Künstler: Pixies
Album: Doolittle (4AD, 1989)
Manche Menschen haben ein Händchen dafür, sich selbst das Leben schwer zu machen und sich dadurch besserer Optionen zu berauben. Das kennen wir aus der Politik genauso wie aus dem privaten Umfeld oder gar von uns selbst. Auch in der Musik ist es ein Phänomen, dass sich Bands ihre Karriere selbst ruinieren, obwohl sie riesiges Potential hatten, ganz groß raus zu kommen.
Ein Paradebeispiel dafür sind die Pixies, eine Rockband aus Boston, Massachusetts, benannt nach einem englischen Fabelwesen. Wieviel Talent in dieser 1986 gegründeten Gruppe steckt, hören Sie am besten auf dem Album „Doolittle“ aus dem Jahr 1989, das sich heute auf dem Plattenspieler des Sandwirts dreht.
Gegründet wurden die Pixies von Black Francis und Joey Santiago, die sich an der Uni von Boston kennen gelernt hatten. Für die Bandgründung machten sie ein regelrechtes Casting, um die noch fehlenden Instrumente zu besetzen. Grundvoraussetzung, um zur Gruppe stoßen zu dürfen, war es, sowohl auf die Musik von Hüsker Dü als auch von Peter, Paul and Mary zu stehen. Also Hardcore-Punk genauso wie Folk-Musik, was bereits sehr viel über die Sound-Philosophie der Pixies verrät: Dreckige Gitarren, klare, groovende und punkige Basslines, aber dann eben auch ausgeklügeltes Songwriting, klare Arrangements und schöne Harmonien mit hellen, fast schon poppigen Momenten à la B52´s.
„Doolittle“ taucht den Hörer in ein Wechselbad der Gefühle, mit ständigem Kontrast zwischen schönen, tiefgehenden, sowie dreckig rockenden Songs – dabei befindet sich kein einziger nur mäßiger Titel auf der Scheibe. Alle zusammen wirken auf dem Album total stimmig, wie aus einem Guss.
Die Vielfalt der musikalischen Einflüsse, die den Pixies-Sound ausmachen, ist auch der Hauptgrund, warum mich dieses Ausnahmealbum auch nach 35 Jahren noch emotional erreicht. Ich bin als Musikkonsument, als Produzent und auch als DJ immer schon eklektisch gepolt gewesen, ich liebe viele Genres: Soul, Funk, Hip Hop, Jazz, Rock, Reggae, Ska, Drum & Bass, Trip Hop, Acid Jazz, House und noch viel mehr. Ich kann mir aus allen Genres immer etwas Gutes entnehmen oder daraus wieder etwas Neues kombinieren. So wie die Pixies es mit Folk, Punk, Pop und Rock gemacht haben.
In den 80ern war das neu, eine einmalige Mixtur, die später unter dem Namen Grunge, Indie- und Alternative Rock lief. Die Pixies wurden später gar als Begründer oder wichtigster Einfluss des Grunge bezeichnet, die viele Künstler wie Radiohead, Nirvana oder The Cardigans beeinflusst hatten. In einem Interview mit dem Rolling Stone sagte Kurt Cobain sogar, sein größter Hit „Smells Like Teen Spirit“ war der Versuch, einen Song à la Pixies zu schreiben.
Jetzt fragen Sie sich sicher, warum ich die Band anfangs als Paradebeispiel für selbstzerstörte Karrieren nannte. Als ich sie das erste Mal gehört hatte, ging ich davon aus, dass die Pixies der ganz große Wurf der 90er werden würden, spätestens nach „Doolittle“. Dabei handelte es sich bereits um den dritten Longplayer der Band, ausgereifter, etwas weniger roh, und was das Songwriting angeht, einfach eine höhere Liga als die Vorgänger. Auch kommerziell war „Doolittle“ ein großer Schritt nach vorne. Das Album und zwei der Singleauskopplungen schafften es in England erstmals in die Top Ten. Es war also alles angerichtet für eine große Karriere.
Aber just in dieser Phase, als man hätte direkt gemeinsam das nächste Album produzieren sollen, vermehrten sich die Konflikte zwischen den Bandmitgliedern. Zum einen wollten einige jetzt erst mal eine Auszeit, um ihre Solokarriere oder andere Bandprojekte anzuschieben. Zum anderen brach ein Streit darüber aus, wer auf dem nächsten Album die Songs schreiben sollte: Black Francis erhöhte den Druck auf den Rest, sich aus dem Songwriting heraus zu halten, er wollte in Zukunft die Songs alleine schreiben. So geschehen auf dem immer noch recht erfolgreichen Nachfolger „Bossanova“, der meiner Meinung nach aber nicht mehr ganz an die Qualität von „Doolittle“ anschließen konnte.
1991 spielten die Pixies dann noch eine Tour im Vorprogramm von U2 und beschlossen im Anschluss eine längere Pause zu machen, um sich auf die Soloprojekte zu konzentrieren. Das kam aus meiner Sicht viel zu früh und war auch zugleich das Ende einer Karriere, die legendär hätte werden können.
Die Auflösung selbst war ein Jammer. 1993 gab Black Francis in einem Interview einfach das Ende bekannt, ohne es zuvor mit dem Rest der Band abgesprochen zu haben. Darauf hin gingen die Musiker mehr oder weniger erfolgreich ihren Soloprojekten nach. Eine Ära, die eben erst begonnen hatte, war bereits zu Ende.
2004 gab es zwar noch eine Wiedervereinigung für eine Tournee, allerdings ohne neues Material, aber das führte bereits zum nächsten Streit, in dessen Folge Kim Deel die Band verließ und ersetzt werden musste. Alles, was im Anschluss noch versucht wurde, konnte nicht mehr annähernd an die Qualität und Erfolge der frühen 90er anknüpfen.
Und dennoch ist es schön, dass die Pixies uns dieses großartige Werk geschenkt haben, ein fast schon zeitloses Meisterwerk.
1 Kommentar. Leave new
doolittle ist ein klassiker, bossanova hatte einige tolle tracks, aber mein persönliches lieblingsalbum war und ist trompe le monde, das ich auch heute öfters und lieber höre als doolittle, das ich mir offenbar überhört habe. ich habe sie vor ein paar jahren live gesehen und war nicht sehr beeindruckt. als aktuelle liveband sind the stranglers eine andere liga und btingen auch neue, relevante musik, was nach 50! jahren erstaunlich ist.