Der VDE und die Sicherheit im Netz

Der VDE ist im Jahre 1893 unter dem Namen „Verband deutscher Elektrotechniker“ gegründet worden und blickt auf eine erfolgreiche Tradition zurück. In dieser Zeit war er vor allem für die Sicherheit in der Versorgung mit Elektrizität zuständig und hat dazu die Standards und Normen entwickelt, die in Deutschland allgemein verbindlich sind. Das war im wesentlichen erfolgreich, denn elektrische Unfälle treten hierzulande sehr selten auf. 

Der Blackout in Spanien und Portugal

Begrenzte Ausfälle im elektrischen Netz kommen gelegentlich vor, etwa wenn ein Bagger zufällig eine Leitung beschädigt. Davon zu unterscheiden ist der Ausfall der Versorgung in einem ganzen Land, meist über Stunden oder Tage, das nennt man dann Blackout. Da das jetzt kürzlich auf der iberischen Halbinsel passiert ist, kommt natürlich die Frage auf, ob wir eventuell auch bald dran sind, und deswegen fragt man auch die Fachleute vom VDE. Aus diesem Anlass hat nun der Verband eine Denkschrift herausgegeben: „VDE Hintergrund, Sicherheit und Stabilität im europäischen Stromsystem“. Bei den Autoren, die genannt sind, kommt der Titel Professor oder Dr.-Ing. häufiger vor, da erwartet man einen fachlich fundierten Hintergrund.

Die Frage ist: Geht es da in erster Linie darum, die Bevölkerung zu beruhigen, oder kann man hier wirkliche Aufklärung über die tatsächlichen Risiken erwarten? Das war für mich Grund genug, mir diese Denkschrift gründlich anzusehen.

Der Zustand heute

Der Status Quo wird in der Denkschrift so geschildert: „Das europäische Stromsystem ist ein weit gespanntes Verbundnetz, das sich von Portugal bis ins Baltikum und bis in die Türkei erstreckt. Für einen sicheren und stabilen Betrieb gelten europaweit einheitliche technische Regeln. Rund 6.000 Großkraftwerke und mittlerweile mehrere hunderttausend Windturbinen und mehrere Millionen Photovoltaikanlagen speisen in dieses Verbundnetz ein.“

Das ist ja zunächst ganz richtig. Dann aber kommt eine Aussage, bei der einem der Atem stockt: Im europäischen Stromhandel komme jeweils „der günstigste Erzeuger“ zum Einsatz. Wirklich? Haben diese Herren noch nie etwas vom EEG gehört? Im Jahre 2000, vor einem Vierteljahrhundert hat man die Preisbildung im Marktsystem aufgegeben und durch feste Vergütungen und eine Vorrang-Einspeisung ersetzt! – Da kann ja vom „günstigsten Erzeuger“ wohl schon lange keine Rede mehr sein. 

Ein Beispiel nur: Kernenergie wurde mit 2,5 Cent pro kWh abgerechnet (Braunkohle etwa 4 Cent pro kWh), Windkraft off-shore wird mit 12 Cent vergütet, übrigens auch, wenn nichts geliefert wird, die Anlagen also abgeschaltet sind (sogenannter „Geisterstrom“).

An anderer Stelle heißt es: „Leistungsgleichgewicht ist der Kern der Stabilität.“ – Das ist ja ganz richtig, verbunden mit dem Hinweis, dass im Stromsystem ständig ein Gleichgewicht zwischen eingespeister und entnommener elektrischer Leistung gelten muss. Die Generatoren und Turbinen der einzelnen Kraftwerke drehen sich synchron und speichern dabei Rotationsenergie – „ähnlich einem Kreisel“. Das ist ein sehr zuverlässiges System, da die Schwungmassen kurzzeitige Veränderungen automatisch ausgleichen: Wird plötzlich mehr Energie entnommen, so würden die Rotoren gebremst, die Netzfrequenz würde abnehmen, und da hier nur eine geringe Toleranz zulässig ist, greifen Regelsysteme ein (mehr Dampf!) und gleichen das aus. In Europa gibt es (noch) rund 6000 solcher konventionellen Kraftwerke.

Weiter: „Je weniger große konventionelle Kraftwerke am Netz sind, desto empfindlicher reagiert das System mit Frequenzschwankungen auf Ungleichgewichte.“ – Nun müsste eigentlich der Hinweis kommen, dass in Deutschland aus ideologischen Gründen diese redundante Sicherheit schrittweise aufgegeben wird. So wurden im Frühjahr 2023 die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet und in Hamburg Moorburg feiert man den Abriss eines der weltweit modernsten Kohlekraftwerke. 

Wenn Leistung fehlt, dann wird Strom aus den Nachbarländern importiert, man stützt die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland also auf die Schwungmassen der Rotoren in den französischen Kernkraftwerken. Wenn das nicht reicht, werden größere Verbraucher, also z.B. Glaswerke oder Papierwerke für Stunden abgeschaltet, das ist der „Brownout“. Der Schaden wird den Werken ausgeglichen, und zwar aus dem Bundeshaushalt, das fällt nicht so auf, das zahlt ja dann „der Steuerzahler”. 

Gibt es zu viel Leistung im Netz, vor allem in der sogenannten „Hellbrise“, auch weil private PV-Anlagen unkontrolliert einspeisen, dann wird für sogenannte „negative Preise“ Strom ins Ausland abgeschoben. Und wenn das dann auch nicht mehr reicht, ja, dann kommt der Blackout. Genau das war in Spanien und Portugal der Fall. Die Gefahr ist auch in Deutschland da und wird immer größer, aber darüber spricht man nicht gern, deshalb gibt es in der Denkschrift auch kein Wort dazu. 

Sicherheit auch in Zukunft?

Im Wahlkampf war im Gespräch, die letzten drei Kernkraftwerke zu reaktivieren oder neue zu errichten. Nach der Wahl besteht dazu keine Absicht mehr. Das bedeutet, dass wir im Rahmen der Energiewende in Deutschland zu einem Zustand kommen, in dem Schwungmassen von Rotoren für den Erhalt der Sicherheit im Stromnetz kaum mehr zur Verfügung stehen werden. Fachgremien und staatliche Akteure haben konkrete Maßnahmen ergriffen, um sich auf die Systemänderungen konsequent vorzubereiten. Als richtungsweisend gilt hier die „Roadmap Systemstabilität“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die einen praxisnahen Fahrplan für einen sicheren, robusten Netzbetrieb bei künftig 100 Prozent erneuerbarer Energie erarbeitet. 

In einer Projektsteuerungsgruppe arbeiten zahlreiche Verbände, so auch der VDE, und Vertreter der Netzbetreiber, der Industrie und der Wissenschaft zusammen, um die notwendigen Maßnahmen Schritt für Schritt umzusetzen. Man hat dazu netzbildende Umrichter entwickelt, mit denen eine Nachbildung rotierender Massen erreicht werden soll. 

Ob das am Ende zu der Sicherheit im elektrischen Versorgungssystem führt, an die wir heute gewöhnt sind, wird die Zukunft zeigen.

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1 Kommentar. Leave new

  • Die Netznachbildungen sind schon heute im Einsatz, aber mit begrenzter Kapazität. Wir bauen weiterhin auf die rotierenden Massen der KKWs in France und Schweden. Unerwähnt blieb hier auch der Grund des Blackouts in Spanien. Die Versorgung war hier komplett alternativ, was hochfrequente Netzfrequenzschwankungen zur Folge hatte, bei denen die Wechselrichter abschalten, weil Toleranzen überschritten werden. Da auch das letzte KKW runtergefahren wurde (zuviel Strom im Netz), hätte nun, also nach dem Ausfall, der Rest Europas versorgen sollen. Das war aber uviel für die beiden 4 GW Leitungen, so dass die abschalteten. So blieb der Blackout auf Spanien beschränkt. Unternehmen wir nix, werden wir auch hier den nächsten Blackout erleben. Auch Batteriespeicher nützen nichts, denn sie speichern Gleichstrom, der über Wechselrichter synchron ins Netzgespeist wird. Bloß synchron zu was? Einziger Ausweg: Destabilierung des Netzes durch Vergrößerung der zulässigen Netzfrequenztoleranz. Mal brennt dann eben die Kaffeemaschine durch und wann anders wird der Kaffee nicht mal lauwarm… . Wohl dem, der ein Inselkraftwerk und einen Gemüsegarten hat. Hühner schaden auch nicht.

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