Das war die FDP. Oder?

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts und im Televisor des Sandwirts: Hier.

Unlängst war ich in einem X-Space (das sind so etwas wie interaktive Radiosendungen, bei denen prinzipiell jeder mitreden kann). Gut, das ist nichts besonders, aber ich war in diesem X-Space, als es um den Fortbestand der FDP ging. Zwei ehemalige oder noch aktive Berufspolitiker regten diese Veranstaltung an, um mit der gemeinen Bevölkerung eben über das Thema Liberalismus und freie Demokraten zu diskutieren.

Nun könnte man diesen Platz nutzen, um richtige, jedoch erwartbare Kritik an der FDP zu üben, wie ich das in diesem Space getan habe. Ich könnte mich boshaft beschweren, dass ich letztendlich als Sprecher entfernt wurde. Ich könnte damit den Bogen von den Freien Demokraten zur freien Rede spannen und hätte sicherlich einen Punkt. Ferner wäre es ein Leichtes, die FDP aufgrund der letzten drei Jahre zu kritisieren, weshalb sie überhaupt erst Rot-Grün möglich gemacht haben. Und ganz bestimmt ist es zwar valide, dass die gleiche FDP Rot-Grün beendet hat, andererseits haben sie die schlechteste Regierung seit Angela-Merkel – und deren vier Regierungen waren allesamt grottenschlimm – überhaupt erst ermöglicht. Sie haben einen Kanzler auf den Thron gehoben, der als Hamburger Innensenator angewiesen hat, einem Häftling Brechmittel zu geben, der dann unwürdig, schmerzhaft und elendig erstickt ist – und das mit nur 27 Jahren. 

Auch wäre es fürwahr kein Debattenbeitrag auf dem argumentativen Hochreck, wenn man anmerkt, dass die FDP wesentliche drakonische Maßnahmen der Corona-Entblödungspolitik mitgetragen hat, den Mindestlohn von inzwischen fast 13 Euro beschlossen, Karl Lauterbach, die demokratieabwesende Nancy Faeser und die gruseligen Grünen unterstützt hat. Auch die Tatsache, dass die liberale Partei sich weder gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz noch den Digital Services Act gestemmt hat, spricht nicht gerade für eine freiheitliche Gesinnung. Und wenn ich Ihnen jetzt noch sage, dass viele Mitglieder das Selbstbestimmungsgesetz befürworten wie auch das kriminelle Leihmutterschaftsgeschäft, dann sind Sie sicherlich wenig überrascht.

Man ist nun mal nicht immer Master of Koteletts

All diese Argumente löst auch das gut gemeinte Cannabisgesetz nicht aus, das die neue Regierung womöglich sogar zurückdrehen wird. Egal, wo man die FDP anfasst, überall stellt sie sich als Enttäuschung heraus. Manchmal muss der Wähler den Eindruck gewinnen, dass der Wortbruch zur DNA dieser Partei gehört. Andererseits, so würde ein konsensorientierter Mensch argumentieren: Was ist die Alternative? Die Grünen sind es sicher nicht. Von SPD und Union braucht man wohl nicht zu reden. Und die AfD? Auch bei dieser Partei darf man, schauen wir auf die etatistischen Landesverbände gerade im Osten des Landes, eine freiheitliche Grundgesinnung in Frage stellen.

Hierbei ergibt sich der große Kategorienfehler der völlig konträren Herangehensweise an politische Probleme. Die allermeisten Freiheitlichen oder Rechten, die die FDP aus den genannten – korrekten – Fehlern kritisieren, betreiben Fundamentalkritik. Das heißt, sie argumentieren aus einem grundsätzlich orthodoxen Verständnis von Liberalismus, der richtig sein mag, aber in diesem System auf wenig fruchtbaren Boden stößt. Denn eine parlamentarische Demokratie setzt den Konsens politischer Grundausrichtung als elementare Voraussetzung für eine funktionierende Regierung voraus. Libertäre Gedanken haben ihre unbedingte Berechtigung, bleiben aber in der Metaebene stecken, da sie im Sinne einer Koalition kaum umsetzbar sind.

In dem Moment findet sich der Fundamentalkritiker wieder. Da seine Themen niemals in die Tat umgesetzt werden können, wird er immer frustriert sein – wie ein Kind, das unbedingt das Formel-1-Auto haben möchte und daher mit einem Matchbox-Ferrari immer unzufrieden sein wird. Doch gesellschaftliches Zusammenleben bedeutet nun mal, nicht immer der „Master of Koteletts“ zu sein, sprich, alle eigenen Forderungen durchzusetzen. Zusammenleben bedeutet Kompromiss – das wird jeder Leser mit Partner nachfühlen können.

Die FDP hat eine Zukunft zu haben 

So gesehen haben es konsensorientierte Menschen – Stichwort Kategorienfehler – immer schwerer, gegen Fundamentalkritiker zu argumentieren. Sie werden es immer mehr mühen, als diejenigen, die Opposition zur Orthodoxie erklärt haben. Ohne Kompromissfähigkeit zu besitzen, wird dieses Deutschland auf kurz oder lang zu einem zunehmend sehr einsamen, lebensarmen Land mutieren. Doch wir haben viel mehr Baustellen als Bauarbeiter. Und wenn die Bauarbeiter, also die Politiker, sich gar nicht einig werden wollen, so kann man es mit einer Koalition auch gleich sein lassen – und Olaf Scholz bleibt bis zum Ableben geschäftsführender Kanzler.Vielleicht gar nicht mal so verkehrt. 

Inmitten dieses Spannungsfelds findet sich die FDP wieder. Im Abwärtsstrudel der Konsenspolitik hat der Wähler die Partei aus dem Bundestag geworfen. Wahrscheinlich war das Eingehen einer Ampelregierung keine gute Idee, und ganz sicher hat die FDP die Koalition zu spät platzen lassen. Aber immerhin hat Lindner sie platzen lassen. 

Konsensorientierte würden argumentieren, dass es ohne die Liberalen noch schlimmer geworden wäre – freilich, ohne diese These jemals belegen zu können. Währenddessen sollten Fundamentalkritiker, auch aus dem libertären Lager, ab und an – Achtung, Zitat – „ihre Egos das Klo hinunterspülen“. Denn ein ausreichender Kompromiss ist besser als eine von oben geführte schlechte Politik. 

Eines dürfen die Fundamentaloppositionellen nie vergessen: Diese Machtfülle, die ihr euch wünscht, um eure Ideen umzusetzen, kann eins zu eins auch umgedreht funktionieren, wenn ein unfreiheitlicher Herrscher den letzten Funken Liberalismus aus Deutschland per Gesetz verjagt.

Daher hat die FDP schlicht eine Zukunft zu haben. Dazu muss sie sich aber tatsächlich ehrlich machen, neu aufstellen und aus dem verkrusteten Politkartell der Einheitsparteien entsteigen. Sodann werden die Liberalen wieder liberal, der eine oder andere Fundamentalkritiker wird abgeholt, und auch die Konsensorientierten finden sich bestätigt, dass sie in Zukunft vielleicht doch die richtige Partei gewählt haben.

Diesen Beitrag im Wurlitzer anhören:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.

Inhalt laden


Alternativ können Sie den Podcast auch bei anderen Anbietern wie Apple oder Overcast hören.

Beitrag teilen …

Der nächste Gang …

Christoph Canne Blog

Der Koalitionsvertrag aus energiepolitischer Sicht

Hubert Geißler Blog

Stolz und Vorurteil

1 Kommentar. Leave new

  • G. Meinikheim
    3. April 2025 21:05

    Wieso sollte man eine Partei brauchen, die fast ihre gesamte Identität und Berechtigung derart auf den Müll geworfen hat? Sie wurde gewählt als wirtschaftliches und gesellschaftliches Korrektiv, hat aber in der Regierung bis zum Austritt aus dieser fast alles vergessen, was sie dem Wahlvolk versprochen hatte.
    Der CDU wird es noch bitterer ergehen. Sie hat ihre gesamte Klientel, den normalen Bürger, nach der Wahl betrogen!
    Und von ihrer Seite sollte man sich nicht am AFD-Bashing beteiligen! Die AFD ist die Partei, die so ist wie früher einmal die ehemalige, alte CDU vor Merkel.

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fill out this field
Fill out this field
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
You need to agree with the terms to proceed

Autoren