Auf dem Plattenspieler: Kurtis Blow 

Künstler: Kurtis Blow

Album: Kurtis Blow (Mercury, 1980)

Ich war gerade einmal zarte 15 Jahre alt, als ich durch einen Zufall dieses legendäre Album von Kurtis Blow in die Hände bekam. Es sollte mein Leben nachhaltig beeinflussen und mich musikalisch in eine neue Richtung, in ein neues Jahrzehnt, vielleicht in DAS musikalische Jahrzehnt überhaupt, die 80er Jahre, leiten. 

Das muss 1982 oder 83 gewesen sein, ich hatte Sommerferien und war mit meinem besten Freund, mit dem ich die Leidenschaft des schwarzen Goldes und des DJings bereits früh entdeckt hatte, mit Zug, Zelt und Rucksack unterwegs durch Bayern. München war eines unserer wichtigsten Ziele, denn wir wollten unbedingt in den Schallplattensupermarkt WOM, also World Of Music. 

Das war schon etwas ganz besonderes für uns, denn wir lebten damals auf dem Land, weit weg von Plattenläden, Clubs oder DJ-Equipment-Shops. Zu diesem Zeitpunkt hörten wir beide noch vorwiegend Rock- und Chartmusik von Pink Floyd bis Deep Purple oder Queen. Michael Jackson, Prince oder die frühen 80er Hits von Earth Wind and Fire waren bis dato die ersten Berührungspunkte mit Funk, Soul oder Discomusik. Bei WOM, mittlerweile natürlich vom Erdboden verschwunden, gab es damals noch professionelle Platten-Anspieler. Also Personal, dem die Kunden die Platte am Anhörtresen in die Hand drücken konnten, damit diese für den potentiellen Käufer aufgelegt wurden und mit Kopfhörern gehört werden konnten. Sinn der Sache war es natürlich, daß die tollpatschigen Kunden die Platte nicht kaputt machten.

Genau an diesem Tresen stand ich, zog mir gerade ein Album von den Stones rein, als ich die Kurtis-Blow-Scheibe entdeckte und am Tresen fragte, was das genau sei: Der Anspieler beschrieb die Platte als neuen Musikstil aus New York, der seit wenigen Jahren im Kommen ist. Kurz rein gehört, sofort eingepackt und seither nicht mehr weg zu denken aus meiner Sammlung: Kurtis Blow mit dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 1980.

„Rap“ oder gar „Hip Hop“ waren Begriffe, die sich damals, Anfang der 80er, noch nicht etabliert hatten, das war für die Meisten noch Neuland. Ich hatte zwar schon ein paar wenige Platten, wie Grandmaster Flash oder Whodini, gehört, aber als Genre war diese Form der Partymusik aus Big Apple noch nicht bekannt.

Das Debütalbum von Kurtis Blow kam zu einer Zeit, als die ersten Blockparties in NY organisiert wurden, zumeist in den ärmeren, schwarzen Stadtteilen wie Harlem oder der Bronx. DJs legten Funk- und Discoplatten auf und die ersten MCs nutzten das Mikro, um auf den Instrumentalparts das Partyvolk zu animieren mitzusingen, zu tanzen und Spaß zu haben. Immer öfter nutzen sie dabei auch Zeilen in Reimform oder eingängige Zeilen zum mitsingen. Daraus entwickelte sich, neben anderen Einflüssen, wie der Jazz Poetry der 70er, in den folgenden Jahren der Rap. 

Übrigens bezeichnet man die Art des Sprechgesangs als Rap, während der Begriff Hip Hop für die Kultur dahinter steht, für den Way of Life. Dazu gehören neben Rap die drei weiteren Säulen bzw. Elemente des Hip Hop: Breakdance, Graffiti und, nicht zu vergessen, das DJing.

Aber ich schweife ab. Warum ist dieses Album von Kurtis Blow so legendär? Da gibt es ganz viele unterschiedliche Gründe: 

Zum einen weil Kurtis Blow, geboren 1959 in Harlem, damals schon einen typischen Weg des Hip Hop gegangen ist, zu einer Zeit, als es Hip Hop in dem Sinne eigentlich noch garnicht gab. Mitte der 70er Jahre startete er als Tänzer durch, als B-Boy, also als Breakdancer. Parallel dazu übte er sich auch bereits als DJ, worüber er dann schlussendlich zum Sprechgesang kam. Er rockte diverse Clubs und Block-Parties in New York und übernahm nebenbei am College die Uni-Radiostation. Dort legte er regelmäßig auf und moderierte auch selber. So machte er seine ersten Schritte als Rapper. Später versuchte er sich dann sogar noch als Produzent, und das auch noch sehr erfolgreich. Er produzierte u. A. für Run DMC und die Fat Boys.

Ein weiterer Grund für den Legendenstatus: „Kurtis Blow“ war das erste Rap-Album, das auf einem Majorlabel veröffentlicht wurde und somit als wichtiger Meilenstein gilt. Ein Werk, das Hip Hop erstmals einem großen Publikum zugänglich gemacht hat und somit einen großen Anteil an der schnellen Verbreitung des Rap-Virus in den 80ern hatte. Dazu kommt, dass sein Hit „The Breaks“ zusammen mit dem Evergreen „Rappers Delight“ von der Sugarhill Gang die ersten großen Charthits dieses noch sehr jungen Genres waren.

Der dritte und für mich entscheidende Grund ist aber die Musik selbst. Den Sound könnte man als Diskofunk mit P-Funk Anleihen bezeichnen, irgendwo zwischen Parliament und Chic. In den 80ern wurde Kurtis Blow deshalb auch gerne in die „Go Go“ Schublade kategorisiert, wozu die Bands mit dem perkussiven, rollenden modernen Funk gehören. Hier seien Trouble Funk und Chuck Brown als bekannteste Vertreter genannt. 

Die Beats grooven extrem, wirken positiv, energetisch und flott, und sie klingen sehr verspielt durch die viele Percussion in Kombination mit den fetten Basslines. Die Musik geht mit Garantie sofort ins Blut und lässt den Gliedern dabei keine Chance ruhig zu bleiben. Auf diesem groovigen Soundteppich tobt sich Kurtis Blow dann am Mikro aus und bewirft den Hörer mit vielen schnellen, sich reimenden Worten. Der Rap klingt dabei immer melodiös und funky, eben die Frühform des Raps. Man fühlt sich beim Genuss des Albums durch die Stimmung fast wie auf eine Party gebeamt, wobei die Texte nicht ausschliesslich partytauglich sind, auch schon auf seinem Debütalbum sind sozialkritische und andere Themen zu vernehmen.

Ein letzter Grund sollte hier nicht unerwähnt bleiben, warum „Kurtis Blow“ den Legendenstatus errungen hat. Bis heute wird das Album immer wieder zitiert oder gesampelt, und zwar beides, die Musik und die Lyrics. Zum Beispiel: “Clap your hands everybody if you got what it takes, ‚cause I’m Kurtis Blow and I want you to know that these are the breaks!“ – Ein berühmtes Statement zu Beginn des Songs, das viele schon gehört haben, ob von Kurtis Blow oder später dann als Zitat von KRS1 und anderen, um nur ein Beispiel zu nennen. Über 130 mal wurden Teile dieses Albums in neueren Produktionen genutzt, was dem Album den Ritterschlag im Hip Hop verpasst hat.

Bis heute bleibt das Erstlingswerk von Kurtis Blow ein Meilenstein der Musikgeschichte, denn durch seine Musikalität, seine Vielseitigkeit und der frühen melodiösen Form des Raps muss man kein Hip-Hop-Fan sein, um sich für diese Scheibe zu begeistern!

Hören und genießen Sie hier das komplette gleichnamige Album von Kurtis Blow aus dem Jahr 1980 auf YouTube.

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