Auf dem Plattenspieler: Depeche Mode

Künstler: Depeche Mode

Album: Violator (Mute Records, 1990)

„Violator“ ist das siebte und erfolgreichste Studioalbum von Depeche Mode. Die britische Band war zwar zuvor bereits international erfolgreich, die Veröffentlichung dieser Scheibe jedoch, katapultierte sie in noch höhere Sphären. 

Die Platte beschäftigt sich, obwohl schon 1990 erschienen, bereits mit der gesellschaftlichen Entfremdung, die uns heute, mehr als 30 Jahre später, zunehmend zu schaffen macht: In einer selbstgemachten Welt, in der wir zunehmend von endlosen Informationsströmen durch stetig wechselnde Trends in dauerhaft verfügbaren Medien überflutet werden und unser Leben deshalb immer mehr von Konsum und Oberflächlichkeit geprägt ist, scheint es, als ob unser aller Innenleben zunehmend abstumpft. Ich glaube, die tiefere Verbindung zu uns selbst und zueinander geht immer mehr verloren. 

Musikalisch finde ich das Werk insofern äußerst spannend, da es trotz der Inhaltsstärke in den Aussagen der Songs, doch zugänglich für den Mainstream und tanzbar ausproduziert ist. 

„Let me take you on a trip / Around the world and back / And you won’t have to move / You just sit still“, so der Einstieg im Opener „World in My Eyes“. Hier geht es um das Individuum, das sich selbst verloren hat und um eine Gesellschaft, die sich in der endlosen Jagd nach dem jeweils nächsten Reiz, nach mehr und mehr Ablenkung, zu verlieren scheint.

Die bekannteste Nummer der Platte ist „Enjoy the Silence“, welche zunächst als ruhige, melancholische Ballade komponiert wurde. Erst im weiteren Verlauf der Albumproduktion wurde der Track vom Produzenten Alan Wilder schwungvoller und lebendiger gemacht, was es vermutlich erst zu dem Hit machte, der er ist. Die Kernaussage von „Enjoy the Silence“ in einem Satz wäre wohl: Wenn immer mehr geredet, aber immer weniger gesagt wird, liegt der wahre Frieden nicht im Austausch von Worten, sondern im Schweigen. Der Song animiert mich jedes Mal aufs Neue zum Innehalten und Nachdenken – fernab von der Illusion von Bedeutung, die uns die permanente Kommunikation vorgaukelt: „All i ever wanted / All i ever needed is here, in my arms / Words are very unnecessary/ They can only do harm/“

Ein weiteres herausragendes Stück auf „Violator“ ist Depeche Mode’s „Personal Jesus“. Inspiriert wurde Martin Gore, der den Song geschrieben hat, hierbei durch das Buch „Elvis and me“ von Priscilla Presley, in dem Elvis Presley von ihr als eine fast göttliche Figur dargestellt wird – etwas, zu dem insbesondere Heranwachsende bei Vorbildern jeglicher Art tendieren. Dieser Song ist ein metaphorischer Blick auf die Art und Weise, wie wahre Beziehungen und Verbindungen durch oberflächliche Alternativen ersetzt werden. Wo früher beispielsweise ältere Familienmitglieder als Idol dienten, sind es nun die Stars. Mich reizt dieser sarkastische Unterton, in dem sich der Sänger der Band so platt als „das nächste große Ding“ verkauft, weil es fast schon lächerlich paraphrasiert, wie sich die Sternchen seit jeher versuchen zu vermarkten. 

„Policy of Truth“ bringt die Idee der Lüge als gesellschaftliches Konstrukt weiter auf den Punkt: „Never again is what you swore / The time before“ Der Song behandelt, wie politisches und soziales Handeln oft von Lügen und Manipulationen geprägt ist.

Das gesamte Album „Violator“ ist ein düsteres Porträt der modernen Welt und des Menschen, der darin lebt. Depeche Mode bieten uns Hörern mit der Kombination aus elektronischen Klängen, Akustikgitarren, subtil eingesetztem Field Recording (Aufnahmen, die mit Hilfe eines entsprechenden Mikrofons außerhalb des Studios aufgenommen werden, bspw. die Geräusche von Schritten bei „Personal Jesus“), düsteren Melodien und emotional geladenen Texten, einen musikalischen Spiegel der Gesellschaft der späten 80er und frühen 90er Jahre. Aber beeindruckenderweise ist er noch mehr ein Spiegel der heutigen Zeit, in der all die behandelten Themen relevanter sind als je zuvor.

Depeche Modes „Violator“ sorgt bei vielen Hörern, so auch bei mir, regelmäßig zum Drang nach Digital Detoxing. Denn die wahre Entfremdung passiert nicht durch äußere Faktoren – sie beginnt in uns selbst, wenn wir uns von den Illusionen der Welt vereinnahmen lassen. 

Hören Sie hier die Scheibe von Depeche Mode in voller Länge.

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