Er trug einen großen Namen und versuchte zeitlebens, sich nicht nur der vielfältigen Chancen zu bedienen, die dieses Erbe mit sich brachte, sondern auch, sich seiner Verantwortung würdig zu erweisen – bis in den Tod. Die Rede ist von Marcus Porcius Cato dem Jüngeren, Urgroßenkel des berühmten Cato des Älteren. Inmitten einer von innen verfallenden und von außen bedrohten Republik schien er einer der Letzten zu sein, der jene Ideale hochhielt, die Rom einst groß gemacht hatten, und bezahlte dafür mit seinem Leben. War sein Opfer umsonst? Nicht ganz.
Letzter Widerstand
Cato stand innenpolitisch auf Seiten der Optimaten, welche die populistische Demagogie der Popularen ablehnten und vielmehr das auf altrömischen Tugenden gründende Ausgleichsdenken der alten senatorischen Adelsgeschlechter bevorzugten.
Freilich stand auch in seiner eigenen Partei nicht alles zum Besten, da sich aus dem ursprünglichen Verantwortungssinn jener Meritokratie vielmehr eine verfilzte Klüngelwirtschaft entwickelt hatte, deren Korruption nicht zu Unrecht vom einfachen Volk und seinen Vertretern angeklagt wurde. Doch hoffte Cato, durch ständige Berufung auf die Werte der Vergangenheit sowie sein persönliches Beispiel seine Standesgenossen wieder auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
Doch vor allem wehrte Cato sich gegen alle Versuche charismatischer Politiker, mit Hilfe des Volks die Alleinherrschaft zu ergreifen und die römische Republik in eine Art kosmopolitische, plebiszitär abgestützte hellenistische Monarchie umzuwandeln. Es waren dabei vor allem die Ambitionen Caesars, die Cato bitter bekämpfte, bis er im Bürgerkrieg nach der Niederlage von Pharsalos 49 v.Chr. die letzten republikanischen Truppen nach Nordafrika begleitete und dort den letzten Widerstand gegen den Dictator organisierte.
Als die Senatslegionen auch dort 46 v.Chr. bei Thapsus geschlagen wurden, bevorzugte Cato es, sich selbst den Tod zu geben, anstatt eine Gefangennahme und möglicherweise gar die Gewährung von Caesars berüchtigter Milde zu riskieren – für Cato die schlimmste denkbare Erniedrigung.
Inspiration
Nicht nur während der römischen Kaiserzeit, sondern auch der christlich-abendländischen Geschichte, allen voran seit der Renaissance, galt Cato als Muster altrömischer Tugend und Paradebeispiel für die kompromißlose Verteidigung höherer Werte gegen brutale Macht; erst später, vor allem seit Mommsen, wurde er zunehmend kritisch als ein wirklichkeitsfremder „Don Quichote“ der Senatsnobilität betrachtet, der sich dem unaufhaltsamen Lauf der Dinge entgegenstellte und somit mehr Schaden anrichtete als Nutzen stiftete.
Eine solche Kritik ist zwar nicht ganz falsch, denn viele der alten Werte, die Cato verteidigte, hatten sich im Laufe der römischen Erfolgsgeschichte ad absurdum geführt und waren eher zum Teil des Problems als der Lösung geworden, sind doch die politischen und moralischen Rezepte, die einen Staat groß und mächtig machen, nicht immer dieselben wie die, welche ihn gesund und stark erhalten.
Und doch: Cato hat zwar Caesars Machtergreifung nicht verhindern können; sein zäher Durchhaltewillen inspirierte allerdings später ebenso die Caesarmörder wie den Widerstand gegen das Zweite Triumvirat – zwei historische Erfahrungen, welche dem späteren Augustus vor Augen führten, daß eine simple Überführung der römischen Republik in eine hellenistische Monarchie ein Ding der Unmöglichkeit war.
Was ist Erfolg?
Die Entscheidung, nach seinem Alleinsieg nicht etwa auf Caesars Weg fortzuschreiten, sondern vielmehr einen Kompromiß mit der Senatselite zu suchen und die Republik eher zu restituieren als abzuschaffen, ist daher auch und gerade Cato dem Jüngern zu verdanken, der durch seinen Widerstand gezeigt hat, daß an eine völlige Auslöschung der alten römischen Traditionen nicht zu denken war.
Sicherlich: Im Kern war auch der Principat des Augustus eine Absage an die kollegialen Traditionen der bisherigen republikanischen Staatsführung; trotzdem aber bewahrte er wenigstens formal Geist und Tradition der Republik über viele Jahrhunderte hinweg.
Darin mag auch für uns Heutige eine Lehre liegen: Es ist nicht die Aussicht auf Erfolg im Hier und Jetzt, die uns einzig antreiben darf; vielmehr müssen wir unseren Weg gehen, wie er uns moralisch richtig scheint, nur angetrieben von unserem inneren Kompaß. Denn manchmal mag aus tragischem Scheitern größerer Erfolg entstehen als aus glänzenden, aber kurzfristigen Siegen.