Als Musik noch gefährlich war

Wie kaum eine andere Kunst spaltet Musik die Gemüter. Aber nicht nur das, Musik wird sogar im Extremfall als „gefährlich“ deklariert. Wagen wir doch deshalb einen kurzen Blick in die Vergangenheit. 

In den 50er und 60er Jahren stand Musik vor allem für den Generationenkonflikt zwischen Jung und Alt. Damals fürchteten vor allem die Älteren die revolutionäre Kraft, die nach ihrer Auffassung der aufkeimenden Rockmusik inne wohne. Was die ältere Generation damals noch nicht ahnen konnte: Es sollte alles noch viel schlimmer kommen! 

In den 70ern entstand die rohe Punkmusik und dann der stets mit dem okkulten kokettierende Heavy Metal. Anfang/Mitte der 80er gingen deshalb prüde Spaßbremsen wie Tipper Gore (die Frau des Klima-Alphas Al Gore) und einige andere Politikerfrauen zum Angriff gegen die „gefährliche“ Heavy-Metal-Musik über. Konzerte wurden abgesagt, Musiker wurden vor den Kongress geladen und am Ende landete die Band Judas Priest sogar vor Gericht. 

Ab Ende der 80er und Anfang der 90er erhielten schließlich „gefährliche“ Musikalben den Sticker „parental advisory – explicit content oder explicit lyrics“. Ein Qualitätsmerkmal, dass genauso schnell Kultstatus erreichen sollte, wie es Anfang der 2000er auch wieder verschwand. 

Fortan schien es lange Zeit so, als sei die Musik nun endlich zahm geworden. Nichts war mehr zu spüren von der Gefährlichkeit der Musik bzw. ihrer revolutionären Kraft. Bis im Sommer 2022 das Lied „Layla“ alles auf den Kopf stellte. 

Als tendenziell frauenfeindlich gelabelt, erzählt das Lied eigentlich die Erfolgsgeschichte einer jungen unabhängigen Unternehmerin. Dennoch schaffte es das Lied auf so viele schwarze Listen diverser Volksfeste, dass selbst einige einschlägige Deutschrapper vor Neid erblassten. 

Und nun, Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Nein, nicht ganz, der nasskalte Klimasommer 2024 hat seinen ersten Skandal: Denn wieder wird ein Lied auf die schwarze Liste diverser Volksfeste gesetzt! Dieses Mal hat es „L´Amour Toujours“ von Gigi D´Agostino geschafft.

Wie konnte das passieren?

Steinmeier, übernehmen Sie!

Ganz einfach, unsere Demokratie wackelt mal wieder bedenklich, weil auf Sylt ein paar Betrunkene den Text des eben erwähnten Disco-Hits von 2001 in „Ausländer raus! Deutschland den Deutschen!“ umgedichtet und gegrölt haben. 

Das Video, das die Betrunkenen beim Singen dieser idiotischen Parolen gedreht haben, stammt von einer Party, die über Pfingsten in der Bar „Pony“ auf der bei Besserverdienenden beliebten Nordseeinsel stattfand. – Sie ahnen es, alleine schon deshalb bekommt die versammelte Empörungslinke einen feuchten Schritt. 

Betreiber, Insel und andere Partygäste beteuern nun öffentlich, nichts mit diesen Leuten zu tun zu haben und sprechen vorsorglich Haus- und Inselverbote gegen die mutmaßlichen Nazis aus. Schnell melden sich auch andere Clubbesucher, die Ähnliches auf anderen Partys beobachtet haben wollen. Politiker von Merz bis Lang beeilen sich, den Vorfall aufs schärfste zu verurteilen. Immerhin seien hier keine „Abgehängten“ sondern die Mitte der Gesellschaft, ja, sogar „Besserverdiener“ zu sehen. Selbst unser Lieblingskanzler Scholz schaltet sich mahnend ein und nennt das Video „eklig und nicht akzeptabel“. Er geht sogar so weit, dass er meint, das Gezeigte dürfe sich nicht weiter ausbreiten. Dumm nur, dass man daraus inzwischen ein Ereignis epochaler Größe gemacht hat. 

Allerdings können wir alle beruhigt aufatmen. Der beste Bundespräsident des besten Deutschlands aller Zeiten hat sich inzwischen ebenfalls eingeschaltet: Frank-Walter Steinmeier! Doch zum Glück wissen wir inzwischen zwei Dinge. Erstens: Wenn sich Steinmeier einschaltet, ist die Story meistens dünner, als unsere Rente nach 45 Jahren harter Arbeit. Und zweitens: Steinmeier hat nachweislich einen ganz miserablen Musikgeschmack.

Journalistische Standards, was ist das?

Doch trotz Steinmeiers eingreifen und die Mahnungen des Kanzlers tobt der Mob im Internet und nicht nur da. Auch in den Zeitungen und vor allem im angestaubten ÖRR stellt man die jungen Gröler förmlich an den Pranger. 

Dabei werden die sonst geltenden moralischen und journalistischen Standards nicht nur über Bord geworfen, sie werden vorher noch in Stücke zerrissen und verbrannt. Beispielsweise wird im ÖRR das Video gezeigt, ohne die Gesichter der Betroffenen unkenntlich zu machen. Schließlich geht es um die gute Sache, wen interessieren da mögliche Kollateralschäden? 

Nicht nur das, in einigen Zeitungen wurden sogar die Namen der jungen Leute genannt. Als erste Konsequenz haben nun drei der Partygröler ihren Job verloren. Die soziale Ächtung kommt inklusive. 

Nicht, das wir uns falsche verstehen: So ein idiotisches Lied zu singen und dann auch noch so dumm zu sein, sich dabei zu filmen, verdient eine angemessene Strafe. Allerdings ist das, was gerade passiert, vergleichbar mit einer Hexenjagd oder der viel zitierten Bazooka gegen Spatzen. Zumal man bei deutlich schlimmeren Vergehen weder Namen, noch Staatsangehörigkeit nennen möchte. Ja, die Tagesschau weigerte sich sogar bei einigen Gewaltverbrechen oder Vergewaltigungen zu berichten, da es sich angeblich um Ereignisse von regionalem Interesse handele.

Nie wieder ist jetzt

Aber wenn ein paar Betrunkene ein dummes Lied singen, scheint unsere Demokratie kurz vor ihrem Ende zu stehen. Zumal die „Nie-wieder-ist-jetzt-Fraktion”, die das Ereignis momentan ausschlachtet wie eine Gans am Vorweihnachtsabend, bei Vergehen aus den eigenen Reihen eher zögerlich regiert. 

Da wäre beispielsweise Geraldine Rauch. Sie ist Präsidentin der Technischen Universität Berlin und hat im Zuge des Israel-Hamas-Konfliktes auf X Tweets geliket, die, vorsichtig ausgedrückt, israelkritisch sind. Andere Quellen stufen diese Tweets als antisemitisch ein. 

Wo wir gerade beim Thema sind, kennen Sie eigentlich noch Greta Thunberg? Die ehemaligen Klimaikone war bei einer Anti-Israel-Demo kurz vor dem letzten ESC (die Älteren kennen es noch als „Grand Prix“) anwesend. Ja genau, die Greta, die von so ziemlich allen Journalisten, Promis und Politkern im Land noch vor einigen Jahren praktisch als Heilige verehrt wurde! 

Während also die in Deutschland äußerst beliebte Greta Thunberg vor der ESC-Halle fleißig gegen den israelischen Klassenfeind demonstrierte, bereiteten zwei Jugendliche („Deutsch-Türken“) einen Anschlag auf die Moschee in Heidelberg vor. Glücklicherweise konnte der Anschlag verhindert werden. Ich weiß, Petitessen. 

Mal sehen wie jetzt die Empörungslinke nach dem Anschlag von Mannheim, bei dem sechs Menschen, darunter ein Polizist und der Islamkritiker Michael Stürzenberger, schwer verletzt wurden, auf eine islamkritische Kundgebung reagiert. Wahrscheinlich gar nicht. Denn selbst zu den sogenannten Pro-Palästinenser-Demos traute sich weder die Antifa, noch die Nie-wieder-ist-jetzt-Fraktion, um klare Kante zu zeigen oder „unsere Demokratie” und „unsere Werte” zu verteidigen. 

Übrigens ist aus den damals großspurig angekündigten Abschiebungen von Olaf Scholz und Robert Habeck als Konsequenz für antisemitische Entgleisungen, stand heute, ebenfalls nichts geworden. Welche Konsequenzen blüht jetzt aber unseren Partygrölern? Immerhin ermittelt ja bereits der Staatsschutz. Nein, das ist kein Witz. 

Alles halb so wild

Wären es Klimakleber, könnten sie definitiv auf die Milde des Gerichts hoffen. Auch schwere Straftaten wie Vergewaltigungen oder Gewaltausbrüche wie kürzlich gegen einen Polizisten in Köln werden in letzter Zeit häufig mit eher täterfreundlichen Strafen geahndet. Ob die Sänger aus Sylt auch auf diese Milde rechnen können? 

Eher nicht. Es droht eine Anklage wegen Volksverhetzung, die beschriebene soziale Ächtung und die wirtschaftliche Vernichtung durch den Verlust des Arbeitsplatzes. Der Song von Gigi D´Agostino stürmt übrigens derweil die Charts. 

Dennoch mutet es doch etwas unfreiwillig komisch an, dass aus einem dummen Lied, dass auf einer Party von ein paar Betrunkenen skandiert wird, ein handfester Skandal gemacht wird, während in Deutschland immer noch jüdische bzw. israelische Einrichtungen beschützt werden müssen, Frauen nachts Angst haben müssen, auf die Straße zu gehen, oder, wie im Fall Mannheim, die Gefahr von Messerattacken besteht. 

Und nein, die Gefahr geht in erster Linie nicht von hohlen Partysängern oder rechtsextremen Flachzangen aus. Wer da so alles als potentiell gefährlich eingestuft wird, können Sie in der Kriminalstatistik für das Jahr 2023 nachlesen. Alternativ empfehle ich Ihnen einen Besuch des nächstgelegen Bahnhofs einer Großstadt Ihrer Wahl. Sie werden erstaunt sein! 

Das ist aber alles kein Grund für Politiker, Journalisten oder die Nie-wieder-ist-jetzt-Moralisten. nervös zu werden oder unsere Demokratie, Werte etc. in Gefahr zu sehen. Immerhin hat ja von denen keiner gesungen.

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