirassismus-Botschaft. 1972 nahm er seine Demoversion von „Why Can’t We Live Together“ in einem kleinen Tonstudio in Florida auf und sendete sie an TK Records, damals ein wichtiges Label in den USA, auf dem unter Anderen die Isley Brothers zuhause waren. Das Label fand den Song sehr spannend und ließ ihn gleich neu produzieren, und zwar mit einer kompletten Band. Anschließend entschied der TK-Produzent Steve Alaimo aber, die Demoversion sei doch besser und der Song wurde dann in der originalen Demoversion veröffentlicht. Er schoss bis auf Platz eins der R&B Charts, sowie auf Platz drei der Pop-Billboard Charts.
Den Gedanken der Plattenfirma kann ich sehr gut nachvollziehen. Steve Alaimo erkannte das große Potenzial der Lyrics und der Komposition und wollte den Song im ersten Moment einfach fett machen, noch dicker auftragen, bis er erkannte, dass gerade diese rohe, einfache musikalische Version die Message viel besser transportiert.
Timmy Thomas hatte seine Demoversion mit einem der ganz frühen Drumcomputer aufgenommen, was damals noch ganz neu und sehr ungewohnt klang. Dazu spielte Timmy die restlichen Instrumente selber ein. Herausragend auch, wie sich der Orgelsound und die Breaks der Nummer sofort ins Ohr brennen und für Gänsehaut sorgen. Das Ergebnis war ein sehr ausgeklügeltes, reduziertes und für die damalige Zeit sehr modern klingendes Soundbild. Auch neu war, dass Timmy seiner Komposition fast zwei Minuten Vorlauf einräumte, bevor sein Gesang begann. Diese musikalischen Merkmale hatten auch Sade sehr gut gefallen, die sie dann auch in ihrer Version übernahm, einschließlich des Drumcomputers.
Dieser eigenwillige Sound inspirierte aber nicht nur Sade in den 80ern. Bis heute wird Timmy Thomas’ Titel immer wieder zitiert oder gesampelt. Der US-Rapper Drake nahm sich gleich den kompletten Grundbeat vor und bastelte daraus vor ein paar Jahren seinen riesigen Hit „Hotline Bling“.
Sehr interessant ist auch, dass der amerikanische Produzent Mark Anthony schon 1982, ohne zu fragen, seine eigene Version von „Why Can’t We Live Together“ bastelte, was zu einem der allerersten Rechtsfälle in Sachen Sampling/Urheberrecht in der Musikgeschichte führte. Anthony verlor diesen Streit und musste seinen Song ohne die „geklauten“ Parts neu aufnehmen.
Sei an dieser Stelle noch einmal bemerkt, dass es sich bei „Why Can’t We Live Together“ um ein komplettes Album handelt. Und zwar ein großartiges Album mit vielen weiteren schönen Songs mit teils politischen, teils sozialkritischen Texten wie „Cold, Cold People“ oder „Dizzy Dizzy World“, sowie musikalischen Highlights wie „Funky Me“.
„Why Can’t We Live Together“ verbreitet einen Appell, der schon über 50 Jahre lang kein bißchen an Aktualität verloren hat, weshalb ich Ihnen dieses wunderbare Werk ans Herz lege.
Hören Sie hier auf YouTube das komplette Album, einschließlich des berühmten Titelsongs.