Auf dem Plattenspieler: Good Times

Künstler: Kool & the Gang

Album: Good Times (De-lite Records 1972)

Heute möchte ich gerne eine Lanze für viele Bands der Musikgeschichte brechen, die unter den klassischen „Kommerz-Vorwürfen“ leiden. Immer wieder wurden und werden Künstler oder Bands von Medien oder Konsumenten dafür verurteilt, Musik absichtlich besonders charttauglich zu komponieren und zu produzieren, nur um dann ordentlich abzusahnen. Also in erster Linie aus Liebe zum Geld, nicht aus Liebe zur Musik. Geschehen vor allem seit den 80ern, die den Begriff „Popmusik“ geprägt haben, was ja nichts anderes als „populäre“, also erfolgreiche Musik bedeutet. 

Es geht also um Kredibilität, um Ansehen, um Anerkennung. Und ich erinnere mich gut, dass wir in den 80ern schon oft Debatten geführt haben, ob eine Band jetzt ihre Wurzeln für den Erfolg über den Haufen geworfen hat oder ob es sich bei einer Platte um eine natürliche Weiterentwicklung handelte. Erfolgreich, weil auf Erfolg getrimmt, oder weil es einfach hervorragende Musik war. 

Beispiele fallen mir da genügend ein und zwar für beide Varianten: Pink Floyds „The Wall“ wurde immer wieder diskutiert. War es ein Meisterwerk oder ist die Band von ihrer Route Richtung Kommerz abgebogen? Earth Wind and Fire, Frank Zappa, Cameo, Kraftwerk, Scorpions, David Bowie, The Police, um nur einige diskutierte Künstler zu nennen. Auch die Band die heute auf dem Plattenspieler liegt, gehört zu den in dieser Hinsicht umstrittenen Künstlern: Kool & the Gang!

Ich bin mir sicher, die allermeisten kennen die Gruppe vor allem aus den 80er Jahren, als sie mit Hits wie „Cherish“, „Ladies’ Night“, „Get Down on It“, „Celebration“ oder dem Album „Emergency“ weltweite Charthits hatten. Viele haben Kool & the Gang deshalb auch als Kommerz-Act abgehakt. 

Ich gucke mir gerade bei solchen Künstlern gerne deren Geschichte an, denn dadurch bekomme ich gleich ein ganz anderes Bild der Gruppe. Kool & the Gang gibt es schon seit den 60er Jahren, genauer gesagt seit 1964 in ihrer ersten Version. Damals hießen sie noch Jazziacs, wurden von den 14-jährigen Brüdern Robert und Ronald Bell an der Lincoln High School in New Jersey in den USA gegründet und klangen auch, wie der Bandname sagt: sehr jazzig. 

Ab 1969 nannte die Gruppe sich dann „Kool & the Gang“, frei nach Robert Bells Spitznamen „Kool“. Im Laufe der Jahre wurde der Einfluss von Funk und Soul, in den späten 70ern dann auch von Disco, immer größer. Sie waren aber nicht erst seit den 80ern erfolgreich, Kool & the Gang schafften es 25 mal eine Single in den Top Ten zu platzieren und erhielten 31 Gold- und Platin-Ehrungen für ihre Alben sowie 1985 sogar Doppelplatin für die eingangs erwähnte, super erfolgreiche Langspielplatte „Emergency“.

Heute habe ich ihr zweites Studioalbum „Good Times“ auf dem Teller, für mich eines der schönsten Werke der Gang, denn hier hört man zum Einen noch sehr gut den großen Einfluss, den der Jazz auf die Mitglieder hatte, und zum Anderen bereits die extrem groovigen und funkigen Elemente, die typisch für die frühen 70er Jahre waren. 

Tolle Songs, die man später zum Teil in erfolgreichen Hip-Hop-Songs wiedergefunden hat, denn auch Kool & the Gang gehören zu den viel zitierten und gesampelten Acts der 70er Jahre. „North, East, South, West“ und der Titelsong „Good Times“ sind bei mir besonders hängen geblieben.

Nimmt man sich gar die Zeit und hört alle 24 Alben der Gang von 1969 bis 1984 durch, erkennt man eindeutig einen roten Faden der Entwicklung. Erst nahm der jazzige Anteil kontinuierlich ab und Soul und Funk immer weiter zu, bis dann Ende der 70er auch die Discomusik mehr und mehr an Einfluss gewann. Den Wandel hin zur Discoband hatten zu der Zeit übrigens sehr viele Künstler vollzogen, weil Disco damals einfach geil und neu war und zum wichtigen Stil in Clubs und auf Parties wurde. Jeder wollte dort stattfinden, ob auf der Bühne oder eben via Schallplatte und DJ. 

Ich finde, dies ist eine natürliche Entwicklung, zumeist ohne primär kommerzielle Motivation. Natürlich gab es auch Acts, denen es in erster Linie um den Rubel ging, aber die meisten Künstler haben einfach in Sachen Musikgeschmack, Songwriting, Sounddesign, Charakter und Persönlichkeit über so viele Jahre eine Entwicklung mitgemacht, die sich dann ab einem Punkt eben auch etwas kommerzieller, oder besser gesagt ausgereifter anhörte. 

Hinzu kommt: Musik ist immer auch Geschmacksache und nicht jeder Hit ist erfolgreich geworden, weil poppig produziert, sondern oft einfach, weil es ein toller Song war.

Entscheiden Sie selbst und vergleichen Sie „Good Times“ aus dem Jahr 1972 mit den späteren Werken von Kool & the Gang.

Hören Sie auf YouTube Music das Album „Good Times“ in voller Länge.

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1 Kommentar. Leave new

  • Gert Friederichs
    8. Juli 2024 21:02

    Ich bin per L.Armstrong zum jazz gekommen und in dessen Verwinklungen, aber nie da raus.
    habe versucht, nach den gelungenen Anpreisungen „Good Times“ positiv aufzunehmen, ist mir nicht gelungen. Mea culpa, ich bin halt nicht musikdivers.
    Von den Popsongs hat mich bisher richtig überzeugt nur „Hotel California“ und das musikalisch und durch die Message. LG frifix.

    Antworten

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