Künstler: Roy Ayers Ubiquity
Song: Everybody Loves The Sunshine (Polydor, 1976)
Ein trauriger Tag für alle Fans des Jazz-Funk! Diese Woche ist Roy Ayers, der Meister des Vibraphons, von uns gegangen. Er verstarb im Alter von 84 Jahren an den Folgen einer langen Krankheit. Roy Ayers stand wie kaum ein anderer Musiker für freie Entfaltung und Freiheit in der Musik, war über Jahrzehnte international präsent und machte sich durch sein umfangreiches Werk und seinen stetigen Einfluss auf neuere Genres zur Legende.
Er war umtriebig, vielseitig, ohne Scheuklappen – und das nicht nur als Vibraphonist, sondern auch als Livemusiker, Arrangeur, Songwriter, Komponist und Produzent. „Everybody Loves The Sunshine” aus dem Jahr 1976 ist wohl der Song, der den meisten Musikliebhabern beim Namen Roy Ayers sofort ins Gedächtnis kommt, er wurde zu einer Hymne des Sommers und steht sinnbildlich für Ayers‘ Fähigkeit, Gefühle von Freiheit und Leichtigkeit in Musik zu verwandeln.
Doch fangen wir vorne an. Roy Ayers, 1940 in Los Angeles geboren, wurde bereits als Kind mit Musik konfrontiert, denn beide Eltern waren selbst Musiker. Allerdings brauchte es für Roy erst einige Anläufe über Piano, Trompete, Flöte und Gitarre, bis er das Vibraphon für sich entdeckte. Auslöser war ein Konzert des berühmten Vibraphonisten Lionel Hampton, zu dem er als Kind von seinen Eltern geschleppt wurde. Er war vom Sound und der Virtuosität des Musikers so begeistert, dass er alle Instrumente zur Seite legte und von nun an die Klöppel in die Hand nahm. Der Legende nach bekam er sogar sein erstes Vibraphon von genau diesem Lionel Hampton geschenkt. Später studierte er dann Musiktheorie in Los Angeles und machte sich nebenbei bereits einen Namen als Jazzmusiker in der pulsierenden West Coast Jazz-Szene.
1963 startete er auch direkt mit den ersten Plattenaufnahmen durch. Nach einem Feature auf einem Jack-Wilson-Album bekam er direkt die Option, seinen ersten eigenen Longplayer „West Coast Vibes“ auf dem berühmten Label United Artists zu veröffentlichen, das auch sehr gute Kritiken bekam.
In der Folge veröffentlichte Roy Ayers solo oder mit seiner Band Ubiquity über 40 Langspielplatten, einige davon sind bis heute unter Vinylsammlern besonders beliebt und erzielten schon in den 90ern zum Teil dreistellige Verkaufspreise auf Börsen oder im Internet.
Was mich an Musikern wie Roy Ayers oder Herbie Hancock immer schon besonders faszinierte, war ihre Offenheit allen musikalischen Strömungen gegenüber. Roy saugte sie alle auf und ließ sie in seine eigenen Werke einfließen. So war es auch logisch, dass er nach seiner Jazz-Phase in den 60ern schon wieder etwas neues suchte, was ihn 1970 zum Küstenwechsel brachte. Er zog nach New York, um neue klangliche Welten und andere Inspirationsfelder zu betreten.
Dort entwickelte er sich weiter, gründete die Band Ubiquity und arbeitete lange an seinen Fähigkeiten um dann in den 70ern auf seinen Produktionen selber zu singen, alles selbst zu produzieren und seinen eigenen Sound stetig weiter zu entwickeln.
Hier wird auch bei den meisten Alben ganz klar der Einfluss von Funk, Soul und R&B immer deutlicher hörbar und auch der experimentelle Sound wurde immer mehr zu seinem Markenzeichen. Funkige Grooves mit zum Teil improvisierten Solos, markantem Gesang und experimentellen, bis hin zu e-gitarrenartigen, verzerrten Vibraphonklängen. Mit seiner Band Ubiquity nahm er auf dem Majorlabel Polydor über zehn Alben auf, die bis heute Kultstatus haben und deren Songs seit Jahrzehnten immer wieder auf guten Compilations in Sachen Jazz und Funk landen. Das heute aufgelegte Album „Everybody Loves The Sunshine“ steht repräsentativ für diese Phase von Roy Ayers.
Aber nicht nur das fasziniert mich an diesem Musiker. Er war einfach immer offen allen Einflüssen und Künstlern gegenüber und wollte immer seinen eigenen Sound kreieren, ohne sich dabei in irgendeiner Form zu limitieren. Die musikalische Freiheit war eines seiner höchsten Gebote. Deshalb gehörte er auch zu den ersten Musikern, die bereits in den frühen 70er Jahren Jazz mit Soul, Funk, R&B, Blues und sogar elektronischer Musik kombinierten. Inspiriert von der Musik Afrikas tat er sich dann in den 80ern wiederum mit dem nigerianischen Superstar Fela Kuti zusammen, gründete mit ihm ein eigenes Label, auf dem die beiden zwei Alben mit afrikanisch geprägten Klängen herausbrachten.
Am meisten fasziniert mich an Roy Ayers, dass er auch modernen Stilrichtungen zugetan war, und so hab ich ihn in den 80ern überhaupt erst für mich entdeckt. Damals, als das Sampeln aufkam, erschienen jede Menge Hip-Hop-Songs, die auf Schnipseln, Sounds oder Loops von Roy Ayers Produktionen basierten. Gar wurde eines seiner Plattencover in neuer Form für ein Hip-Hop-Cover „gesampelt“. Während andere Musiker dagegen klagten, hatte Roy sich dadurch bestätigt und geehrt gefühlt, weswegen er in der Folge auch mit einigen Musikern der neueren Generation wie Erykah Badu, Adrian Younge oder Tyler The Creator zusammenarbeitete. Natürlich hat er auch bei meiner Lieblingskollabo von Jazzfunk und Hip Hop mitgewirkt, Gurus’ Jazzmatazz – ein Projekt, das ich hier beim Sandwirt schon einmal ausführlich vorgestellt habe.
Auch, wenn es mich im ersten Moment traurig gestimmt hat, dass ich ihn wohl nicht noch einmal live sehen werde, so tröstet es mich ungemein, mir sein umfangreiches und vielseitiges Werk anhören zu können, mit dem er über Generationen Musiker inspiriert und die Menschen glücklich gemacht hat, und das ohne sich je verstellen zu müssen.