Alternative Medien – wie es war und wie es wird

Oliver Gorus hat ein neues Online-Magazin ins Leben gerufen, dazu gratuliere ich von Herzen! „Der Sandwirt“ als Stimme der Vernunft wird dringend gebraucht in diesen immer verrückteren Zeiten! Als ich vor fast 25 Jahren das Magazin „eigentümlich frei“ gründete, feierte dies der frühe Mitstreiter Stefan Blankertz mit dem alt-floralen Mao-Motto: „Lasst tausend Blumen blühen!“ Und so will ich auch den „Sandwirt“ im bunten Garten der alternativen Medien willkommen heißen: Er soll und wird seinen Platz finden, wachsen und gedeihen, da bin ich sicher und schon jetzt als Leser dankbar.

Kinder, wie die Zeit vergeht. Und mit ihr auch die Aufgaben und der Stellenwert alternativer freiheitlicher Medien. Damals, im Frühjahr 1998, als wir „eigentümlich frei“ gründeten, kurz bevor Gerhard Schröder zum neuen Kanzler gewählt wurde und damit die gefühlt ewige Ära Helmut Kohl beendete, waren die Welt, die Politik und die Publizistik drei andere. Die berüchtigte Spaltung der Gesellschaft war so noch nicht vollzogen. 

Klar, es gab auch damals ein Gegeneinander zwischen (alt)-recht und (alt)-links, wobei die festen Milieus der 70er sich weitgehend bereits aufgelöst hatten, in denen Konservative sich in der Kirche oder dem Schützenverein trafen, die „FAZ“ lasen, das ZDF-Magazin schauten und CDU wählten, während „die Sozen“ sich bei der Arbeiterwohlfahrt oder im Gewerkschaftsheim vergnügten, die „Frankfurter Rundschau“ bevorzugten, „Monitor“ in der ARD sahen und am Wahltag bei der SPD ankreuzten. Auch damals, in den Flower-Power-Jahren meiner Kindheit, waren diese alten Milieus kaum durchlässig – undenkbar etwa, dass Redakteure von der „taz“ zur „Welt“ wechseln würden oder von der „Bild“ zum „Spiegel“, wie es nun üblich ist, da auch CDU und SPD sich „zum Velwechsern“ ähnlich geworden sind.  

Auch heute gibt es diesen Graben – auf der einen Seite die etablierten Medien und Politiker, die dieses Land gerade mit Doppelwumms-Geschwindigkeit gegen die Wand fahren; auf der anderen die jungen oder nicht mehr ganz so jungen Alternativen. Kontakte zwischen den Universen sind strengstens untersagt.

Anders als heute trafen sich die Männer und Frauen (Diverse hatten sich noch nicht erfunden), die Don Camillos und Peppones aus den unterschiedlichen Biotopen der Schlaghosenära abends zur Tupper-Party oder in der Kneipe um die Ecke, man frotzelte sich an, aber man war einander doch verbunden. Das ist lange her. Und 1998 waren wir längst auf dem Weg – und dennoch war es auch vor 24 Jahren noch eine Selbstverständlichkeit, dass nach Gründung des libertären Magazins „eigentümlich frei“ alle überregionalen Zeitungen ohne Bösartigkeit berichteten, sogar die „taz“. In der „Welt“ durfte ich gleich mehrere Gastkommentare verfassen. Die alternativen Meinungen und Medien wurden vielleicht belächelt, aber eben nicht totgeschwiegen oder mit blindem Eifer verdammt und verleumdet. Das kam alles später.

Zur Verdeutlichung: Eines meiner Vorbilder bei der Gründung war das 1998 noch bestehende konservativ-freiheitliche Magazin „Criticón“. Später hatte ich die Gelegenheit, den ungewöhnlich öffentlichkeitsscheuen Gründer und Herausgeber Caspar von Schrenck-Notzing persönlich kennenlernen zu dürfen, ein unvergessener, sehr feiner Mensch. Vor „eigentümlich frei“ gab es kein irgendwie libertäres Medium in Deutschland – viele unserer Autoren schrieben deshalb im für unsere staatskritischen Positionen immer offenen „Criticón“, etwa Roland Baader, Gerd Habermann, Hans-Hermann Hoppe, Guido Hülsmann, Gérard Radnitzky und viele andere. Gleichzeitig gehörten zahlreiche Parlamentarier von CDU und CSU und manche Journalisten aus Mainstreammedien und sogar Staatssendern zu den Stammautoren dieses Debattenmagazins – in dieser Kombination heute undenkbar. Denn die Gräben sind bewusst tief gezogen worden, und wer sich heute noch die Hand darüber reicht, macht sich verdächtig und wird abgestraft, schon der Abschreckung wegen.

Jetzt sind wir Freigeister, Liberalen und Libertären eben wie alle Selbst- und Andersdenkenden nur noch Quacksalber und Querdenker, Spinner, Aluhüte, Putin-Trolle, Nazis – und vor allem „rääächts“ (einer der Treppenwitze der Politgeographie, dass mit den Linken an den Staatströgen die Staatskritik „rechts“ wurde). Dieser blinde Hass eines bei allem offensichtlichen Versagen immer noch nicht abdanken wollenden linken und opportunistischen Establishments mit bereits viel Pipi in der Hose markiert die „alternativlose“ geistige Umgebung Ende 2022, in der auch der „Sandwirt“ bestehen muss und – soweit kenne ich Oliver Gorus – bestehen wird. 

Eine der schwierigsten Aufgaben der immer zahlreicheren bunten Gewächse im Garten der alternativen Medien wird sein, die Verbissenheit, mit der man uns bekämpft, selbst nicht anzunehmen. Nicht untereinander, da dürfen wir uns ohnehin keinesfalls spalten lassen, aber auch nicht gegenüber den Tätern und Mitläufern in Politik und Medien.

Schon einmal konnte ein tiefer gesellschaftlicher Graben überwunden werden. Unter den Konditionen wie damals jedoch dürfen wir uns diesmal nicht kaufen lassen: Denn da übernahmen die Kontrahenten die jeweils schlimmste Position des einstigen Gegenüber, die früher zumindest rudimentär marktwirtschaftlich orientierten Konservativen aus Union oder „FAZ“ übernahmen den Drang zu Dirigismus und Staatswirtschaft von links und die einstmals außenpolitisch und militärisch halbwegs zurückhaltenden Linken in Politik und Medien übernahmen auch noch die altdeutsche Überheblichkeit und Kriegstreiberei von rechts. 

Damit keine Missverständnisse aufkommen: 1998, ja selbst in den 70ern meiner Kindheit war die alte Bundesrepublik kein freies Land, sondern bereits ein mehr als dreiviertelsozialistisches. Schauen wir zurück, so erkennen wir mit Roland Baaders Worten (aus seinem Buch „Das Kapital am Pranger“) „ein Land mit einem staatlichen – sprich: sozialistischen – Rentensystem, mit einem staatlichen Gesundheitswesen, einem staatlichen Bildungswesen, mit staatlich und gewerkschaftlich gefesselten Arbeitsmärkten, einem konfiskatorischen Steuersystem, einer Staatsquote am Sozialprodukt von 50 Prozent, mit einem erheblich regulierten Wohnungsmarkt, einem massiv subventionierten und regulierten Agrarsektor und einer in ein kompliziertes Geflecht zwischen Markt und Staat eingebundenen Energiewirtschaft, mit mindestens hunderttausend Betrieben in kommunalem Eigentum – Camouflage-Wort für Verstaatlichung – und einem staatlichen Papiergeldmonopol, ja sogar mit einem Staatsfernsehen samt Zwangsgebühren. Wir erkennen ein Land, in dem fast 40 Prozent der Bevölkerung ganz oder überwiegend von Staatsleistungen lebt und in welchem das gesamte Leben der Bürger von staatlichen Regelungen überwuchert ist. Wer diesen 80-Prozent-Sozialismus als Kapitalismus bezeichnet, muss mit ideologischer Blindheit geschlagen sein.“ 

Und das ist lange her. Wo stehen wir heute? Bei 90 Prozent Sozialismus? Bei 100 Prozent Wahnwitz und 110 Prozent Irrsinn?

Wenn sich jetzt also die Versager des Establishments und die erfreulicherweise immer zahlreicheren Alternativen unversöhnlich gegenüberstehen, dann kann es inhaltlich keine Kompromisse mit der spätestens seit Corona völlig enthemmten Klasse der Staatsprofiteure, der Culture-Canceler und Kriegswirtschaftler unserer Tage geben. Wir müssen es schlicht anders machen, eben „unser Ding machen“. Und wir sollten unsererseits den Ring der Macht gar nicht erst übernehmen wollen, ihn vielmehr in Tausend Teile zerschellen lassen oder am besten ganz in die vulkanische Tonne schmeißen.

Menschlich aber werden wir irgendwann, wenn wir und nicht die für den Wiederaufbau gebraucht werden, „viel verzeihen müssen“, wie es der Amtsvorgänger eines der unsäglichen Flitzpiepen der BRD-Endzeit schlau vermutete. Bleiben wir also bei aller Gesprächsverweigerung und Verteufelung selbst gegenüber dem Bösen im Namen der Freiheit zwar kompromisslos standhaft, aber immer – sofern wieder gewünscht – fair, gesprächs- und erklärungsbereit. Und vor allem humorvoll. Dann kommen auch wieder bessere Zeiten. 

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4 Kommentare. Leave new

  • Hausammann Monika
    8. November 2022 11:32

    Sehr schöner Artikel. Danke!

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  • Frankthefirst
    8. November 2022 21:33

    Ich beglückwünsche Euch herzlich! 👍👍 Ich freue mich auf mehr so gelungene Artikel. Vielen Dank dafür.

    Antworten
  • Ines Benedict
    9. November 2022 8:27

    Herzlichen Glückwunsch! Ich starte mit diesem klasse formulierten Text gut vorbereitet in den Tag mit der wagen Hoffnung, dass es wirklich noch möglich ist, ein qualitativ hochwertiges journalistisches Medium zu genießen, welches sich nicht in die Unart gegenseitiger Hasstiraden hinein ziehen lässt. Danke 🙏

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  • Spannend, interessant, belebend.
    „Das mit der eigenen Verbissenheit…“ ist nicht ganz so einfach. Dieses neue Magazin und die klugen Artikel helfen. Danke.

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