Anständige Politiker

In diesen Tagen gab es im Freundeskreis eine heiße Diskussion darüber, wie Politiker sein müssen. Wir waren uns schnell einig, dass sie wissen müssen, wovon sie reden, dass sie Lebens- und Berufserfahrung haben müssen, strategisch und zukunftsorientiert denken sollten. Sie müssen nah bei ihren Wählern sein, klar und einfach kommunizieren und über den Tellerrand schauen. Einer meinte, Politiker müssten visionär sein, aber dem wurde Helmut Schmidts Ausspruch vom dann nötigen Arztbesuch entgegengehalten. Jedenfalls kam im Laufe des Abends eine ganze Reihe von Wünschen zusammen. Wir überboten uns regelrecht. 

„Ein Politiker muss eigentlich nur anständig sein“, warf eine der Frauen ein. Da breitete sich Stille aus. Alle hatten plötzlich Bilder realer Politiker vor sich, noch lebender und bereits vergangener.

„Was heißt denn anständig?“, wollte einer wissen. „Eigentlich ist das doch selbstverständlich, oder nicht?“ Und doch kam bei der Diskussion danach einiges zusammen. 

Zunächst einmal solle er nicht, nur um gewählt zu werden, Dinge versprechen, von denen er bereits weiß, dass er sie nicht erfüllen kann. Der anständige Politiker würde sagen, was nötig ist, um Missstände zu beseitigen oder Ziele zu erreichen, gleichzeitig würde er aber auch auf die damit verbundenen Schwierigkeiten und Grenzen hinweisen. Er würde seinen Wählern in jeder Hinsicht reinen Wein einschenken.

Der anständige Politiker hielte sich an Gesetze, an seinen Eid und an die Verfassung. Er sinnte nicht auf Tricks, um Regeln zu umgehen. Er machte sich nicht der Verletzung von Gesetzen und Vorgaben mitschuldig, indem er ihren Bruch duldet, deckt oder wegschaut. 

Der anständige Politiker würde anständig wirtschaften. Er gäbe nicht mehr Geld aus, als er zur Verfügung hat. Das heißt, er würde klare Prioritäten setzen und offen kommunizieren, was nicht finanzierbar ist. Er widerstünde der Versuchung, Gesetzeslücken zu suchen oder gar zu schaffen, um Dinge zu realisieren, an die er glaubt, nur weil er und seine Parteigänger an sie glauben. Er wäre sich immer bewusst, dass es das Geld seiner Wähler ist, das er ausgibt. Sein Grundsatz wäre, mit anvertrautem Geld sorgsamer umzugehen als mit seinem eigenen.

Der anständige Politiker würde aufrecht bei dem bleiben, was er seinen Wählern versprochen hat. Könnte er mit diesen Versprechen oder wegen anderer Gründe nicht mehr den Anforderungen gerecht werden, die die Entwicklung der Welt an ihn stellten, dann würde er dies seinen Wählern offen kommunizieren, gegebenenfalls die Vertrauensfrage und sich erneut zur Wahl stellen. 

Der anständige Politiker ginge nicht in Talkshows, um sich selbst und seine Herrlichkeit darzustellen. Er verzichtete auf Selbstpräsentation. Er hätte verinnerlicht, dass nicht seine Person, sondern nur das Amt, in das er gewählt wurde, von Bedeutung ist. Auf Fragen antwortete er direkt, ohne auszuweichen und ohne Nebelkerzen zu werfen.

Der anständige Politiker verkaufte sich nicht, weder für Geld noch für öffentliche Anerkennung und erst recht nicht an sein eigenes Ego. Der anständige Politiker ließe sich nicht auf Steuerzahlerkosten wie ein Model stylen und verzichtete auf Fotostrecken. Er wäre bescheiden und nähme sich selbst nicht übermäßig wichtig.

Der anständige Politiker wäre bei Debatten im Bundestag anwesend, nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Er tippte nicht auf seinem Handy herum oder redete mit seinem Nachbarn oder verließe gar den Saal, während ein anderer Politiker redet. Auch wenn er dessen Meinung nicht teilt, hörte er sie sich aus Respekt vor dem von Teilen des Volkes gewählten Kollegen an.

Der anständige Politiker würde nicht lügen und hätte auch keine vorgeschobenen Erinnerungslücken.

Zu guter Letzt würde der anständige Politiker für Fehler einstehen und wenn nötig zurücktreten. 

Als unsere Diskussion an diesen Punkt gekommen war, stellte jemand die Frage, ob einer von uns selbst diesen Ansprüchen genügen würde. Wieder nachdenkliches Schweigen. 

„Also ich sicher nicht“, meinte unser Ältester. „Aber ich bewerbe mich ja auch nicht um so einen Posten. Bei denen, die darum kämpfen, erwarte ich einfach, dass sie den Job können und dass sie ihn anständig machen, dass sie anständig sind. Schließlich müssen wir ihnen vertrauen können. Und viele der Jüngeren eifern ihnen nach.“

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