Trump in der Zange

Bei uns in Europa kaum bekannt, spielt der amerikanische Blogger Curtis Yarvin in den Vereinigten Staaten eine gewisse fatale Rolle. Schon sein Wikipedia-Eintrag sagt vieles, wenn nicht alles:

*Curtis Guy Yarvin (25. Juni 1973), auch bekannt unter dem Pseudonym Mencius Moldbug, ist ein US-amerikanischer Blogger und Softwareentwickler. Zusammen mit dem Philosophen Nick Land ist er für seinen Einfluss bei der Formulierung der antiegalitären und antidemokratischen Bewegung bekannt, die als Neoreaktionäre Bewegung („Dunkle Aufklärung“) bezeichnet wird.

Wir haben es hier also mit einem Erzbösewicht zu tun – einem Meinungsträger, der sehr nahe am „Herz der Finsternis“ anzusiedeln ist. Welche Positionen vertritt nun dieser Herr, vor dem derart gewarnt wird?

Curtis Yarvin beschreibt das heutige amerikanische Regierungssystem nicht als Demokratie, sondern als eine institutionalisierte Oligarchie, bestehend aus einem dichten Netzwerk staatlicher und nichtstaatlicher Akteure – Agenturen, Gerichte, NGOs, Medien und Universitäten. Dieses Netzwerk bezeichnet er metaphorisch als „Regime“ oder „Cathedral“. Die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Sektor sei historisch bedeutungslos geworden – nahezu alle Organisationen seien in die Interessenstruktur dieses Regimes eingebunden.

Nun, das kommt uns – abgesehen von dem durchaus kreativen Begriff „Kathedrale“ – bekannt vor. Wir kennen es als „Deep State“, wobei Yarvin den Umfang dieses Begriffs eher erweitert. Nicht mehr einige wenige Finsterlinge in Hinterzimmern bestimmen das Schicksal des Globus, sondern das Phänomen der Kathedrale – eine geistige Architektur, in der alles zueinanderpasst und die dem Volk, oder Pöbel, den Denkraum für seine Meinungen und Aspirationen vorgibt.

Überflüssig zu sagen, dass diese Kathedralen-Architektur „bipartisan“ ist – ob nun Republikaner oder Demokraten als Stützpfeiler fungieren, ist egal.

Der Präsident der USA, einst eine machtvolle Figur im Sinne einer konstitutionellen Monarchie, sei mittlerweile zu einer symbolischen Position verkommen, sagt Yarvin. Selbst bei einem radikalen Amtsinhaber (wie Trump) bleibe die Wirkung minimal. Politische Veränderungen seien für den Bürger auf der Straße kaum spürbar. Yarvin sieht die US-Präsidentschaft auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit – vergleichbar mit europäischen Königshäusern.

Das kollidiert erheblich mit den hochgespannten Erwartungen, die manchmal an neue Präsidenten gestellt werden. Man erinnere sich an Obamas „Change“. Was ist daraus geworden? 

Sagen wir so: Die Ergebnisse waren übersichtlich. Und Trump? Er scheint seine ursprünglichen Bestrebungen aufzugeben: Frieden in der Ukraine, Abbau der Verschuldung, Veröffentlichung der Epstein-Akten. Es passiert genau das Gegenteil des Angekündigten. Und gerade der Fall Epstein – vorbildlich aufgearbeitet in einem langen Interview mit Tucker Carlson – zeigt im Kern, dass Trump Teil des „Swamp“ ist, auf dem die Kathedrale steht.

Weiter: Nicht das Volk kontrolliert das Regime – das Regime kontrolliert die Meinung des Volkes. Selbst unpopuläre Politiken wie Masseneinwanderung setzen sich durch, weil die ideologischen Grundlagen der Eliten langsam, aber beständig in die Masse durchsickern. Medien und Bildungsinstitutionen dienen als Überträger dieser Ideen – vergleichbar mit einer modischen Strömung: „Fashion flows downward.“

Der deutsche Medienalltag gibt ein allzu klares Bild dieses Phänomens.

Die Republikaner gelten laut Yarvin als Stimme der Demokratie – allerdings eher als eine Simulation des Widerstands. Sie befinden sich seit Jahrzehnten im Spektrum zwischen kontrollierter und ineffektiver Opposition. Auch populistische Präsidenten wie Nixon, Reagan oder Trump konnten die Struktur des Regimes nicht nachhaltig verändern. Trumps erste Amtszeit vergleicht Yarvin mit einem Mann, der vor dem Rubikon steht – bereit zur Revolution, der aber letztlich nur angelt.

Die zweite Trump-Administration agiert energischer, etwa durch symbolische Maßnahmen wie die Stilllegung von USAID oder die Dezimierung des Bildungsministeriums. Jedoch: Die fundamentalen Strukturen des Regimes bleiben unversehrt. Für Yarvin ist die Kathedrale – durch die neue Bedrohung – sogar revitalisiert worden.

Yarvin beschreibt zwei Welten der Rechten:

  • Hobbits (Mainstream-Amerikaner, konservative Kleinbürger) leben in einer nostalgischen Illusion vom alten Amerika.
  • Elben (intellektuelle Rechte, z. B. Tech-Milliardäre) leben in einer alternativen Medienwelt (NPR, X etc.), sind aber politisch inkompetent.

Innerhalb der Elben gibt es wiederum „High Elves“ (loyal zum Regime) und „Dark Elves“ (oppositionell, aber unkoordiniert). Diese Fragmentierung verhindert eine geeinte Front gegen das Regime.

Musk lässt grüßen – seine Rebellion führt jedoch nur zu einer weiteren Spaltung der systemkritischen Masse.

Persönliche Konflikte, wie zwischen Tech-Eliten („Elben“) und traditionellen Konservativen („Hobbits“), behindern die Bildung einer effektiven Opposition. Eliten im Silicon Valley scheitern regelmäßig an den Machtmechanismen Washingtons, weil sie emotionale Reaktionen zeigen, statt Machtspiele zu verstehen.

Yarvins Blick in die Glaskugel ist düster: Falls Trump oder seine Verbündeten jemals wieder verlieren, droht eine massive juristische Vergeltungswelle. Er vergleicht es mit einer künftigen „industriellen“ Version der Lawfare, wie sie nach dem 6. Januar gegen einfache Demonstranten durchgeführt wurde. Jeder, der mit der Administration verbunden war, könnte zum Ziel staatsanwaltlicher Kampagnen werden.

Die zentrale These: Wer das Regime wirklich herausfordern will, muss die Regeln der Macht beherrschen – auch wenn diese korrupt oder schmutzig erscheinen. Idealismus, Emotion oder Nostalgie führen ins Verderben. Nur wer Macht nicht als moralische Identität, sondern als Werkzeug versteht, kann bestehen.

Yarvins Schlussbotschaft gibt einen finsteren Ausblick: Ohne radikale Strategiewechsel wird die Opposition entweder irrelevant bleiben oder zerschlagen werden.

Dass Meinungen wie die Yarvins der Kathedrale nicht passen, scheint klar – und zwar beiden Seiten.

Nun mein Blick in die Glaskugel:

Ich denke, Trump hat bereits verloren. Vor allem die Epstein-Affäre wird ihm erheblich schaden. Auch seine Wirtschaftspolitik mit der Fixierung auf Zölle entfremdet ihm Bundesgenossen und Unterstützer im eigenen Land. Die Inflation wird steigen. US-Waren werden immer mehr zum Gegenstand von Boykotten. Sogar noch funktionierende Großfirmen ziehen ab – Beispiel: John Deere und Caterpillar.

Im Kern haben die USA der Produktionsmacht Chinas wenig entgegenzusetzen – und der gesamten BRICS-Allianz auch nichts. Sie isolieren sich unnötig, zum Schaden ihrer Bürger. Jüngstes Beispiel: die enorme Rindfleisch-Lieferung, die China zum Schaden der amerikanischen Farmer zurückgewiesen hat. Das waren vermutlich Trump-Wähler. Was sie jetzt denken, sei dahingestellt.

Mein einziger Einwand gegen Yarvins Lawfare-These:

Sie muss durchgeführt werden. Und zwar in einem bewaffneten Amerika, in dem die Ordnungs- und Streitkräfte nicht unbedingt auf der neoliberalen Seite stehen. Aber man wird sehen. Es gibt ja durchaus „Experten“, die eine Art Bürgerkrieg erwarten.

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1 Kommentar. Leave new

  • Frank Drechsler
    23/07/2025 8:36

    Ich denke, dass die Dezentralisierung der Macht und Entscheidungen ein wichtiger Weg ist. Negativbeispiele: EU-Institution, WHO etc. Sonst kann man gleich die Monarchie befürworten, diese rückt wenigstens das eigene Land in den Fokus.

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