Künstler: Linkin Park
Album: Meteora (Warner Brothers Records, 2003)
Seit dem tragischen Verlust ihres Frontmanns Chester Bennington im Jahr 2017 schien die US-Band Linkin Park in eine ungewisse Zukunft zu blicken. Sie war eine der einflussreichsten Bands der 2000er-Jahre und stand mehr als ein Jahrzehnt lang im Mittelpunkt des mainstreamigen Alternativ-Rocks. Doch Bennington war nicht nur die Stimme, sondern auch die Seele der Gruppe – seine intensive, authentische Performance machte Linkin Park so einzigartig und unvergesslich. Ohne ihn also, schien es nicht weitergehen zu können.
Im September 2024 aber, überraschte Linkin Park die Musikwelt mit ihrem Comeback. Mit Emily Armstrong, bekannt als Mitglied der Band Dead Sara, präsentierten sie ihre neue Frontfrau – eine Entscheidung, die die Fangemeinde spaltete. Aber Linkin Park ist damit wieder im Spiel. Grund genug, zurückzuschauen und mit „Meteora“ eines der prägendsten Alben dieser Band auf den Plattenspieler zu legen.
„Meteora“ ist das zweite Studioalbum von Linkin Park, welches sie im Jahr 2003 auf den Markt brachten. Es ist das Werk einer Band, die ihr Handwerk perfektionierte: Die nahtlose Integration von Benningtons vielfältigem und emotionalem Stimmeinsatz, Mike Shinodas Rap-Verses, den druckvollen Gitarren von Brad Delson und den elektronischen Elementen von Joe Hahn zeigt, wie harmonisch Linkin Park als Kollektiv funktionierte. Textlich wirkt die Platte wie eine Art Tagebuch voller emotionaler Kämpfe und introspektiver Momente, was die ungewöhnlich große emotionale Resonanz ihrer Fans mit genau dieser Platte erklärt. Linkin Park sprachen das aus, was viele ebenfalls empfinden, sich aber nicht auszusprechen trauen.
Die Band ließ sich für den Albumtitel von einer beeindruckenden Klosteranlage in Griechenland inspirieren, die hoch auf Felsen thront. Dieser symbolische Bezug spiegelt nämlich die Themen des Albums wider: Höhen und Tiefen des Lebens, das Streben nach etwas Höherem und die Unbeständigkeit und Zerissenheit der inneren Welt.
Das Herzstück von „Meteora“ ist der Song „Numb“, einer der markantesten und bewegendsten Tracks der Band überhaupt – und der Grund, weshalb ich mich damals überhaupt tiefergehend mit der Band befasst habe. Der Text handelt von dem inneren Konflikt, wenn man den Drang verspürt, man selbst zu sein, aber gleichzeitig das Gefühl hat, dass alles, was man tut, nicht genug ist:
I’ve become so numb
I can’t feel you there
I′ve become so tired
So much more aware
I′m becoming this
All I want to do
Is be more like me
And be less like you
Chester Bennington schafft es, dieses Gefühl der Ohnmacht und Frustration zu kanalisieren und, gerade durch seinen druckvollen Stimmeinsatz, für Sie als Hörer spürbar zu machen – den Moment, in dem man selbst nicht mehr weiß, wie man sich selbst treu bleiben soll.
Die Worte sind durchdrungen von Resignation auf der einen und Kampfgeist auf der anderen Seite – diese Mischung zieht sich wie ein roter Faden durch „Meteora“.
Der Titel „Breaking the Habit“ handelt von dem verzweifelten Versuch, sich von gewohnten, toxischen Verhaltensmustern zu befreien. Bennington verarbeitete in diesem Song seine Suchtprobleme. Es ist aber allgemein eine eindrucksvolle Darstellung des inneren Krieges, den viele Menschen führen:
I don′t know what′s worth fighting for
Or why I have to scream
I don’t know why I instigate
And say what I don′t mean
I don’t know how I got this way
I know it′s not alright
So I’m breaking the habit
Die emotionale Schwere dieses Songs wird durch die zarte, fast verzweifelte Melodie noch verstärkt. Auch mit seiner Mischung aus elektronischen Klängen und intensiven Gitarrenriffs wird das Thema der inneren Zerrissenheit noch greifbarer gemacht.
„Faint“ wiederum ist, was das Instrumental angeht, das genaue Gegenteil – ein Song, der in seiner Intensität nur so vor Energie strotzt. Die schnelle, aggressive Instrumentierung und der treibende Beat symbolisieren einen unbrechbaren Kampfgeist und den Drang, gegen die Welt zu kämpfen. Es ist ein Song, der dem Hörer erlaubt, seine eigenen Wutgefühle in Musik zu übersetzen und sie in einer kathartischen Explosion von Energie abzubauen.
„Somewhere I Belong“, die erste Singleauskopplung von „Meteora“, verkörpert nicht nur das musikalische, sondern auch das kreative Wachstum der Band. Es ist der Versuch, zwischen den Erwartungen ihrer Fans nach ihrem ersten Hit-Album und ihrem eigenen Bedürfnis nach künstlerischer Weiterentwicklung zu balancieren. In mehreren frühen Versionen des Albums war die Nummer noch mit einer ganz anderen Melodie und Struktur versehen. Tatsächlich wurde sie im Laufe des Prozesses fast vollständig neu arrangiert und bekam erst durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Mike Shinoda und Chester Bennington seine endgültige Form. Bennington, der in dem Song eine zentrale emotionale Rolle spielt, brachte viel von seinen eigenen persönlichen Erfahrungen in den Text. Es war das erste Mal, dass die beiden sich in intensiver Zusammenarbeit mit den Lyrics beschäftigten, da zuvor fast ausschließlich Shinoda das Songwriting übernommen hatte. Aufgrund des Erfolges der Nummer, behielten sich die beiden Bandmitglieder dieses Vorgehen seither auch bei späteren Werken bei.
„Meteora“ zeigt auch den Widerstand und das Streben nach Veränderung. Es ist ein Album, das nicht vor der Dunkelheit zurückschreckt, sondern sie in all ihren Facetten zeigt – und trotzdem das symbolische „Licht am Ende des Tunnels“ in Erinnerung ruft. Jeder Song auf diesem Album ist ein Stück einer größeren Erzählung über Selbstfindung, Verzweiflung und den Drang, stetig gegen sich selbst und die Welt zu kämpfen. Und gerade deshalb bleibt „Meteora“ für viele auch nach über 20 Jahren ein zutiefst relevanter und emotionaler Begleiter.
Hören Sie hier auf Youtube das vollständige Album „Meteora“ von Linkin Park.