„Unsere Demokratie“ ist nicht „Die Demokratie“ 

Der politpsychologische Frühstückssmoothie #45

Als Konrad Adenauer im Jahr 1950 im Bundeskabinett von „unserer Demokratie“ sprach, wollte er die junge deutsche Demokratie gegen die schrecklichen zwölf Jahre der Nazi-Herrschaft abgrenzen. Er ging mit dem Begriff aber äußerst sparsam um und wusste offensichtlich auch warum. Das kontinuierliche Beschwören der Formel von „unserer Demokratie“ wirft mehr Fragen als Antworten auf. 

So ist es heute, wo der Begriff inflationär verwendet wird und der seltsame Beigeschmack von Ausgrenzung und Parteilichkeit immer mehr zunimmt. Einer, der den Terminus kontinuierlich gebraucht, ist der derzeitige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dies ist heutzutage – anders als zu Adenauers Zeiten – ein Warnzeichen. Was hat das zu bedeuten und wo liegen die Probleme? 

Die Beschwörung des Terminus „unsere Demokratie“ soll den Bürgern suggerieren, dass Politik und Staat im Abwehrkampf gegen Rechtsextremismus stehen. Dabei beginnt dieser oft schon rechts von der SPD, da die Attribute rechts, rechtsradikal und rechtsextrem munter durcheinander geworfen werden. 

Denkwürdige, tiefsinnige Reden wie bei Richard von Weizsäcker, Roman Herzog oder Joachim Gauck sucht man seit vielen Jahren vergeblich. Dabei stünde es mit höchster Dringlichkeit an, von den herrschenden Parteien und ihren Funktionären bessere und kompetentere Politik für alle Bürger im Land einzufordern. Stattdessen werden die, die anders denken, ausgegrenzt und stigmatisiert. Das aber war nie die Idee einer funktionierenden Demokratie. 

Das Ausgrenzungsprojekt

Von den Herrschenden in Politik und Medien wird immer mehr der Zusammenhalt der Gesellschaft beschworen, gleichzeitig aber konsequent dagegen gehandelt, etwa in der Migrations-, Energie- und Wirtschaftspolitik. Wenn Andersdenkende sich dann kritisch zu Wort melden, werden sie immer mehr ausgegrenzt. Dies ist ein unerträglicher Zwiespalt. 

Zur vermeintlichen Heilung der gesellschaftlichen Spaltung gibt es ein linksgrün dominiertes und üppig mit Steuergeldern finanziertes Programm zur Demokratieförderung. Dafür wird suggeriert, die Demokratie sei in Gefahr. Dabei ist es die linksgrün dominierte Macht, die in Gefahr ist. Und überhaupt: Wer ist dieses „Unser” in „unsere Demokratie“? Wer ist darin eingeschlossen und wer nicht? Wer definiert das? 

„Unser“ ist grammatikalisch ein Possessivpronomen, ein besitzanzeigendes Fürwort. Es zeigt, in wessen Besitz etwas ist und in wessen Besitz es nicht ist. Es geht beim Besitzen klar um Ausgrenzung derer, die nicht dazugehören. Und die werden ausgegrenzt, weil sie anders denken. Die Demokratieförderung ist damit in weiten Teilen wegen ihrer Ausgrenzung ein Demokratiegefährdungsprojekt. 

Die Demokratie gehört allen

Die Verwendung des Pronomens „unser“ ist beim Begriff „Demokratie“ die Krux. Denn wenn sie nicht im Besitz aller ist, dann ist es keine Demokratie. Deshalb muss man auch nicht von „unserer Demokratie“ sprechen, wenn man wahre Demokratie meint. 

Es geht also bei „unserer Demokratie“ um Ein- und Ausschluss. Die von Linken und Grünen propagierte „Unsere Demokratie“ ist ein neuerliches linkes Projekt. „Unsere Demokratie“ ist nicht meine Demokratie. Ich will die einzig wahre Demokratie, die Demokratie aller! Will man demokratisch sein, kann nur die Rede von „der Demokratie“ sein. Dies geschieht aus Respekt vor dem Souverän, dem die Demokratie als Ganzes gehört. Die Demokratie ist die Demokratie aller, wobei kein Bürger guten Willens ausgeschlossen wird. 

Linke Medien und Politiker werkeln und manipulieren am Begriff herum. Ihre „unsere Demokratie“ meint im Kern „unser Sozialismus“. „Unsere Demokratie“ meint „unsere linke Bubble”. Mit dieser Redewendung haben Linke die Demokratie kurzerhand zu ihrem Besitz erklärt. Dies ist vollkommen unzulässig und natürlich für eine funktionierende, wahre Demokratie nicht akzeptabel. 

Innerhalb kürzester Zeit wurde der Ausdruck „unsere Demokratie“ zu einem geflügelten Wort. Dieser Code, so viel ist sofort klar, wird von Linken verwendet, um damit den Besitzanspruch auf die Demokratie aller auf sich zu verengen, ein rhetorischer Trick, um Millionen Menschen auszuschließen, ihnen schlechte Gefühle von Schuld und Scham zu bereiten und sie sonstwie zu kränken. Andersdenkende – Konservative, Libertäre, Patrioten, Rechte oder Nationalisten – sollen nicht dazugehören. Einschluss in „unsere Demokratie“ bedeutet zugleich Ausschluss der anderen. Es sei denn, diese würden via Kotau sich den Linken unterordnen, dann wäre es auch „ihre Demokratie“.  

Seit von „unserer Demokratie“ in Medien und Politik die Rede ist, stimmt etwas gewaltig mit der Demokratie nicht. Wenn alle Macht vom Volke ausgeht, wie es in Art. 20, Abs. 2, des Grundgesetzes heißt, dann gehören eben auch die etwa 25 Prozent AfD-Wähler zur Demokratie.

Spaltung der Gesellschaft

Eine neuerliche mutige „Ruckrede“ an das politische Establishment, wie sie am 26. April 1997 aus guten Gründen vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog gehalten wurde, wäre sinnvoll, aber ist weit und breit nicht in Sicht. Ob es sich bei der Phrase „unsere Demokratie“ um eine Gefährdungsdiagnose („Schützen wir unsere Demokratie vor Extremisten!“), um eine pathetische Beschwörung („Das beste Deutschland aller Zeiten!“) oder um den Versuch einer Mobilisierung („Gewinnen wir sie zurück für unsere Demokratie!“) handeln soll, bleibt unklar. Die Reden des Bundespräsidenten wirken jedenfalls seltsam entrückt und kühl. Sie reißen die Bürger nicht mit. Es gibt ein Glaubwürdigkeits- und ein Überzeugungsproblem. 

Am Ende wird – trotz anders lautender Beschwörungen – deutlich, dass die deutsche Gesellschaft im Jahr 2025 so tief gespalten ist wie schon sehr lange nicht mehr. Der Fehler im Lager der Unsere-Demokratie-Beschwörer liegt in der falschen Grunddiagnose: Nicht die Demokratie als solche ist in Gefahr, sondern die Meinungsfreiheit und die Teilhabe von immer mehr Menschen sind gefährdet. Daraus folgt dann eine Gefährdung der Demokratie, nicht wegen zu viel rechts, sondern wegen zu viel Freiheitseinschränkungen von links. 

Zurecht spüren immer mehr Bürger, dass ihre Meinung nicht zählt, dass sie sogar stigmatisiert wird. Dafür gibt es den einfachen Trick, in Kooperation mit dem willfährigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) alles, was nicht links und grün ist, als abweichend und unerwünscht und damit gefährlich zu etikettieren. 

Die Grundidee einer funktionierenden Demokratie, dass alle Menschen an den Geschicken des Landes und an ihrem eigenen Schicksal teilhaben, ist verloren gegangen. Solange die Herrschenden in Staat und Medien ihr Denken anderen überstülpen und andere Meinungen harsch stigmatisieren, ist es ihre Demokratie, die die Meinung von Minderheiten nicht respektiert. Dann ist das „Unsere“ in „unsere Demokratie“ tatsächlich ein besitzanzeigendes Fürwort und keine Einladung an alle zur demokratischen Teilhabe. 

Eine Renaissance der Freiheit

Alles wandelt sich erst zum Besseren, wenn die Freiheit des Denkens und Sprechens wieder respektiert und realisiert wird. „Unsere Demokratie“ klingt so sehr nach dem Ausschluss Andersdenkender, dass man diesen Terminus heutzutage gerade nicht verwenden sollte. Im Gegenteil gilt es prioritär, eine Politik zu betreiben, die dem Wohl der ganzen Bevölkerung faktisch dient und so viele Menschen wie möglich mitnimmt. 

Wenn sich ein Viertel bis zu einem Drittel der Bevölkerung trotz massiver Gegenpropaganda zu einem deutlich anderen Politikkurs bekennt, dann muss die Demokratie runderneuert werden. Und dies nicht mit ausgrenzenden Reden. Es braucht eine Renaissance der Freiheit, was vor allem die Meinungsfreiheit umfasst. „Unser aller Meinungsfreiheit“ ist das höchste Gut einer funktionierenden Demokratie. 

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