Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin kein Gegner von „erneuerbaren Energien”, habe selbst eine kleine PV-Anlage auf dem Dach und für Warmwasserbereitung eine kleine Wärmepumpe im Keller. Meine Energiekosten sind von Juni bis August regelmäßig gleich Null, denn dank der von allen anderen Stromkunden abgepressten Vergütung für meinen Überschussstrom kann ich den Zukauf genau ausgleichen. Im ganzen Jahr erzeuge ich etwas weniger Strom als ich insgesamt verbrauche, allerdings deckt sich das zeitlich ohnehin nur zu etwa 40 Prozent. Die anderen 60 Prozent muss ich entweder als Überschuss billig abliefern, oder, wenn ich selbst zu wenig erzeuge, teuer zukaufen.
Und hier sind wir bei Bäckermeister Boveleth und der Tagesschau. Denn dieser Beitrag von Jörg Hommer (SWR) eignet sich vorzüglich, um den gesamten Unfug der Energiewenden-Propaganda exemplarisch zu zerlegen. Spoiler: Fast jeder Satz ist faktisch falsch.
- Derzeit fallen die Strompreise. Doch auf längere Sicht halten Experten einen Preis von 60 bis 80 Cent je Kilowattstunde für realistisch, sollte der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit dem Bedarf nicht Schritt halten.
Was für ein Aufmacher! Hatte nicht Kathrin Göring-Eckardt noch unlängst nach dem Atomausstieg sinkende Strompreise verkündet, da der teure Atomstrom die Leitungen nicht mehr verstopfe? Und nun sollen sie sich gar verdoppeln, weil nicht genug „Erneuerbare” da sind? Man könnte nun fragen, warum hat man dann das Atom überhaupt abgeschaltet, aber gemach.
- „Es ist eine ganz dramatische Entwicklung”, fasst Bäckermeister Guido Boveleth aus Bedburg, mitten im rheinischen Kohlerevier, die vergangenen Monate zusammen. Um überhaupt noch wirtschaftlich produzieren zu können, hat er jetzt montags geschlossen. Zudem verzichtet er auf zwei Hilfskräfte, um die hohen Energiekosten aufzufangen. Seit Anfang des Jahres zahlt Boveleth für Gas und Strom monatlich 3700 Euro mehr als im Vorjahr.
Schuld ist natürlich Putin. Warum steht das nicht dabei? Außerdem kann er auf die zwei Hilfskräfte wohl auch verzichten, weil sein Absatz nach heftigen Preiserhöhungen deutlich zurückgegangen sein dürfte.
- Dabei dachte der Bäcker, er habe alles richtig gemacht. Bereits vor drei Jahren investierte er in einen neuen, energieeffizienten Gasofen. Dieser verbraucht dreißig Prozent weniger als das alte Modell. Vor wenigen Wochen ging seine neue Solaranlage in Betrieb. Sie deckt die Hälfte seines Strombedarfs. Wegen der aktuell hohen Stromkosten amortisiere sie sich doppelt so schnell, sagt Boveleth.
Jetzt wird’s spannend. Denn vor drei Jahren, in der Ära „Merkels billiges Russengas”, wäre das tatsächlich noch richtig gewesen. Aber Olaf, Robert und Ricarda wollen jetzt ganz schnell gar kein Gas mehr. Tja, Pech für den hart arbeitenden mittelständischen Steuerzahler. Immerhin hat er ja nun eine Solaranlage auf dem Dach, die „die Hälfte seines Strombedarfs liefert”.
Das macht jedoch etwas ratlos, denn er hat keine Filialen mit Aufbacköfen und macht sein Holzofenofenbrot tatsächlich mit Holz. Der Strombedarf dürfte also überschaubar sein. Ich hatte beruflich öfter mit Bäckern zu tun, die beginnen nachts um zwei, drei Uhr und sind gegen zehn Uhr morgens mit der Produktion soweit fertig. Die Ausbeute an Solarstrom in dieser Zeit ist, nun ja, überschaubar. Das scheint auch das Problem zu sein:
- Freuen kann er sich darüber nicht. Denn die andere Hälfte seines Strombedarfs muss er weiter teuer kaufen. Seit Anfang des Jahres hat er einen Dreijahresvertrag über 48 Cent je Kilowattstunde; doppelt so viel wie noch im vergangenen Jahr. Seitdem sind auch seine Backwaren teurer geworden – durchschnittlich um 15 Prozent. „Ärgerlich ist für mich, wir haben jetzt in die Zukunft investiert, in energieeffiziente Geräte. Und dennoch wirkt es sich nicht positiv für mich aus”, sagt der Bäckermeister.
Vorbildlich umtänzelt der Autor die Wirklichkeit. Denn es geht bei Boveleth gar nicht so sehr um Strom, sondern um das Gas für seine Öfen, wie wir eingangs erfuhren. Warum diese Volte, ahnen wir im weiteren Verlauf:
- Zwar sind aktuell die Strompreise wieder niedriger. Laut Internet-Vergleichsportalen liegen sie für Neukunden im Schnitt bei knapp 30 Cent. Ob das Niveau allerdings so bleibt, ist fraglich. Denn zukünftig wird die Nachfrage nach Strom durch mehr Wärmepumpen und E-Autos schnell wachsen.
Aha. Endlich, wir ahnten es schon. Es geht gar nicht um die Probleme eines Familienbäckers, sondern um das Große, Ganze: Die Energiewende! „Wir brauchen Strom, Strom, den Saft aus der Dose!“ Der Bedarf an Strom wird kräftig steigen, denn so will es das grüne Mantra.
- Diese steigende Nachfrage nach Strom hält Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen für das Nadelöhr der Energiewende. Wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht schnell genug gelingt, werde eine Stromlücke entstehen, die es zu decken gilt.
Hoppala! „Wir” haben gerade unsere letzten drei CO₂-freien AKW vom Netz genommen, aber die Stromlücke hat damit überhaupt nichts zu tun! Surprise, es liegt an zu wenig „Erneuerbaren”! Wieder was gelernt.
- Darum fürchtet der Fachmann für Energieverfahrenstechnik, „dass Gaskraftwerke auch in Zukunft immer häufiger eingesetzt werden müssen”. Bei erneut ansteigenden Gaspreisen würde sich das Hochfahren der Gaskraftwerke wiederum preisbildend für den Strompreis auswirken. Er halte deswegen „einen Strompreis von 60 bis 80 Cent pro Kilowattstunde durchaus bis 2030 für realistisch”, sagt Karl.
Spätestens jetzt knallen jedem echten Experten die Synapsen durch. Anscheinend bezieht er sich auf den sog. „Merit Order Effekt“, nachdem an der Strombörse das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten den Preis bestimmt. Der Artikel geht aber fahrlässig (absichtlich?) über zwei gravierende Punkte hinweg: Zum einen sind die Gaspreise, zumindest auf Großhandelsebene, zum Zeitpunkt des Artikels längst wieder auf Vorkrisenniveau.
Noch ärgerlicher, es wird die Behauptung aufgestellt, Gaskraftwerke müssten den durch schleppenden Ausbau Erneuerbarer mangelnden Strom liefern, dabei ist genau das Gegenteil richtig (Zitat Wikipedia):
Eine Untersuchung des Bundeskartellamts wies 2011 auf eine weitere preistreibende Wirkung des Zubaus erneuerbarer Energien hin: Allerdings weist die Kommission darauf hin, dass Mittellastkraftwerke mit hohen Fixkosten und relativ niedrigen variablen Kosten [Anm: Kernkraft/Kohle] zwar bei einer relativ plötzlichen Senkung der Nachfrage nach konventioneller Energie kurzfristig den Restbedarf billig decken, dabei aber zu wenig Betriebsstunden und Deckungsbeitrag erzielen, um ihre Fixkosten zu amortisieren und profitabel zu arbeiten. Langfristig werden diese Kraftwerke somit aus dem Markt gehen und der Restbedarf wird wieder von Spitzenlastkraftwerken mit geringen Fixkosten und hohen variablen Kosten gedeckt [Anm: Gas] , womit das alte Preisniveau wiederhergestellt wird. Eine Untersuchung des Bundeskartellamts wies 2011 auf eine weitere preistreibende Wirkung des Zubaus erneuerbarer Energien hin: „Zudem ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der stetig zunehmenden EEG-Erzeugung langfristig der Bedarf an flexiblen Erzeugungsanlagen mit höheren Grenzkosten steigen wird. Ein entsprechend veränderter Kraftwerkspark wird mittel- und langfristig Effekte auf die Merit Order und damit auf die Strompreise haben.“
Da schau her. Doch weiter im Text, wo uns nun erklärt wird, daß wir nur mit massivem Ausbau Erneuerbarer bis 2030 (also dem geplanten Abschaltzeitpunkt der Kohlekraftwerke) eine Chance haben die „Stromlücke” zu vermeiden.
- Detlef Stolten, Leiter des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich, hat exklusiv für das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus berechnet, wie groß eine Stromlücke werden kann, wenn weiterhin so schleppend ausgebaut wird wie in den vergangenen zwei Jahren. Das Ergebnis sei eine Stromlücke von 104 Gigawatt. „Auf einen ganz simplen Nenner gebracht, fehlt 2030 ungefähr ein Drittel Kapazität, wenn weiterhin so ausgebaut würde wie die letzten zwei Jahre.” Das müsse durch einen schnelleren Ausbau ersetzt werden, sagt Stolten. Nur ob die Geschwindigkeit in den verbleibenden sieben Jahren ausreicht, dürfte trotz des aktuellen Ausbaus der Erneuerbaren Energien ungewiss sein.
Nein, nein, nein. Die „Stromlücke” entsteht vielmehr durch die Tatsache, daß wir verlässliche Grund- und Mittellast-Kraftwerke durch Solar (nachts und im Winter Totalausfall) und Wind (unzuverlässig, umweltschädlich, unzureichende Fläche) ersetzen wollen. Und parallel dazu den Strombedarf etwa durch Elektromobilität massiv hochfahren wollen.
Der Autor fährt fort mit dem derzeitigen Wehklagen in der Branche, daß zwar Wind und Sonne keine Rechnung stellen, wohl aber die Anlagenbauer und finanzierenden Banken:
- Insgesamt haben sich Investitionskosten für ein modernes Windrad mit rund 5,5 Megawatt Leistung innerhalb weniger Monate von 3,5 Millionen Euro auf rund 6,2 Millionen Euro verdoppelt.
Das wird der Stromkunde zu spüren bekommen, befürchtet Levsen. Ob grüner Strom einmal wirklich billig sein wird, so wie es einst die Politik versprochen hat, bleibt offen. „Meine Angst ist letztendlich, dass fossile Energien den Strompreis am Markt bestimmen. Wenn wir in der Energiewende nicht so vorankommen, kann es sein, dass immer, wenn die Stromlücke entsteht, die fossile Energie den Preis setzt. Und das führt dann zu höheren Preisen.”
Mit diesem dreifach eingesprungenen Logik-Salto endet das Pamphlet, denn genau das ist es. Anders kann man den öffentlich-rechtlichen Hirnriss dieser Argumentation nicht mehr erklären, außer als bewusste Provokation. Nicht das über Nacht im Preis verdoppelte Windrad macht den Strom teuer, nein, die fossile Energie ist es.
Sie erinnern sich, damals, in Ihrer Jugend, vor Wind und Sonne, als Strom noch unbezahlbar teuer war? Ich auch nicht.
Bäcker Boveleth sollte sich über all dies aber nicht zu viele Sorgen machen. Denn der Wirtschaftsminister hatte das Gewerbe schon frühzeitig beruhigt: „Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören, zu produzieren. Dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen“, so Habeck.
4 Kommentare. Leave new
Danke an The Real Tom fürs gnadenlos exakte Bloßlegen der logischen Hohlräume und Lügenkonstruktionen im Gemäuer des EE-Tempels. Wenn die Priester trotz seiner Brüchigkeit weiterhin genügend Gläubige um sich versammeln können, wird mehr zugrunde gehen als ein Heiligtum der Grünen.
Der Sandwirt backt gern Allgemeinplätzchen und hofft so seine Miete bezahlen zu können.
Wann die Hoffnung stirbt, dass weiß man ja.
Ich fühle mich genötigt einen Irrtum zu beseitigen. „Erneuerbare“ Energie gibt es den physikalischen Gesetzen folgend nicht. Was ich bereits in den 50’er Jahren in der Schule gelernt habe gilt noch immer: Energie kann nicht erneuert, sondern gewandelt werden. Mit jedem „Wandel“ tritt ein Verlust der ursprünglich vorhandenen Energie ein. Das kann man problemlos (nach grünem Muster) bis auf Null hinbekommen.
Das ist zwar physikalisch vollkommen richtig, aber es hat mMn wenig Sinn in einem Themenartikel die allgemein übliche Terminologie zu verlassen.