Der Selbstmord Mishimas – Tagesgericht: 26.11.1970

Heute vor 55 Jahren: Der Selbstmord Mishimas – Tagesgericht 26.11.1970

Er ist eine der schillerndsten und kontroversesten Persönlichkeiten der Weltliteratur: Yukio Mishima (14.01.1925 – 26.11.1970), mehrfach für den Literaturnobelpreis nominierter Schriftsteller, Bestseller-Autor, Schauspieler, Fotomodel, Musiker, Dichter. 

Zwischen Samurai und Hl. Sebastian

Yukio Mishima schrieb Romane, Drehbücher, Schauspiele, Erzählungen, Gedichte. Er komponierte und sang Film-Songs. In mehreren Filmen stand er vor der Kamera, für Magazine posierte er körperbetont als Model, zugleich positionierte er sich als Nationalist.

Sein Status in Japan: der eines Superstars. 1968 sollte er als erster japanischer Autor mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet werden. Der Preis wurde jedoch aus politischen Gründen noch vor der Verleihung zurückgezogen.

„Mishima – das ist für viele zuallererst ein visueller Eindruck, Erinnerung an Bilder von einem Mann mit muskulösem Körper, der mit entschlossen-grimmigem Gesichtsausdruck, ein Samurai-Schwert in der Hand, in einem japanischen Zimmer oder fast nackt im Schnee posiert. Sein Gesicht in Großaufnahme, den strengen Blick frontal in die Kamera gerichtet, eine Rose im Mund, oder Mishima, an einen Baum gefesselt, den nur mit einem Leinentuch bekleideten Körper von Pfeilen durchbohrt, in kunstvoller fotografischer Nachbildung von Guido Renis Gemälde des Heiligen Sebastian“ (Zitat Botschaft von Japan in Deutschland).

Die Todesmale des Engels

Ende Sechzigerjahre gründete er seine eigene Privatarmee, die „Tatenokai“ („Schildgesellschaft“), eine paramilitärische Organisation, die die Macht des Kaisers wiederherstellen wollte. 

Mit vier Mitgliedern der Tatenokai drang er am 25. November 1970 ins Militärhauptquartier im Zentrum Tokios ein und startete einen Putschversuch: Er nahm den Kommandanten als Geisel und verlas vom Balkon eine Erklärung, dass das Parlament aufgelöst und die politische Gewalt wieder an den japanischen Kaiser übertragen werden müsse. Die Reaktion der Soldaten waren Pfiffe und Buhrufe, der Aufruf zum Staatsstreich scheiterte. Yukio Mishima trat vom Balkon zurück und verübte mit dem Wakizashi, dem Kurzschwert, Sepukku.

Als sein Opus Magnum gilt heute seine Roman-Tetralogie „Das Meer der Fruchtbarkeit“, die aus den zwischen 1965 und 1970 entstandenen Büchern „Schnee im Frühling“, „Unter dem Sturmgott“, „Der Tempel der Morgendämmerung“ und „Die Todesmale des Engels“ besteht. Die letzten Seiten von „Die Todesmale des Engels“ ließ Mishima am 25. November 1970 in einem Umschlag in seiner Wohnung zurück.

Seine kompromisslose Hingabe an Ästhetik, Körperkult und politische Ideale kann als ein Ausdruck radikaler Freiheit gelesen – das bewusste Überschreiten von Grenzen, sowohl in der Kunst als auch im Leben, stellte einen Widerstand gegen Anpassung und Mittelmaß dar. So wird sein Werk und Leben zu einem Symbol für das Spannungsverhältnis von Konvention und individueller Entfaltung, von Selbstbestimmung und Widerstand. Einer Freiheit zu sein – und eben auch nicht zu sein.

Mehr zu „Mishima“ in Der Sandwirt, u.a.: 

„Yukio Mishima: Politik als ästhetische Geste“ von David Engels.

Mehr von David Engels über Yukio Mishima und weitere Lebensbilder des Widerstands finden Sie in seinem Buch „Freiheit und Ideal – 12 Lebensbilder des Widerstands“, erschienen in der Edition Sandwirt, das Sie hier im Shop des Sandwirts erwerben können.

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