Seit zehn Jahren erscheint TE. Was sich geändert hat:
1.) Wendejahr 2015: Gut, meine kritische Haltung zu Themen wie Euro-Einführung und Energiewende hatten mich als Chefredakteur der Wirtschaftswoche nicht beliebt gemacht. So schwer war der Abschied nicht, Sparrunden ermüden. Viele in der Redaktion waren erleichtert. Endlich durften sie Windräder bejubeln und auf Solarpanelen tanzen, sich wohlig im Main-Stream einrichten. Dass die Leser desertierten, ist nicht nur bei ARD und ZDF egal, auch bei Verlagen, wenigstens damals. Wirtschaft sollte auf weiblich gedreht werden. Dumm nur, dass Frauen wie Männer die Abos kündigten. Aber man braucht eben so was wie Vielfalt, wenigstens pro-forma.
Es war nicht leicht gewesen auch vor 2015 in den Talkshows immer die Minderheitsposition gegen Moderator und Gäste durchzuhalten. Aber ich hatte ja 20 Jahre Zeit mich daran zu gewöhnen. Ich habe mal Frank Plasberg gefragt: „Warum laden Sie mich überhaupt ein, wenn ich dann nur der Watschenmann bin?“ Seine Antwort: „Weil wir wenigstens eine andere Meinung brauchen und Sie es aushalten“.
Den Watschenmann nehmen sie heute auch nicht mehr. Aushalten, eine besondere Qualität. Aber gut, Minderheitspositionen sind ein Markenzeichen und nähren ihren Mann. Auch ohne Großverlag im Kreuz wars damals noch bequem, BILD und Burda zahlten gut für Kolumnen und die Entwicklung von Internet-Portalen.
Die wirkliche Wende kam 2015. Wer keine Flauschtiere auf 18-jährige Flüchtlinge werfen wollte, dem ging es an den Kragen. Jetzt entfaltete sich Merkels „Alternativlosigkeit“ zur vollen Wirkung. Es gibt keine Alternative zur Massenmigration, das Asylrecht wird zur allgemeinen Eintrittserlaubnis in den Sozialstaat, wer das kritisiert wird angebräunt. Medien und Politik kämpfen Schulter an Schulter. Das kannte ich vorher nicht. Über Nacht verschwanden Einladungen, Jobs, Gesprächspartner, oder trafen sich gerade noch im Dunklen mit mir.
2.) Wir waren wenige: Zu dem Zeitpunkt gab es die Achse und TE. Einige versprengte Blogger, die Junge Freiheit. Letztere ohne Netz und Farbe. Der Ton wurde rauher. Auch bei uns. Fassungslos beobachtete man, wie ein Staat seine Grenzen öffnet und sich selbst zur Besiedelung frei gibt und andere verträumte Entscheidungen Realität werden läßt.
Auf den schon unfaßbaren Atomausstieg folgt der Kohleausstieg. Reihenweise werden Milliarden-Investitionen abgewrackt. Hamburg verzichtet auf Antrag der Grünen auf die Fernwärme von Moorburg, um das Kraftwerk in die Unwirtschaftlichkeit zu treiben, die eigentlich eine einzige ökologische Katastrophe ist. Knüppelholz aus Namibia soll fossile Brennstoffe ersetzen; ein Schildbürgerstreich, bei dem das Sammeln und verschiffen mehr Energie kostet als das Verheizen in Hamburg Wärme erzeugt. Armin Laschet setzt schlitzohrig eine Ausnahmegenehmigung für das neue Kraftwerk Datteln durch, dafür wird die Oberlausitz und seine Braunkohle geflutet. Es ist ein Verteilungskampf, bei dem sich erneut der Westen durchsetzt.
3.) Der Haltungsjournalismus wird dominant. Der Flüchtlingssommer ist eine Wende. Seither zählt Haltung, und Fakten sind Nebbich. Anything goes, wenn es nur grün angepinselt ist und ansonsten Irrsinn in allen Dimensionen. Die Medien kritisieren nicht, sie folgen nicht – sie geben den Ton an. Die Politik folgt den Leitartikeln. ARD und ZDF werden zu Regierungsverherrlichungssendern. Ich beobachte, wie Journalisten aufstehen, sobald Angela Merkel einen Saal betritt. Sie alle wollen beim applaudieren gesehen werden. Noch ist die Ausgrenzung nicht perfekt.
4.) 2017 – Politik und Mainstream-Medien verrammeln die Türen. Wer nicht zustimmt, wird ausgegrenzt. Gut, dass es nicht nur Journalisten trifft, sondern auch Leser. Wir schwimmen auf einer Woge der Zustimmung. Ein Leser schickt mir in einem Kuvert 10 € und schreibt dazu: „Ich habe 600 € Rente. Mehr als 10 € kann ich nicht erübrigen. Aber die kriegen Sie, damit Sie durchhalten.“ – Es ist der höchste Lohn, den ich in vier Jahrzehnten Journalismus erhalten habe.
Wir leben in einer gespaltenen Welt. Die Leser kommen in Scharen, unser Print-Heft wird von der ersten Nummer an zum Erfolg. Männer und Frauen beginnen auf der Straße mich anzusprechen. Aus der Nische Wirtschaftsjournalismus wird eine Volksbewegung gegen Bevormundung. Diese Bewegung trägt über die Anfeindungen weg.
5.) Die Leser entscheiden. Während unsere Leserzahlen wachsen, sinken die der Mainstreammedien. Die Angst um den Job erhöht die Aggressivität. Noch sind alternative Medien keine Alternative. Aber auch bei den neuen Medien kommt es zu einer Spaltung – durch Radikalisierung. Unter dem Druck der Ablehnung wird der Ton schärfer, auch auf „unserer“ Seite. Wer nicht mitschreibt, was vorgeschrieben wird, „spaltet“.
Die Bertelsmannstiftung beginnt „Studien“ zu veröffentlichen, die der Mitte einen Hang zum Faschismus unterstellt. In den Folgejahren leben ganze Fachbereiche von solchen Studien. Wir zerpflücken sie, wozu es keiner Kenntnis von Statistik bedarf. Jede Frage ist so formuliert, dass sie das gewünschte Ergebnis zeitigt. Es ist die Zeit von „Follow the Science“.
Was schon bei der Klimafrage zum Abgesang der Wissenschaft führte wird in den Sozialwissenschaften zur Lächerlichkeit: Hohe Geldleistungen für Flüchtlinge erhöhen angeblich nicht die Attraktivität eines Fluchtortes. Seenotrettung setzt kein Schlauchboot in Bewegung. Die Sonne scheint auch Nachts, jedenfalls in den Papieren zur Energiewende, und der Wind weht immer in der richtigen Stärke. Man kann verzweifeln oder sich totlachen.
6.) Sprache wird zum Totschlagargument: Begriffe werden besetzt und dann als Wurfgeschoß eingesetzt. Es beginnt die Debatte darum, was und wie man noch sagen darf. Das Wort Asylant verschwindet, alle sind Flüchtlinge, die unserer Hilfe bedürftig sind. „Umvolkung“ wird zum Trigger-Wort. Wer es benutzt, ist Nazi. Sprache wird zum glitschigen Pflaster.
Erst später, etwa ab 2022, treibt das Bundesamt für Verfassungsschutz das auf die Spitze: Begriffe werden mit neuen Inhalten aufgeladen, und wer sie ahnungslos benutzt, kann seinen Job im öffentlichen Dienst verlieren. Mit immer neuen Gender-Regeln wird nicht nur die Sprache verhunzt, sondern das Formulieren erschwert. Die weibliche Endung ersetzt Begriffsschärfe.
7.) Corona wird zur Spaltung. Lustig: Anfangs hat TE vor dieser seltsamen Seuche aus China gewarnt, wegen der in Italien ganze Städte zur Sperrzone erklärt wurden. Das wird als Rechtspopulismus abgetan, die ARD erklärt, dass so die Bevölkerung von „Rechten“ verunsichert werden soll.
Die Kanzlerin befiehlt, und über Nacht wird Maske Pflicht und der Lockdown kommt, der noch am Vortag als Irreführung der Bevölkerung durch die Bösen bezeichnet worden war. Was schert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ich heute das Grundgesetz aushebeln kann?
Aber auch hier setzt eine Gegenbewegung ein, wird immer breiter. Es ist wahrscheinlich einer der Wendepunkte der Nachkriegsgeschichte: Maskendeals, Strafverfahren gegen jeden Kritiker, eine brutale Polizei, die Omas aufs Pflaster wirft. Und trotzdem, langsam sickert die Wahrheit durch: Alles Fake.
Die RKI-Papers sind der Höhepunkt. Dass daraus keine Schlussfolgerungen gezogen werden, nicht einmal Salatköpfe rollen müssen, ist der eigentliche Vorgang der „Delegitimierung des Staates“, die dieser selbst betreibt und mit immer neuen Maßnahmen den Kampf gegen Rechts anheizt, während die Messergewalt von Tag zu Tag zunimmt.
8.) Wer glaubt, die Ausgrenzung müsse ein Ende nehmen, täuscht sich. Fake-News verselbständigen sich. Zwar konnten wir zeigen, dass es in Chemnitz keine „Hetzjagden“ gab, zuletzt bestätigt durch einschlägige Gerichtsurteile: Aber Märchen gerinnen in der Medienwelt zu unverrückbaren, nie mehr hinterfragten historischen Tatsachen.
Das Spiel wiederholt sich. In der Energiepolitik; je katastrophaler die tatsächliche Wirkung, umso hymnischer die Lobpreisung der Windgottheiten. Der Ukrainekrieg zerteilt die Lager noch einmal mehr. Mittlerweile hat sich ein Protestpotential gebildet, das genauso blind verurteilt, was das andere Lager lobpreist. Deutschland verfällt in zwei Lager: Die Anhänger des einen Lagers köpfen das Ei an der Spitze, das andere Lager am breiten Ende. Nur ein Jonathan Swift fehlt, der das beschreiben könnte.
9.) Und nun? Nach den Morden von Solingen hofft man kurzzeitig darauf, dass die Migrationspolitik geändert werden könnte. Aber die Beharrungskräfte der grünen Konservativen sind gewaltig. Sie haben ihr Lager mit riesigen Lehmwällen gesichert; mit bürokratischen Verfahren, vermeintlich unveränderlichen Gesetzen, dahinter schwere Moral-Artillerie.
Zugleich schicken ARD und ZDF ihre Kampfdrohnen in das feindliche Lager. Wir sind wieder da, wo wir 2015 begonnen haben: Erbarmungslose Konfrontation. Es ist kein überzogenes Sprachbild, wenn man sagt: Sie machen keine Gefangenen. Das schweißt aber nur das kritische Lager zusammen, über die Meinungsgrenzen in vielen Fragen hinweg.
10.) Es hat sich aber doch etwas geändert. Es ist eine neue Medienlandschaft entstanden. Wir sind nicht mehr allein. Nach zuverlässigen Schätzungen nehmen wohl rund 30 Prozent der Bürger an den Staatsmedien, gedruckten oder elektronischen, nicht mehr teil. Es gründen sich Vereine, Verbände, Treffen, Kongresse, Medien, Parteien.
Die alternativen Medien professionalisieren sich, selbst JF entdeckt Farbe, ein eigener Arbeitsmarkt entsteht, komplette Redaktionen werden aufgebaut während die des Mainstreams weiter schrumpfen. Talkshows senden wir seit fünf Jahren, andere folgen. Podcasts und Videos erleben stürmisches Wachstum, die neuen Orchester spielen in allen Klangfarben. Heute kann man sich ohne Staatsmedien bestens informiert halten, auch über globale Entwicklungen. Marktwirtschaft wirkt: die Leser entscheiden.
Selbst unabhängige Richter bringen sich immer wieder in Stellung: „döpdödödöp“ ist doch nicht strafbar! Elementare Rechte der Informationsfreiheit werden gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz in Stellung gebracht, das zu einer Kontrollbehörde ausgebaut wurde: Es vergibt die Stempel der staatlich geprüften Zuverlässigkeit oder „gesicherten Verfassungsfeindlichkeit“. Es tritt an die Stelle des Bundesverfassungsgerichts, die dem Innenministerium unterstehende Behörde übernimmt die Funktion eines im geheimen wirkenden Wahrheitsministeriums und eines im Verborgenen wirkenden Genehmigungsamtes für erlaubte Meinungen.
Der Kampf der Meinungsopposition erscheint aussichtslos. Aber die Opposition hat den Keim zum Sieg auf ihrer Seite: Fakten.
Wirtschaftlich, gesellschaftlich, in der Migrationspolitik bis hin zu solchen Fachbereichen wie Energiepolitik und Essgewohnheiten: die Ideologie scheitert an sich selbst. Einst Giganten der Publizistik wie der SPIEGEL werden streckenweise zu einer Art unfreiwilliger Titanic. Die Zeit wird zum Zirkus schreiberisch pubertierender Wirrköpfe, die SZ nimmt keiner mehr ernst; die FAZ traut sich nicht mehr zu behaupten, hinter ihr stünden noch kluge Köpfe.
Eine neue Zeit bricht an. Es ist gut so.
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Als man Giordano Bruno in unmittelbarer nähe zum Vatikan lebendig verbrannt wurde, wusste die Kirche, oder ahnte es zumindestens, das er mit seinem Himmelsbild recht hatte. Da alle monotheistische Religionen in ihrem Wesen Ideologien sind, und die Protagonisten der Ideologie sehr wohl wissen das sie keine Wahrheiten verbreiten, muß denen die mitlaufen hin und wieder ein Opfer gebracht werden. Nur weil 1600 gerade die Kirche Jagd auf die gemacht hat, die aus Gottes Gnaden gefallen sind, bedeutet es nicht das dieser ideologische Reflex nicht auch zu allen anderen Zeiten und Institutionen sich manifestiert. Warum sollte in einer Wirtschaftsredaktion, 2020, die Menschwerdung größere Erfolge feiern als in der Kurie vor 400 Jahren? Der Mangel an Selbstkritik und -reflektion ist eine Bedingung für Massenbewegungen. Und dazu gehört 1600, wie auch 2024, das man sämtliche Proßessakten zu der Verandlung die zum Scheiterhaufen führten, verschwinden lassen hat. Denn ohne den Verlauf der Geschichte ist das Kritikbewusstsein in der Sackgasse. Auch 1600 gab es den einen oder anderen Herrn Tichy, nur wusste der noch wo sein Platz ist. Die mächtigen Ideologen die uns heute von Kritik und Wahrheit abhalten, werden diese Wahrheit schon kennen. Sie wissen aber auch, das ihre Kritiker nicht mehr die Hand vor den Mund nehmen wenn sie den Irrsinn benennen. Auch wenn wir im Medienzeitalter leben, bleibt doch die Mehrheit unfrei im Denken und Handeln. Das trübt den Erfolg von Tichys Einblick damals wie heute.
Das ist ein kurz gefasster, treffender Text über sich entwickelnde Konflikte in einer Gesellschaft, die sich sehr lange und selbstzufrieden in Sicherheit fühlte. Ich habe ihn mit Vergnügen gelesen, obwohl – oder gerade weil – jeden Tag die von Politbürokraten (wieder) verstopfte Zukunft die Lebensfreude mit Verdruss befrachtet. Um so besser, dass sich die Kräfte sammeln und verbünden, denen das Schicksal des Landes, seiner produktiven Menschen, Kinder und Enkel nicht egal ist. Ein Glück, dabei im Alter noch mithelfen zu dürfen. Grüße an den „Bürgergipfel“ und alle, die für Freiheit, Recht und die Kultur zivilisierten Umgangs eintreten. Wir düfen wieder hoffen.