Hobbes, der Leviathan und die Freiheit

Tagesgericht 4.12.1679 – heute vor 406 Jahren

Thomas Hobbes (5.4.1588 – 4.12.1679) gilt als einer der bedeutendsten politischen Philosophen der Neuzeit. Neben John Locke und Jean-Jacques Rousseau ist er einer der herausragenden Theoretiker des sogenannten Gesellschaftsvertrags.

Der Leviathan

Die englische Erstausgabe seines Hauptwerkes „Leviathan“ wurde 1651 veröffentlicht, 1668 folgte wegen der Zensur eine revidierte Ausgabe in lateinischer Sprache. Hobbes wurde in England wegen des angeblich atheistischen und häretischen Charakters seines Werks vielfach von Seiten der Kirche, des Adels und von Privatpersonen angefeindet. Zahlreiche Freunde brachen mit ihm.

Auf seinen Auslandsreisen lernte er unter anderem Galileo Galilei und René Descartes kennen.

Vor allem mit seinem „Leviathan“ wirkte er entscheidend auf das moderne Staatsverständnis ein: Sein pessimistisches Menschenbild, das den Menschen als „Wolf des Menschen“ charakterisiert, „Homo homini lupus“, ließ ihn einen starken, souveränen Staat fordern, der durch einen Gesellschaftsvertrag legitimiert wird und Frieden sowie Sicherheit garantiert.

Die Freiheit

Doch gerade hier eröffnen sich auch Aspekte von Freiheit und Widerstand: Für Hobbes entsteht politische Ordnung überhaupt erst durch den freiwilligen Akt des Einzelnen, seine ursprüngliche Freiheit gemeinsam mit anderen in einen Vertrag einzubringen. Die Bürger unterwerfen sich freiwillig der Macht eines über erhebliche Befugnisse verfügenden Souveräns, um einem Zustand der permanenten Bedrohung zu entkommen.

Diese Entscheidung kann auch als ein Ausdruck radikaler Freiheit verstanden werden: Menschen wählen den Staat – nicht umgekehrt. Diese Entscheidung impliziert aber auch, dass der Vertrag gekündigt werden kann, wenn der Leviathan selbst zur Bedrohung des Einzelnen wird.

In dieser Lesart liefert Hobbes paradoxerweise nicht nur eine Theorie staatlicher Autorität, sondern auch eine Begründung individueller Schutzrechte gegenüber dieser Autorität: Handelt der Leviathan entgegen des ursprünglichen Vertrages, so darf der Einzelne Widerstand leisten. 

Damit kann Hobbes für freies Denken und kritischen Geist eine Inspiration sein: Sein Werk entstand im Widerstand gegen die religiöse Orthodoxie, gegen politisch motivierte Wahrheitsansprüche und gegen blinde Tradition. Er stellt Vernunft über Dogma, Argument über Autorität, Vertrag über Macht. 

Die Anfeindungen, denen er ausgesetzt war, zeigen, wie provokant sein Versuch war, Politik wissenschaftlich zu erklären – und wie er an seiner intellektuellen Freiheit festhielt.

„Keine Macht auf Erden ist mit der seinen vergleichbar“, (Zitat auf dem Frontispiz der Erstausgabe des Leviathan aus dem Buch Hiob) – dieser Satz wirft ein Schlaglicht auf die Macht des Staates, hält aber zudem auch den Gedanken daran wach, wem der Staat diese Macht zu verdanken hat und wem gegenüber er in der Verantwortung steht: dem in seiner Entscheidung freien Menschen.

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1 Kommentar. Leave new

  • Andreas Schnebel
    04/12/2025 8:58

    Vielen Dank für den Text – spannend aufbereitet und historisch sauber verankert. Nur an einem Punkt würde ich deutlich widersprechen: Hobbes lässt in seinem System kein echtes Widerstandsrecht zu. Der Gesellschaftsvertrag bei ihm ist ein einmaliger, irreversibler Akt; die Unterwerfung unter den Souverän ist vollständig. Selbst das Recht auf Selbstschutz hebt die politische Gehorsamspflicht nicht auf.

    Gerade deshalb gilt Hobbes ja als Vordenker des modernen Zentralstaates – nicht der Freiheit. Der Gedanke, man könne den Vertrag kündigen, ist eher bei Locke zu Hause, aber nicht im Leviathan.

    Dass Hobbes aus einer intellektuellen Gegenbewegung heraus schrieb, stimme ich voll zu. Aber politisch bleibt er der Philosoph des absoluten Gewaltmonopols. Genau darin liegt seine historische Bedeutung – und sein Problem.

    Antworten

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