Das Energieeffizienzgesetz als Wohlstandsrisiko

Am 1. Januar 2024 trat in Deutschland das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in Kraft. Offiziell verfolgt es das Ziel, den Energieverbrauch zu senken, den CO-Ausstoß zu reduzieren und einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten. Tatsächlich aber entpuppt sich das Gesetz bei näherer Betrachtung als ein planwirtschaftlich geprägtes Instrument, das nicht nur ökonomisch fragwürdig ist, sondern zu einem massiven Standortnachteil für die deutsche Industrie werden könnte.  

Das EnEfG markiert einen drastischen Paradigmenwechsel: weg von Technologieoffenheit und marktwirtschaftlicher Effizienz, hin zur staatlich verordneten Verzichtspolitik. Damit wird es dem Land schaden, anstatt es voranzubringen. Eine Einordnung und kritische Analyse.

Was sind die Ziele des Energieeffizienzgesetzes?

Das EnEfG verpflichtet Deutschland zur drastischen Reduktion des Endenergieverbrauchs – unabhängig davon, wie dieser gedeckt wird:

  • Bis 2030: Reduktion auf 1.876 Terawattstunden (minus 26,5 Prozent gegenüber 2008)
  • Bis 2045: Reduktion auf 1.400 Terawattstunden (minus 45 Prozent)

Diese Ziele gelten für sämtliche Verbrauchergruppen: Industrie, Haushalte und öffentliche Hand. Besonders auffällig ist dabei, dass das Gesetz nicht zwischen fossiler und erneuerbarer Energie unterscheidet. Es verlangt eine absolute Verbrauchsreduktion – selbst dann, wenn hypothetisch der gesamte Energiebedarf bereits vollständig aus dekarbonisierten Quellen gedeckt wäre. Die Einsparpflicht richtet sich also nicht nach der Emissionsbilanz, sondern allein nach der verbrauchten Energiemenge.

Neben den bundesweiten Zielen enthält das EnEfG eine einmalige, in Anlage 1 festgelegte Aufteilung der jährlichen Einsparverpflichtung der Bundesländer in absoluten Terawattstunden. Diese statische Zuweisung erfolgt ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Dynamik, sektorale Unterschiede oder bereits erreichte Effizienzfortschritte – und eben auch ohne Berücksichtigung der Art der Energieerzeugung. 

Ein Sonderfokus liegt auf Rechenzentren, die ab 2024 zu 50 Prozent, ab 2027 zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden müssen – eine Vorgabe, die angesichts der volatilen Einspeisung aus Wind und Sonne schwer umsetzbar sein wird. 

Wirkungslosigkeit im globalen Kontext

Auch wenn sich das EnEfG nicht ausdrücklich auf das Pariser Klimaabkommen beruft, steht es im Kontext einer europäischen Klimapolitik, die auf dessen Ziele ausgerichtet ist. Die Reduktionsvorgaben des EnEfG sind Teil einer politischen Kaskade, die auf die Begrenzung der Erderwärmung zielt – unabhängig davon, wie realistisch diese Strategie im globalen Maßstab ist.

Tatsächlich entfaltet das Pariser Abkommen nach dem Ausstieg der USA und der Passivität bzw. gegenteiligen Vorgehensweise großer Emittenten wie China oder Indien nur noch Bindungswirkung für Länder, die zusammen gerade einmal 12,5 Prozent der globalen CO-Emissionen verantworten. Deutschlands Anteil liegt bei 1,5 Prozent. Nationale Einsparstrategien wie das EnEfG bleiben unter diesen Bedingungen wirkungslos – sie sind Symbolpolitik ohne globale Hebelwirkung. 

Mehr noch: Wie der Ökonom Hans-Werner Sinn schon vor 18 Jahren in seinem Konzept des „grünen Paradoxons“ dargelegt hat, können solche Alleingänge sogar kontraproduktiv wirken. Sinkt durch nationale Einsparungen die Nachfrage nach fossilen Energieträgern, fallen deren Weltmarktpreise – was den Verbrauch in Ländern ohne Klimabeschränkungen anregt. Die Folge: Die eingesparten Emissionen werden andernorts überkompensiert. Der Klimanutzen tendiert gegen null.

Planwirtschaftliche Detailsteuerung mit bürokratischer Überforderung

Das EnEfG ist ein Paradebeispiel dirigistischer Politik: Es schreibt nicht nur verbindliche Einsparziele für Bund, Länder, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen vor, sondern legt auch detailliert fest, wie diese erreicht werden sollen. Unternehmen mit einem jährlichen Endenergieverbrauch über 7,5 GWh (§ 8 EnEfG) müssen ein zertifiziertes Energie- oder Umweltmanagementsystem einführen und dauerhaft betreiben. Zusätzlich verlangt das Gesetz (§§ 9–10) die systematische Erfassung und möglichst wirtschaftliche Nutzung industrieller Abwärme – inklusive verpflichtender Veröffentlichung auf einer zentralen Plattform. Sämtliche Maßnahmen sind regelmäßig zu dokumentieren und an die zuständige Behörde zu melden (§ 16).

Diese Kombination aus Zielvorgabe, Verfahrenspflicht und Berichtszwang geht weit über klassische Ordnungsrechtsetzung hinaus. Dabei ignoriert das Gesetz, dass Unternehmen in einem Energiehochpreisland wie Deutschland längst gezwungen sind, jede wirtschaftlich sinnvolle Einsparmaßnahme umzusetzen. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen, die oft nicht über eigene Energieabteilungen verfügen, bedeuten die Vorgaben einen erheblichen bürokratischen und finanziellen Mehraufwand – mit zweifelhaftem Nutzen. Die Folge: Bürokratie ersetzt betriebliche Eigenverantwortung.

Widerspruch zu wirtschaftlichem Wachstum

Die Vorstellung, das Bruttoinlandsprodukt könne bei halbiertem Energieverbrauch weiterwachsen, widerspricht jeder historischen Erfahrung. In entwickelten Volkswirtschaften verlaufen Energieverbrauch und Wohlstand eng parallel – insbesondere in technologiegetriebenen Industriegesellschaften.

Deutschland ist mit solchen Zielsetzungen global gesehen in einer schwierigen Situation: Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigen, dass der globale Energiebedarf 2024 erneut deutlich gestiegen ist, getrieben durch Elektrifizierung, Digitalisierung und den wachsenden Strombedarf von Rechenzentren. Energie bleibt ein fundamentaler Input für nahezu alle wirtschaftlichen Aktivitäten.

Das EnEfG ignoriert diesen Zusammenhang. Es setzt auf eine absolute Reduktion des Endenergieverbrauchs – unabhängig von technologischen Entwicklungen, digitalem Infrastrukturbedarf oder der Art der Energieerzeugung. Die Folge ist absehbar: Schrumpfung statt Wachstum.

Innovationsfeindlichkeit gegenüber Digitalisierung und KI

Während Länder wie die USA und Frankreich massiv in Energieinfrastruktur investieren, um den rasant steigenden Strombedarf durch Künstliche Intelligenz und Digitalisierung zu decken, erschwert das EnEfG gezielt Investitionen in Rechenzentren. Ab 2024 müssen neue Anlagen zu 50 Prozent, ab 2027 sogar zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden – unabhängig von deren Verfügbarkeit. Versorgungssicherheit bei Dunkelflaute oder Netzstabilität spielt dabei keine Rolle. Die Folge: Betreiber werden ins Ausland ausweichen, der KI-Boom droht an Deutschland vorbeizugehen.

Ein Kontrast wurde beim AI Action Summit im Februar 2025 in Paris deutlich. Präsident Emmanuel Macron kündigte dort Investitionen von über 109 Milliarden Euro in die französische KI-Infrastruktur an – darunter ein gigawattstarkes Rechenzentrum, das vollständig mit nuklear erzeugtem Strom betrieben werden soll. Frankreich nutzt damit gezielt seinen Standortvorteil: Mit 56 Reaktoren und einem Strommix, der zu rund 70 Prozent aus Kernkraft besteht, bietet das Land günstige, CO-arme und grundlastfähige Energie – ein entscheidender Faktor für energieintensive KI-Anwendungen.

Frankreich positioniert sich damit als attraktiver Standort für KI-Investitionen, Deutschland hingegen setzt auf Verbrauchsverzicht und droht, den Anschluss an die digitale Zukunft zu verlieren.

Übererfüllung europäischer Vorgaben

Deutschland geht mit dem EnEfG deutlich über die EU-Vorgaben hinaus – insbesondere bei der Schwelle für Energiemanagementsysteme. Während die überarbeitete EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Pflicht erst ab einem jährlichen Energieverbrauch von 23,6 GWh vorsieht, setzt Deutschland diese Grenze in § 8 EnEfG auf 7,5 GWh herab.

Diese nationale Übererfüllung – auch als „Gold-Plating“ bezeichnet – verschärft die Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen im europäischen Binnenmarkt. Besonders betroffen sind energieintensive Mittelständler, die in anderen EU-Staaten nicht denselben Berichtspflichten unterliegen. Die Folge: zusätzlicher bürokratischer Aufwand ohne messbaren Effizienzgewinn – und ein weiterer Standortnachteil im internationalen Vergleich.

Fazit: Ein Gesetz gegen Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit

Das EnEfG steht für eine politische Fixierung auf Verbrauchsreduktion um jeden Preis. Es ignoriert die ökonomischen Realitäten entwickelter Volkswirtschaften, in denen Energieverbrauch und Wohlstand eng verknüpft sind. Die Idee, Wachstum per Einspargebot erzwingen zu können, widerspricht sowohl historischer Erfahrung als auch physikalischer Logik.

Zugleich verkennt das Gesetz die globale Dimension der Klimapolitik: Deutschlands Anteil am weltweiten CO-Ausstoß ist marginal, große Emittenten handeln weitgehend unbeeinflusst. Nationale Alleingänge wie das EnEfG entfalten unter diesen Bedingungen keine wirksame Klimawirkung – sie bleiben symbolisch und verschärfen die Deindustrialisierung des Landes. 

Statt technologieoffenem Fortschritt setzt das Gesetz auf starre Instrumente, Berichtspflichten und regulatorisches „Gold-Plating“. Es überzieht Unternehmen mit Vorgaben, ohne deren reale Einsparpotenziale oder die Versorgungssicherheit zu berücksichtigen – gerade in Schlüsselbereichen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Frankreich demonstriert beim KI-Ausbau, wie es auch anders geht.

Das EnEfG ist damit kein Beitrag zu Klimaschutz mit Augenmaß, sondern Ausdruck eines steuerungspolitischen Irrwegs – mit riskanten Nebenwirkungen für Wohlstand, Innovation und Standortqualität. 

Es gehört grundlegend reformiert oder wahrscheinlich besser – gänzlich aus dem Weg geräumt. Und dies so schnell wie möglich.

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