Auf dem Plattenspieler: Nirvana

Künstler: Nirvana

Album: Nevermind (DGC Records, 1991)

Es gibt Alben, die ganze Generationen definieren. Nirvanas „Nevermind“ aus dem Jahr 1991 ist zweifelsfrei ein solches. Als die Band um Kurt Cobain, Krist Novoselic und Dave Grohl mit ihrem zweiten Studioalbum die Bühne betrat, ahnte niemand, dass sie die gesamte Popkultur der 90er Jahre auf den Kopf stellen würden. Mit einem Schlag katapultierten sie Grunge in den Mainstream und machten Seattle zum Epizentrum der musikalischen Welt. „Nevermind“ ist mehr als nur ein Album – es ist das Symbol einer Jugend, die sich von den glatten Oberflächen des Mainstreams abwenden und stattdessen die rauen, ungeschönten Wahrheiten des Lebens umarmen wollte. 

Auch ich fühlte den besonderen Vibe der Platte, selbst als ich sie zwei Jahrzehnte nach Veröffentlichung erst für mich entdeckte. Zuvor hörte ich größtenteils Hip-Hop, oder Bands wie Rage Against the Machine, bei denen viel Rap-Einfluss herauszuhören war. Doch durch Nirvana änderte sich dies nachhaltig: „Nevermind“ war mein Eintrittsticket in das, was die Musikwelt noch alles zu bieten hat.

Mit dem Opener „Smells Like Teen Spirit“ gelang Nirvana ein Song, der wie ein Donnerschlag durch die Charts ging und zum Hymnus einer ganzen Generation wurde. Unfassbar, dass Kurt Cobain den Song selber gar nicht mochte und sich nur aufgrund des Drucks von DGC Records überreden ließ, ihn überhaupt auf der Platte zu platzieren! 

Die Kombination aus verzerrten Gitarrenriffs, einem unvergesslichen Refrain und Cobains rauer, emotional aufgeladener Stimme machte den Song zum Inbegriff des Grunge-Sounds. Es ist dieser Mix aus roher Energie und Melancholie, der „Smells Like Teen Spirit“ so besonders macht. Der Song wurde nicht nur zum Hit, sondern auch zum Inbegriff des Aufbegehrens gegen die hohle Konsumkultur, die so viele junge Menschen in den 90ern als unerträglich empfanden.

Die Produktion von Butch Vig sorgte dafür, dass der rohe Sound der Band perfekt eingefangen wurde, ohne die Kanten abzuschleifen. Im Gegensatz zu den überproduzierten Rockalben der späten 80er klang „Nevermind“ authentisch, kompromisslos und „dreckig“. Das Album bewegt sich mühelos zwischen aggressiven Tracks wie „Territorial Pissings“ und introspektiveren Momenten wie „Polly“, einem düsteren Song, der auf einer wahren Geschichte über Entführung und Missbrauch basiert. Hier zeigt sich Cobains Fähigkeit, menschliche Abgründe in seine Musik zu weben und dabei eine emotionale Tiefe zu erreichen, die die Zuhörer nicht nur unterhält, sondern bewegt.

Auch „Come as You Are“ sticht heraus – ein Track, der mit seinem unverwechselbaren Gitarrenriff und dem eingängigen Refrain zu einem weiteren Klassiker avancierte. Es ist ein Song über Authentizität, über das Sich-selbst-akzeptieren und über das ständige Hinterfragen der eigenen Identität. Genau diese Themen machten „Nevermind“ zu einem zeitlosen Album. Cobain verstand es, die Unsicherheiten und Widersprüche des Lebens so zu verpacken, dass sich Millionen darin wiederfanden.

Eines der eindrucksvollsten Stücke auf „Nevermind“ ist „Lithium“ – ein Song, der Cobains Kampf mit Depression und innerer Zerrissenheit widerspiegelt. Der Text ist ein Wechselspiel zwischen Euphorie und Absturz, zwischen Glauben und Verzweiflung: „ I’m so happy ‚cause today I found my friends – they’re in my head. I’m so ugly, that’s okay, ‚cause so are you. Broke our mirrors.“ 

Es ist dieser ständige Wechsel zwischen Extremen, der das Album so intensiv macht. Nirvana schafften es, die rohen Emotionen ihrer Zeit in Songs zu gießen, die sowohl komplex, als auch zugänglich sind. Die Melodien sind eingängig, aber immer in einem Hauch von Dunkelheit getaucht.

„In Bloom“ und „Breed“ sind weitere kraftvolle Beispiele dafür, wie Nirvana den Grunge-Sound definierten: Laut, ungeschliffen und voller Energie. Die Gitarren sind roh, die Drums donnern, und Cobains unverwechselbare Stimme schneidet durch den Mix wie ein Messer. Diese Songs sind nicht einfach nur musikalische Werke; sie sind „Katharsis“. Sie sind ein Ventil für den Frust, die Wut und die Verzweiflung, die viele empfanden und bis heute empfinden.

Während andere Bands der Zeit sich in überzogenen Bühnenauftritten und Glamour verloren, blieben Nirvana immer auf dem Boden und präsentierten sich ungeschönt. Ihre Musik war nicht dafür gemacht, um zu gefallen – sie war ehrlich, manchmal schmerzhaft ehrlich, und das machte sie so unwiderstehlich. 

„Nevermind“ ist in vielerlei Hinsicht ein Anti-Album; ein Werk, das keinen roten Faden hat, den gängigen Erwartungen an Rockmusik nicht entsprechen wollte und zeigte, dass es in der Musik um mehr gehen kann als nur um Entertainment – es kann ein Ausdruck der eigenen Zerbrochenheit, der eigenen Suche und der eigenen Hoffnungen sein.

Als das Album schließlich den ersten Platz der Billboard-Charts erreichte und sich weltweit über 30 Millionen Mal verkaufte, war klar, dass Nirvana einen Nerv getroffen hatten. Sie hatten es geschafft, die Unzufriedenheit einer ganzen Generation in Musik zu verwandeln – eine Leistung, die nur wenigen Künstlern gelingt. Kurt Cobain, dem nichts an seiner Bekanntheit lag, wurde ungewollt zur Stimme einer Jugend, die sich in einer sich ständig verändernden Welt verloren fühlte und in „Nevermind“ ein Stück Heimat fand.

Ein Album, das bleibt – als Mahnmal für Authentizität, als Hymne des Aufbegehrens und als Beweis dafür, dass Musik die Macht hat, Menschen wirklich zu berühren. 

Auch, wenn es bei einem Album dieses Kalibers schwer ist Songs herauszuheben, sollten Sie meiner Meinung nach folgende drei Songs unbedingt hören, wenn Sie sich einen Eindruck in das Phänomen des Einflusses von Nirvana auf die Musikgeschichte machen wollen:

„Smells like Teen Spirit“

„Come as You are“

„Something in the way“

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