Ein neuer Angriff auf die deutsche Wirtschaft

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich EU-Parlament, EU-Kommission und Rat der EU am 13. Dezember 2022 in »Trilog«-Verhandlungen darauf verständigt, den von der Kommission vorgeschlagenen CO2-Grenzausgleich in leicht modifizierter Form einzuführen. Hinter diesem harmlos klingenden Namen verbirgt sich ein erneuter Angriff im Namen des Klimaschutzes auf die deutsche Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit. Um was geht es bei diesem CO2-Grenzausgleich?

Was der Grenzausgleich bewirken soll

Bekanntlich hat sich die EU im Rahmen des EU Green Deal von 2019 das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Als Zwischenziel sollen bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent (gegenüber den Emissionen von 1990) gesenkt werden. Um diese im Europäischen Klimaschutzgesetz festgeschriebene Zielvorgabe einzuhalten, hat die Europäische Kommission unter dem Titel »Fit for 55« ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgeschlagen. 

Prominenter Teil dieses Paketes ist die Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems. Mit Hilfe dieses neuen Instruments will die EU künftig der Gefahr des »Carbon Leakage« begegnen. Darunter versteht man die Verlagerung von CO2-Emissionen, »wenn als Folge eines unterschiedlichen Ambitionsniveaus in der Klimapolitik Unternehmen in bestimmten Sektoren und Teilsektoren der Industrie ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Emissionsvorschriften verlagern oder es wegen solcher Unterschiede dazu käme, dass Einfuhren aus solchen Ländern gleichwertige, aber weniger THG-emissionsintensive Erzeugnisse ersetzen«.

Deshalb hat die EU-Kommission ein CO2-Grenzausgleichssystem vorgeschlagen, »dessen übergeordnetes Ziel es ist, dem Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen zu begegnen und den Klimawandel zu bekämpfen, indem die THG-Emissionen in der Union und weltweit gesenkt werden«. 

Nicht erwähnt wird dagegen das Ziel des Erhalts von Arbeitsplätzen und Produktionskapazitäten in der Union, was insofern überrascht, als mit der Verlagerung von Emissionen natürlich immer auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen und Produktionskapazitäten einhergeht. Gleichfalls keine Rolle zu spielen scheint das Ziel der Herstellung von Wettbewerbsneutralität.

Warum das System problematisch ist

Die Grundidee des Vorschlags besteht darin, dass Importeure von außerhalb der EU hergestellten Gütern Emissionszertifikate in der Menge kaufen müssen, die bei der Produktion dieser Güter in der EU hätten gekauft werden müssen: die sogenannten CBAM-Zertifikate (CBAM: Carbon Border Adjustment Mechanism). Der zu zahlende Preis spiegelt den jeweils aktuellen Preis der Zertifikate des Emissionshandelssystems der EU (EU-ETS) wider. Dadurch haben die europäischen Unternehmen keinen klimapolitischen Kostennachteil mehr gegenüber den außereuropäischen Herstellern von Importgütern. 

Das CO2-Grenzausgleichssystem soll am 1. Oktober 2023 eingeführt werden. Zunächst müssen die Importeure nur über die bei der Produktion entstehenden Emissionen Bericht erstatten. Die Pflicht zum Erwerb von Zertifikaten soll schrittweise zwischen 2026 und 2034 eingeführt werden und zunächst nur für besonders emissionsintensive Branchen wie die Eisen- und Stahlerzeugung oder die Zement- und Düngemittelindustrie gelten. In der Folgezeit soll das Grenzausgleichssystem auf weitere Branchen ausgedehnt werden.

Dieses System bringt vor allem drei Probleme mit sich: 

Erstens werden zwar die Importe belastet, aber nicht gleichzeitig die Exporte von den Kosten der europäischen Klimapolitik entlastet. Deswegen kann der Grenzausgleich zwar die Verlagerung der für den europäischen Markt bestimmten Produktion in Drittländer verhindern, aber nicht die Abwanderung der Exportindustrie aus Deutschland und der EU, die weiterhin unter Kostennachteilen auf dem Weltmarkt leiden wird. 

Zweitens besteht ganz erhebliche Zweifel an der WTO-Konformität des CO2-Grenzausgleichs. Vor allem handelspolitische Schwergewichte wie die USA, China oder Japan, daneben auch Länder wie Indien, Australien oder Russland, haben die WTO-Konformität des geplanten Grenzausgleichs bestritten und Widerstand angekündigt. Dieser Widerstand wird sich nicht nur auf Proteste beschränken. Es besteht deshalb die große Gefahr, dass es zu gravierenden Handelskonflikten kommt, die weltweit zu erheblichen Wachstums- und Wohlstandsverlusten führen würden. 

Drittens entstehen durch den Grenzausgleich enorme Kosten für die Erfassung und Kontrolle der Emissionen. Schließlich müssen die produktspezifischen Emissionen ermittelt werden – und zwar sowohl die direkt bei der Produktion anfallenden als auch die indirekten Emissionen (wie sie bei der Produktion von Vorprodukten oder bei der Erzeugung des in der Produktion eingesetzten Stroms entstehen).

Der Hauptgeschädigte: die deutsche Wirtschaft

Es ist besonders die deutsche Wirtschaft, die unter den Folgen des Grenzausgleichs zu leiden haben wird. Denn für Unternehmen in der EU, die importierte Vorprodukte außereuropäischer Hersteller nutzen, wird sich die Produktion verteuern. Dadurch verschlechtert sich deren Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu ihren außereuropäischen Konkurrenten. Um ein Beispiel zu nennen: Europäische Stahlproduzenten werden vom Grenzausgleich profitieren; europäische Autohersteller, die in Europa für den Weltmarkt produzieren, werden unter ihm leiden.

Deutschland wird davon besonders betroffen werden, da nicht nur Warenexporte einen Anteil von 35,8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt haben (2020), sondern von diesen immerhin ungefähr ein Drittel in Länder außerhalb der EU geht und es sich bei den deutschen Exporten überwiegend nicht um Vorprodukte oder Grundstoffe, sondern um Fertigwaren handelt. 

Die größte Gefahr wird aber von den möglichen, ja wahrscheinlichen, Handelskonflikten im Gefolge der Einführung des Grenzausgleichs ausgehen. Von diesen Handelskonflikten wird eine Volkswirtschaft umso stärker betroffen sein, je mehr sie in die Weltwirtschaft integriert und je höher ihr Außenhandelsüberschuss ist. Deutschland mit seinem hohen Offenheitsgrad von 87,8 Prozent (2019), seiner hohen Exportquote und seinen hohen Außenhandelsüberschüssen wird innerhalb der EU der Hauptleidtragende sein.

Das Letzte, was wir brauchen können

Andererseits wird Deutschland der Grenzausgleich nur wenig nutzen. Zieht man die Höhe des Außenhandelsüberschusses als Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit heran, dann ist für die deutsche Volkswirtschaft die Schutzwirkung durch den Grenzausgleich kaum von Bedeutung. Deutschland hat mit weitem Abstand (absolut und relativ zum Bruttoinlandsprodukt) den höchsten Außenhandelsüberschuss aller EU-Mitgliedsländer gegenüber dem Nicht-EU-Raum und kann daher als sehr wettbewerbsfähig gelten.

Vor allem aus deutscher Sicht hätte der CO2-Grenzausgleich deshalb nie eingeführt werden dürfen – besonders nicht in einer Zeit, in der die Wirtschaft ohnehin durch die Folgen des Ukraine-Krieges und eine inflationäre Preisentwicklung belastet wird. Zusätzliche Preissteigerungen, wie sie zwangsläufig aus dem Grenzausgleich resultieren werden, und Handelskonflikte sind das Letzte, was Deutschland und Europa jetzt brauchen können.

Ein Verzicht auf den CO2-Grenzausgleich sollte auch deshalb leichtfallen, weil ein bewährtes Instrument zur Kompensation der durch die Klimapolitik verursachten Kostennachteile europäischer Unternehmen zur Verfügung steht: die teilweise kostenlose Zuteilung von EU-ETS-Zertifikaten, wodurch exportierende Unternehmen von den Kosten der europäischen Klimapolitik entlastet werden. Auf diese Weise konnten Produktionsverlagerungen ins Ausland bislang weitgehend verhindert werden. 

Ungeklärter Zielkonflikt

Hält man an diesem Instrument fest, dann gerät man aber früher oder später in einen Konflikt mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050, welches ja mit kostenlosen Emissionen unvereinbar ist. Deshalb scheint die Umstellung auf den CO2-Grenzausgleich letztlich unausweichlich zu sein. Dies gilt allerdings nur, wenn man das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 akzeptiert. 

Der erwähnte Zielkonflikt sollte deshalb weniger als Argument für die Einführung des CO2-Grenzausgleichs, sondern vielmehr als ein weiterer Grund angesehen werden, die klimapolitischen Pläne der EU kritisch zu hinterfragen.

Insgesamt wird man zu dem Schluss kommen müssen, dass mit dem Grenzausgleichssystem eine weitere Axt an die Wurzeln der Wirtschaftskraft Deutschlands gelegt wird. Einmal mehr wird eine Klimapolitik betrieben, die ökonomisch schädlich ist – und die außerdem aufgrund des geringen Anteils der EU an den weltweiten Treibhausgasemissionen kaum von Nutzen für den Klimaschutz ist. Es bleibt zu hoffen, dass die zu erwartenden Proteste unserer Handelspartner die EU doch noch zum Umdenken bewegen können.

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