Der Papst des Widerspruchs

Papst Franziskus – Jorge Mario Bergoglio – hinterlässt ein Erbe voller Widersprüche. Er war der Papst der Barmherzigkeit, aber auch der Autorität; der Papst der Armen, aber auch der vatikanischen Machtspiele; der Papst des Dialogs – solange dieser in eine Richtung verlief.

Sein Pontifikat begann mit einer Symbolgeste: dem Verzicht auf die Papstwohnung und dem Einzug in Santa Marta. Damit eroberte er die Herzen der linksliberalen Medienwelt, die sich einen Papst wünschte, der weniger dogmatisch und mehr weltzugewandt auftrat. Franziskus verstand das Spiel – besser als viele dachten. Wie ein peronistischer Stratege kombinierte er pastorale Gesten mit harter Machtpolitik. Er schenkte den Medien das Bild vom „bescheidenen Papst” und wusch Migranten die Füße, während er gleichzeitig innerhalb der Kurie rigoros Gegner entmachtete und Kritiker an die Seite drängte. Mit seinem Machtinstinkt erinnerte der Jesuit nicht nur deutsche Katholiken an Angela Merkel.

Das größte Menetekel seines Pontifikats war jedoch die Kultur der Spaltung, die in sein Pontifikat einzog. Mit dem Motu Proprio Traditionis Custodes griff er nicht nur in liturgische Debatten ein, sondern kündigte das stille Abkommen zwischen konservativen und progressiven Katholiken auf. Die alte Messe, die Papst Benedikt XVI. rehabilitiert hatte, wurde zur Zielscheibe eines Programms, das keinen Widerspruch duldete. Die Generation Benedikt – junge Katholiken, die die „Messe aller Zeiten” liebten – empfand dies als offenen Angriff.

Anspruch und Wirklichkeit

Dabei blieb Franziskus in vielem bewusst inkonsequent: Die erhofften Reformen bei Ehe- und Sexualmoral verliefen im Sand, ebenso wie Änderungen am Zölibat oder die Segnung homosexueller Paare. Was blieb, waren vage Formulierungen und ein Grundton der Unsicherheit, der Bischöfe, Priester und Laien gleichermaßen verunsicherte. Die Krisen, die seine Amtszeit erschütterten – Missbrauchsskandale, Finanzaffären, der Umgang mit COVID-19 – wurden nicht grundsätzlich gelöst, sondern vertagt. 

Auffällig blieb der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Während Franziskus sich als Papst der Armen inszenierte, verstrickte sich seine Kurie in undurchsichtige Immobiliengeschäfte. Selbst seine Außenpolitik, anfangs gefeiert, offenbarte Schwächen: Dabei steht vor allem das Abkommen mit China im Mittelpunkt, das dem kommunistischen Regime ermöglicht, kritische Bischöfe auszubremsen. Für diesen Deal steht Kardinal Pietro Parolin wie kein anderer – den die Massenmedien bereits zum „Favoriten“ erhoben haben.

Franziskus hat die katholische Kirche in Bewegung versetzt, aber nicht erneuert. Seine pastorale Radikalität blieb oft Symbolpolitik, seine strukturellen Reformen stecken im eigenen Machtanspruch fest. Die politische Linke hat ihn wegen seiner Sozialagenda und Flüchtlingsrhetorik vereinnahmen wollen. 

Das neue Ringen um die Kirche

Dass Franziskus in seinem Wesen höchst reaktionär war, persönliche Vorbehalte gegen Homosexuelle pflegte und androhte, Leute zu vermöbeln, die seine Mutter beleidigten, zeugt dagegen von einer Persönlichkeit, die Donald Trump, Gerhard Schröder und anderen „Populisten“ deutlich nähersteht, als man wahrhaben will. Seine Autorität hatte patriarchalischen Charakter. Er verkörperte jene toxische Männlichkeit, die der „woken“ Bewegung ein Dorn im Auge ist. Bei Abtreibung, Gender und Transkult kannte der Argentinier kein Pardon. Es ist jene Unabhängigkeit und Stärke, die seinem Vorgänger gefehlt hat.

Nach Franziskus beginnt ein neues Ringen: das Ringen um Richtung, Stil und Substanz des nächsten Pontifikats. 135 Kardinäle werden im Konklave über den neuen Bischof von Rom abstimmen. 108 von ihnen wurden von Franziskus selbst ernannt. Doch die Rechnung, der nächste Papst werde einfach ein „Franziskus II.” sein, dürfte sich nicht bewahrheiten.

Die bergoglianischen Ernennungen sind in sich heterogen. Viele Kardinäle aus Afrika und Asien gelten theologisch als konservativ. Zahlreiche westliche Kardinäle, die progressive Agenda trugen, haben im eigenen Umfeld an Einfluss verloren. Der Wunsch nach einem Brückenbauer, einem ausgleichenden Pontifex, dürfte über die Lager hinweg geteilt werden.

Anforderungen an den neuen Papst

Der nächste Papst muss mehrere Qualitäten vereinen: physische Kraft, theologische Klarheit und diplomatisches Geschick. Die Kirche kann sich keinen Übergangspapst leisten. Ein zu alter oder gesundheitlich schwacher Pontifex würde das Klima der Unsicherheit verstärken. Ebenso wenig kann ein reiner Verwaltungsbeamter oder ein ideologischer Reformer die tiefen Gräben überbrücken, die sich unter Franziskus aufgetan haben.

Kandidaten wie Péter Erdő, Jean-Marc Aveline oder Pierbattista Pizzaballa könnten vermittelnde Figuren sein – doch das Konklave bleibt unberechenbar. Wunschkandidaten der progressiven Medien wie Jean-Claude Hollerich oder Luis Antonio Tagle sind in Wirklichkeit außerhalb europäischer Redaktionsstuben wenig populär. Und auch prominente Konservative wie Gerhard Ludwig Müller oder Robert Sarah sind durch Alter oder Profil belastet. Sollte am Ende ein „römischer Apparatschik“ wie Parolin auf der Loggia stehen, weil keine Einigung möglich war, hätte die katholische Kirche ihren Olaf Scholz gefunden.

Es wäre utopisch, die Formeln zusammenzuschreiben, um sich daraus einen „Wunschpapst“ zu basteln. Das nächste Papsttum steht vor Herausforderungen wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Nach der tumultartigen Franziskus-Zeit braucht es einen Mann des Ausgleichs und der Substanz, der in der Lage ist, die zerfaserte Kirche zu sammeln, ohne sie zu spalten.

Ein „Löwe” für die Kirche

Wenn der neue Pontifex die katholische Kirche wirklich in das 21. Jahrhundert führen will, muss er sich an Größen wie Leo XIII. orientieren. Weder ein Revoluzzer noch ein Reaktionär wird gebraucht, sondern ein theologischer und philosophischer Denker, der zugleich die sozialen Fragen der Gegenwart ernst nimmt – und neu beantwortet.

Leo XIV. wäre der richtige Papstname: eine Brücke zur Tradition, ohne restaurativ zu wirken; ein Signal für eine neue Moderne, die nicht im Zeitgeist untergeht. Der neue Papst müsste die anthropologische Dimension der sozialen Frage aufgreifen: Identität, Transhumanismus, Künstliche Intelligenz, Klimakult und Massenmigration sind die Herausforderungen, auf die Rom eine Antwort finden muss – nicht im Duktus politischer Programme, sondern im Licht des Glaubens.

Wie Leo I. während des Zerfalls Westroms, wie Leo III. bei der Neuordnung Europas: Der neue Pontifex müsste über das Tagesgeschäft hinausblicken und eine Vision anbieten, die Jahrhunderte überdauert. Er würde seine Stimme für die verfolgten Christen erheben, die Kirchen in der Diaspora stärken, und der sich ausbreitenden Ideologie der Entmenschlichung entgegentreten.

Dieser Papst würde nicht gefallen – und genau das ist seine Aufgabe. Nicht der Applaus der Medien, sondern der Schutz der Herde wäre seine Mission. Er müsste die Gnade gegen die Machbarkeit, das Ewige gegen das Zeitgeistige stellen. Kein Papst der Verwaltung, sondern ein Papst der Verankerung, der die Kirche nicht von Sturm zu Sturm treibt, sondern wieder auf festen Grund führt. Es braucht einen buchstäblichen Löwen, der diese Kirche zusammenhält und gegen ihre Gegner verteidigt.

Neue politische Rahmenbedingungen

Findet sich dieser Mann unter den Kardinälen? Und wie groß ist die Möglichkeit, dass er an die Macht kommt? Die Zukunft hängt nicht von Hoffnung allein ab, sondern von den Realitäten. Das Franziskus-Pontifikat entstand nicht zuletzt unter Rahmenbedingungen. Der Präsident in Washington hieß Barack Obama, der jener woken Kultur den Weg bahnte, die heute vielfach auf dem Rückzug ist. Europa war eine linksliberale Insel der Seligen unter der Zentristin Merkel. Und im säkularen Rom gab es nach der im Februar abgehaltenen Parlamentswahl ein blockiertes Parlament und eine EU-hörige Regierung. Üblicherweise beeinflusst die eine Seite des Tibers die andere.

Die Zeiten haben sich erheblich gewandelt. Heute sitzt Donald Trump im Weißen Haus und mit ihm sein Vizepräsident, der Erzkatholik JD Vance. In Rom hat die konservative Giorgia Meloni übernommen, die Johannes Paul II. verehrt und von ihrem Ziehvater Silvio Berlusconi gelernt hat, wie man mit der Kurie umgeht. Überall sind in Europa „rechte Schreckgespenster“ aufgetaucht. AfD und Vox wurden beide erst 2013 gegründet – jenem Jahr, in dem Franziskus zum Papst gewählt wurde. Und Marine Le Pen ist zu so einer Gefahr geworden, dass sie staatlich eingehegt werden muss.

Freilich werden die Kardinäle von den Nationalstaaten nicht beauftragt, wen sie wählen. Sie werden aber sehr wohl abwägen, ob es klug ist, noch einmal einen Papst mit Franziskusprofil zu küren, wenn die politischen Ansprechpartner nun einen ganz anderen Zeitgeist verkörpern. Das gilt sowohl für die USA mit ihrer mächtigen Kirche wie für das Herzland Italien. Alles fließt, sagt Heraklit, und der Felsen Petri, der fließt mit.

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