Auf dem Plattenspieler: Sergio Mendes

Künstler: Sergio Mendes

Album: Herb Alpert Presents Sergio Mendes & Brasil ’66 (A&M records, 1966)

Warum ich heute einen südamerikanischen Klassiker auf den Plattenspieler lege hat einen wirklich traurigen Anlass: Letzte Woche verstarb der legendäre brasilianische Pianist, Komponist und Arrangeur Sergio Mendes im Alter von 83 Jahren in seiner Wahlheimat Los Angeles. Er gilt als einer der Pioniere des Bossa Nova, hat in seiner 50 Jahre währenden Karriere 35 Alben veröffentlicht und wurde mit drei Grammys und einer Oscar Nominierung ausgezeichnet.

Am Konservatorium von Niterói genoss Sergio Mendes eine klassische Klavierausbildung, doch die Magie des Jazz hatte immer schon eine große Wirkung auf ihn. So wurde er bereits Anfang der 60er Jahre zum Leader der nicht ganz unbekannten Bossa-Nova-Band „Bossa Rio“, mit der er die ersten Platten aufnahm und auch die ersten Erfolge feierte. Schon 1963 bekam er die ersten weltweiten Bookings für Auftritte auf großen Jazz-Festivals in Europa und 1965 spielte er gar eine komplette Tournee in Japan.

Doch gerade als für Sergio Mendes alles so gut lief, bekam seine Laufbahn einen entscheidenden Schicksalswink, einen Wink, der sich erst schlimm anfühlte, aber sein Leben und seine Laufbahn dann trotzdem positiv beeinflusste: In Brasilien übernahm Mitte der 60er Jahre das Militär die Macht, was den Musiker dazu veranlasste, das Land zu verlassen. In einer Militärdiktatur wollte Sergio Mendes auf keinen Fall leben. Er suchte sich daher eine neue Heimat in den USA, genauer: in Los Angeles.

Dass Kalifornien seiner Karriere einen erneuten Schub geben würde, konnte der Virtuose nicht ahnen. Dort lief er direkt einer Musiklegende in die Arme, und zwar keinem Geringeren als dem berühmten amerikanischen Trompeter Herb Alpert. Mit ihm bekam Sergio gleich Zugang zu den richtigen Musikerkreisen und profitierte vor allem von Herbs Geschäftssinn. 

Dieser gründete nämlich in den 60ern das berühmte Independent Label A&M Records, das Künstler wie Quincy Jones, Joe Cocker, Cat Stevens, Liza Minnelli, Supertramp, Joe Jackson, The Police, Chris de Burgh und Janet Jackson unter Vertrag holte. Auch Sergio Mendes bekam bei Alpert einen Deal und gründete 1966 für seine erste eigene Plattenaufnahme die Combo „Sergio Mendes & Brasil ’66“. Das war auch gleich der Titel des ersten Albums in dieser Formation und wurde auf Anhieb einer seiner größten Erfolge.

Diesen Erfolg hatte er vor allem einem Song auf dem Album zu verdanken, „Mas, que nada“, einem Titel, der im Original aus der Feder einer anderen brasilianischen Legende stammt: Jorge Ben. Mendes arrangierte ihn komplett um und nahm ihn mit seiner neuen Combo und der brillanten Sängerin Lani Hall auf, die übrigens später die Ehefrau von Herb Alpert wurde. Die neue Version ging dann komplett durch die Decke, hievte das Album für ganze 127 Wochen in die Verkaufscharts der USA und kletterte bis auf Platz 7. 

Der große Erfolg dieser Scheibe verbreitete den Bossa-Virus über den kompletten Planeten. Auch ich fand in den 80ern meinen Einstieg durch Sergio Mendes in die südamerikanischen, rhythmischen und äußerst energetischen Musikstile zwischen Latin Jazz, Samba und Bossa Nova. Vor allem durch diesen wunderbaren, so gefühlvollen Titel „Mas, que nada“ – eine ganz besondere Mischung aus poppigen Klängen, balladenartigen Gefühlen und das Ganze dann aber doch auf einem flott groovenden jazzigen Beat. Ich war beim ersten Hören sofort infiziert und seit diesem Tag haben sich eine Menge brillanter Alben aus Brasilien in meiner Sammlung eingefunden. Der Songwriter von „Mas, que nada“, Jorge Ben, ist im Übrigen ebenfalls ein absolut hörenswerter Künstler, dessen Werke ich sehr empfehlen kann. 

Aber „Mas, que nada“ ist bei weitem nicht der einzige großartige Titel auf der Scheibe. „One Note Samba“ auch bekannt als „Just A Little Samba“, „The Joker“, „Tim Dom Dom“ und vor allem der viel gecoverte Klassiker „Berimbau“ bestechen ebenfalls durch wunderschöne Melodien und Arrangements sowie einen mitreißenden Rhythmus. Alle Songs dieser Scheibe gehen direkt ins Ohr, zwingen einen förmlich, sich mitzubewegen und hinterlassen am Ende ein wohliges, sonniges und sehr positives Gefühl im Bauch.

Hören und genießen Sie selbst die wunderbare Hinterlassenschaft des Bossa-Meisters aus dem Jahr 1966. Hier bei YouTube finden Sie das komplette Album „Herb Alpert Presents Sergio Mendes & Brasil ’66“. 

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1 Kommentar. Leave new

  • Immo Sennewald
    18. September 2024 23:40

    Natürlich habe ich den Link zu YouTube gleich angeklickt und wurde auf wunderbare Weise in meine Jugendjahre katapultiert. Danke für den Nachruf mit vielen biographischen Details. In den Kommentaren zum Album sammeln sich Leute wie ich „in ihren 70ern“. Mir wurde bewusst, wie sehr uns die Musik von Mendes damals erheiterte und bewegte, und wie wenig wir über die Musiker wissen wollten. Uns reichten die Ohrwürmer. Wir nahmen sie vom Tanzboden mit in den Alltag, was nicht die Begeisterung für sozialistische Lebensplanung, eher das Fernweh steigerte. Wenn ich zurückblicke, war die Musik aus dem Westen ein sehr langer Nagel zum Sarg der DDR. Ob das absehbare Verfallsdatum meines Swing-Vorrats nach dem Tod von Sergio Mendes spürbarer wird? Mag sein. Aber bis dahin gibtˋ’s noch eine Menge sehr Altes, Altes, vor allem Unvergängliches zu hören. Weiter so, Mixmasta B.Side!

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