Der Heizungskompromiss: eine Mogelpackung

Nach der Einigung im Heizungsstreit in der vergangenen Woche sind viele begeistert und sprechen von einem Durchbruch und einer Wende zur Vernunft. Doch zum einen gibt es ja noch gar keinen neuen Gesetzentwurf, sondern nur auf zwei Seiten sog. „Leitplanken“, in weiche Formulierungen gepackte Absichtserklärungen, die noch genug Stoff für viele Fragen und neuen Streit in sich tragen.

Zum anderen ist dieser Kompromiss eine Mogelpackung, der wir nicht auf den Leim gehen sollten. Ich mag mich der allgemeinen Begeisterung nicht anschließen und werfe heute einen genaueren Blick auf das, was da eigentlich beschlossen worden ist.  

Kaninchen aus dem Hut gezaubert

Mit großen Worten beginnen die „Leitplanken“. Es geht, heißt es, um ein Gesetz, „das sowohl den Klimaschutzaspekten Rechnung trägt, die Menschen in ihren unterschiedenen Lebensrealitäten nicht überfordert und gleichzeitig auch wirtschaftlich vernünftig ist.“ 

Hört sich gut an, stimmt aber nicht. Denn eigentlich ist nur mit der Absichtserklärung, eine „verpflichtende Kommunale Wärmeplanung … bis spätestens 2028“ deutschlandweit einzuführen, ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert worden, das den Prozess etwas verzögert und vor allem den Grünen Luft geben soll, ihre im freien Fall befindlichen Umfragewerte wieder etwas zu stabilisieren.

Fünf Jahre Ruhe bis 2028? Ich bin sicher, vor allem die Landesregierungen unter grüner Beteiligung werden da jetzt unglaublich Dampf machen und bis 2025/26 werden viele größere Kommunen ihre Wärmeplanungen vorgelegt haben. Am 14.06. hat die NRW-Landesregierung schon ein erstes sogenanntes „Klimaschutzpaket” beschlossen und sich darin verpflichtet, die Kommunale Wärmeplanung zu unterstützen und entsprechende Fördermittel zu erhöhen, und Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Goldschmidt verweist in der „Welt“ auf das dortige Landesklimaschutzgesetz, das die größeren Gemeinden schon heute verpflichtet, bis 2024 eine Wärmeplanung zu erstellen.

Doch was ist mit den kleineren Kommunen? Daniel Wetzel in der „Welt“ ist skeptisch und fragt zu Recht: „Offen bleibt die Frage, was für Orte gilt, in denen die kommunale Wärmeplanung nicht bis 2028 erstellt werden kann: Gilt das Heizgesetz dort sofort – oder nie? Das ist keine akademische Frage: Nach dem Gesetzentwurf von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dazu, sollen nur Gemeinden ab 10 000 Einwohnern zu so einer Planung verpflichtet werden. Was ist mit dem großen Rest?“

Und er zitiert den baupolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak, der meint, eine Absenkung der 10 000-Einwohner-Grenze verkenne die Realitäten auf dem Land, und kleinere Kommunen hätten „in der Regel nicht das Know-how und die personellen Kapazitäten für eine Wärmeplanung.“ Deshalb, so die Befürchtung Luczaks, „wird 2028 praktisch für den gesamten ländlichen Raum keine Wärmeplanung vorliegen können, so dass es für die Menschen dort weiterhin keine Investitionssicherheit in Heizungsfragen gibt.“

Erlaubt ist, was es noch nicht gibt

Unabhängig vom Timing und der Frage, wie flächendeckend die Wärmeplanung überhaupt sein wird, stellt sich die Frage: Was gilt überhaupt, bis es so weit ist? Auf den ersten Blick klingt auch das nach Entspannung: „Solange keine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, gelten beim Heizungstausch die Regelungen des GEG noch nicht“ und es „dürfen ab dem 1.1.2024 Gasheizungen eingebaut werden …“

So weit, so gut. Aber dann kommt die Einschränkung: „… wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind.“ Gemeint sind also sog. Wasserstoff-ready-Heizungen. Das Problem dabei ist nur: Der Markt bietet zur Zeit solche Heizungen nur mit 20 oder 30 Prozent Wasserstoff-Anteil an. Es ist nur eine Heizung mit 100 Prozent von Bosch in Sicht, die sich aber noch in der Testphase befindet und noch gar nicht verkauft wird. 

Es steht zwar nicht ausdrücklich so in den „Leitplanken“, aber ich gehe davon aus, dass nur 100-Prozent-Lösungen erlaubt sind. Es wird also etwas erlaubt, was es noch gar nicht am Markt gibt. Das ist schon mal die erste Nebelkerze, und es geht noch weiter. 

Diese Wasserstoff-ready-Heizungen werden, wenn es sie dann mal gibt, deutlich teurer sein als die normalen Gasheizungen.. Und was hat der Verbraucher davon, wenn er diese Zusatzinvestition tätigt? 

Wahrscheinlich wird er auch über diese Heizung mit Erdgas heizen müssen, was aber weniger effizient ist als bei einer klassischen Erdgasheizung. Denn es ist völlig ausgeschlossen, dass wir bis 2028 eine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff für Heizungen haben werden. 

Völlig illusorisch

Gegenwärtig, so habe ich auch in meinem neuen Buch ausgeführt, werden die etwa 70 Mio. Tonnen Wasserstoff weltweit vor allem aus Erdgas und Kohle hergestellt. Der Wasserstoff wird hauptsächlich in der Chemieindustrie eingesetzt. Die Elektrolyseverfahren spielen bislang eine untergeordnete Rolle. Die Europäische Union plant bis 2024 eine Elektrolysekapazität von 6 GW aufzubauen und diese bis 2030 auf 40 GW zu erweitern, um dann 10 Mio. Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren. 

Deutschland will bis 2030 Elektrolyseure mit einer Gesamtkapazität von 10 GW bauen, das wäre dann 2,5 Mio. Tonnen Wasserstoff. In ihrem Fortschrittsbericht zur Wasserstoffstrategie schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: „Hindernisse beim Ausbau der Erzeugungskapazität sind neben der limitierten Verfügbarkeit hohe Erzeugungskosten bei der Nutzung erneuerbarer Energien.“ Daher sind 11 Mrd. € Bundes- und Landesmittel in Aussicht gestellt, um den Wasserstoff in allen Bereichen zu subventionieren. 

Es ist aber völlig illusorisch, die Wasserstoffmengen für die Umstellung der Stahlindustrie, für den Flug- und Schwerlastverkehr und die Wasserstoff-ready-Gaskraftwerke bis 2030 bereitzustellen. Die Stahlindustrie allein benötigt für eine Umstellung von 25 Mio. Tonnen Roheisenerzeugung im Hochofen mit Wasserstoff 2 Mio. Tonnen Wasserstoff. 

Um schon diese Menge an Wasserstoff zu produzieren, werden etwa 110 TWh erneuerbaren Stroms benötigt. Das entspricht in etwa der Menge an Strom, die heute durch Windkraft an Land erzeugt wird. Dieser Strom war allerdings auch schon verplant für die Wärmepumpen, die die Gasheizungen ersetzen sollen, und die wachsende Flotte an Elektro-Fahrzeugen. 

„Wer darauf setzt – bitte!“

Und selbst wenn es wider Erwarten etwas Wasserstoff für Heizungen geben sollte: Der wird sehr teuer sein. Das ist nicht etwa nur eine Behauptung von mir, sondern das sagt auch der Bundeswirtschaftsminister, den ich gerne noch einmal mit einem Satz aus dem März 23 zitiere, von dem ich hier in einem früheren Beitrag schon berichtet habe: 

„Alle Möglichkeiten sind drin, also Fernwärmesysteme, Heizen mit biogenen Kraftstoffen, meinetwegen auch Wasserstoff, der im Moment nicht verfügbar ist. Aber wer darauf setzt – viermal so teurer, schätze ich mal ungefähr – bitte! Technologieoffen schließt eben auch mit ein, dass man sich teurere Heizsysteme aufbauen kann – und natürlich auch Wärmepumpen.” 

Aus diesen Worten lässt sich unschwer heraushören: Die Grünen glauben nicht an den Wasserstoff, und sie wollen ihn auch gar nicht. Für sie ist das mit dem Wasserstoff und der Technologieoffenheit nur so eine Spinnerei der FDP, der zuliebe man das Thema jetzt mit in den Kompromiss hineingenommen hat.  

Und sie sind mit dieser Skepsis nicht alleine. Im Mai berichtete „Die Zeit“: „Ein Bündnis aus Umweltschützern, Gewerkschaftern und Fachverbänden warnt vor dem Einbau wasserstofffähiger Gasheizungen. … Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Bundesverband Wärmepumpe, die Gewerkschaft IG Bau, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger.“

Die Unterzeichner werden mit dem Satz zitiert: „Angesichts der immer drängender werdenden Klimakrise bleibt keine Zeit, auf Scheinlösungen zu setzen und mit ihnen zu rechtfertigen, dass über viele Jahre weiter mit Erdgas geheizt wird.“ 

Solch eine Scheinlösung soll nun also die von den bisherigen Heizungsplänen aufgeschreckten Bürger beruhigen? Für wie dumm hält man in der Ampel-Koalition die Wähler eigentlich? 

Scheinheilig oder hinterhältig?

Das mit den höheren Kosten bei Wasserstoff ist besonders zynisch, denn die Begründung, den CO2-Ausstoss von Wohnungen durch drastische Verbote und Gebote zu regeln, kommt von grüner Seite ja immer mit dem scheinheiligem Argument, man wolle die Verbraucher durch Dämmung- und Wärmepumpenvorschriften schützen, da die CO2-Preise stark ansteigen würden. 

Extrem hohe Kosten für eine Gasheizung eines 4-Personen-Haushalts werden durch die grüne Bundestagsfraktion an die Wand gemalt. Tatsächlich plant die EU einen CO2-Emissionshandel auch für Gebäude und Verkehr ab 2027. Allerdings hat die EU Vorkehrungen getroffen, dass die Abgabe nicht über 45 € pro Tonne CO2 steigen wird.  

Bislang gibt es nur in einzelnen Ländern eigene CO2-Abgaben für Gebäude und Verkehr, darunter Deutschland und Österreich. Die CO2-Abgabe ist zur Zeit auf 30 € begrenzt und soll bis 2025 auf 45 €/t CO2 ansteigen. Kaum vorstellbar, dass Deutschland seinen Bürgern in Zukunft mehr abverlangen will, als die europäische Norm für 2027 vorschreibt. 

Die Abgabe belastet Erdgas zur Zeit mit 0,54 €ct/kwh. Das werden dann langfristig eher 0,8 €ct/kwh sein – ärgerlich genug, aber eine Zusatzbelastung von nicht einmal 10 Prozent des heutigen Gaspreises. Kein Grund also, die Bürger in Angst und Schrecken zu versetzen und mit extrem hohen Gasrechnungen zu drohen, zumal der CO2-Preis in der Hand der Bundesregierung liegt. Und dann noch auf Alternativen zu verweisen, die viel teurer sein werden. 

Wie nennt man eine solche politische Kommunikation? Scheinheilig? Oder besser hinterhältig? 

Ungereimtheiten

Der bereits zitierte Daniel Wetzel führt in seinem „Welt“-Artikel noch weitere Ungereimtheiten in den „Leitplanken“ auf und kommt zu dem Fazit, dass zentrale Punkte „unklar, offen für Interpretationen oder sogar rund heraus widersprüchlich“ sind und ist sich sicher, „dass auf den Gesetzgeber in den drei Wochen bis zur Sommerpause noch gewaltiger Klärungsbedarf wartet“.

So ist es. Was wird passieren, wenn es so kommt, wie ich es voraussehe, dass bis 2028 – unabhängig von den Kosten – auch nicht annähernd genügend Wasserstoff zur Verfügung steht? Dann läuft es auf die Wärmepumpe hinaus. Ob die Wasserstoff-ready-Heizung ohne Wasserstoff betrieben werden darf, ist offen. 

Eine neu hinzugekommen Alternative ist nun der mögliche Anschluss an die Fernwärme . Sechs Millionen Wohnungen der 43 Millionen Wohnungen sind an die Fernwärme abgeschlossen. Der Neuanschluss betrug in den letzten Jahren etwa 80 000 Wohnungen , Tendenz fallend. Das wird jetzt als die neue technologieoffene Alternative propagiert. 

Doch das eine Pseudo-Hoffnung. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schleppend das vorangeht, es ist eine Rieseninvestition, so eine Fernwärmeleitung zu bauen und dann die Haushalte anzuschließen, das Geld haben die Kommunen in der Regel gar nicht. 

Und was muss ich dann einspeisen: Überraschung – natürlich Erdgas! Wenn dann die Wärme in einem Heizwerk produziert wird, würde ich vorschlagen: Lasst uns bitte die Erdgasheizungen, das können wir in unseren Heizungskeller besser. Effizienter ist es, wenn die Wärme durch gekoppelte Blockheizkraftwerke produziert wird. Diese haben, wenn sie Strom und Wärme erzeugen, eine Energieausbeute von 80 Prozent. Doch das hat absolut nichts mit den 65 Prozent erneuerbarer Wärme zu tun, die sich die Koalition eigentlich vorgenommen hat – das ist immer noch hundertprozentig CO2-lastige Wärme.  

Wer hat das zu verantworten?

Dass die Grünen in ihrer demoskopischen Not einen Kompromiss tragen, an den sie selbst nicht glauben – das ist ärgerlich, aber noch irgendwie verständlich, und sie spielen ja sogar mit offenen Karten, wenn man genau hinhört. Aber was macht eigentlich die FDP? 

Die hat sich auf etwas eingelassen, was den von den Grünen eingeschlagenen Weg nicht verhindern kann, aber suggeriert, es wäre mehr Offenheit und Vernunft hineingekommen. Sie weiß, dass das nicht der Fall ist. 

Das wird der FDP noch mal so richtig auf die Füße fallen, wenn jetzt in den nächsten Wochen und Monaten herauskommt, was in dem Kompromiss an Ungereimtheiten versteckt ist. Und dann werden viele Wähler sagen: Was habt Ihr da für einen Blödsinn gemacht ? Die FDP wird am meisten für ein bürgerfeindliches Gesetz verantwortlich gemacht werden, und viele Stimmenverluste kann sie sich nicht mehr erlauben. 

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