Javier Milei hat einmal in einem Interview vor einigen Wochen die unterschiedlichen Strömungen im Libertarismus übersichtlich zusammengefasst. Man könnte die von ihm dabei gewählte Klassifikation als Grad des Pragmatismus bezeichnen, der uns Libertäre in unterschiedlichem Ausmaß befällt.
Milei sprach vom Grad der Herrschaft, der noch bestehen darf, von Anarchie und Minarchie, wobei Anarchie eben nicht Chaos ist und auch nicht das Recht des Stärkeren, sondern gerade die Abwesenheit vom Recht des Stärkeren, die Abwesenheit von Zwang.
Das Spektrum reicht von den prinzipientreuen Vertretern der „radikalen“ Privatrechtsgesellschaft über die Minimalstaatler bis zu den graduell-inkrementellen Verbesserern unserer dysfunktionalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
Unser Ziel als Libertäre ist ganz klar die Etablierung einer Welt, die nur aus ablehnbaren Angeboten besteht.
Aber unsere Prägung, unser Aufgewachsensein in staatlichen Strukturen des Zwangs schränken unsere Fantasie ein, wie das erreicht werden kann. Am Ende fragt sich immer noch jeder, wie sein ganz persönliches Recht in Ruhe gelassen zu werden ohne eine wie auch immer geartete übergeordnete letztinstanzliche „Macht“ ultimativ geschützt werden kann.
Karl Valentin hat diese Dissonanz in dem Satz zusammengefasst: „Die Anarchie ist doch die beste Staatsform, aber ein starker Anarch sollte es schon sein!“
Ich selbst als ausweislich meiner Publikationen bekennender Minimalstaatler kann mich nicht freisprechen von diesem intellektuellen Widerspruch, aber ich habe nach einigem Nachdenken eine Ausrede gefunden, die ich hier kurz skizzieren möchte.
Die Lage
Was wir glauben, erreichen zu können hängt von unserem Standpunkt in der Realität ab. Wir sind mit der Realität eines übergriffigen, sich momentan zum totalitären Gebilde wandelnden Maximalstaats konfrontiert, der gerade den Übergang von Sozialsozialismus Baaderscher Beschreibung zum Sozialstalinismus leninistischer Bauart in Angriff nimmt. Die „DDR 2.0“ ist das erklärte Zielbild unserer verkommenen politischen Klasse. Eine kleine Zitatensammlung möge das verdeutlichen:
Habeck: „Wollen wir, dass entschieden wird wie in China? (…) Ja, das wollen wir!“
Schellnhuber: „Jeder kriegt drei Tonnen CO2, und wer mehr braucht, muss es halt zukaufen.“
Haldenwang: „Auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle kann/muss man vom Verfassungsschutz beobachtet werden.“
„Die Wissenschaft“ mutiert zur Religion, ihre Hohepriester zu Huren der Politik, die Lügen, die sie aufstapeln, stinken bis zum buchstäblich zum Eigentum der Klimasekte erklärten Himmel. Das ist die Lage, Freunde der Freiheit.
Diese Lage ist es, die auch unseren Blick vernebelt. Je übergriffiger das Zwangssystem, je allgegenwärtiger die Propaganda, je aggressiver die Drohungen der Mächtigen gegen die Unbotmäßigen, je rechtsbeugender die statuierten Exempel an den Wenigen zur Erziehung der Vielen, desto utopischer und ferner erscheint uns die Fata Morgana einer freien Gesellschaft. Das limitiert auch unser Denken.
Aber: Wenn es um die Schaffung von Wohlstand und Freiheit für die Menschen geht, können wir gar nicht radikal genug denken!
Und um jedem Missverständnis vorzubeugen: Unser Land ist nicht mehr „teilweise frei“. Unser Land ist ganz klar unfrei, denn wer von seiner angeblichen Freiheit Gebrauch macht, der wird verfolgt mit den Mitteln der Zersetzung, die das System vom Stasiapparat gelernt hat und die zum Ziel haben, die bürgerliche Existenz der Freigeister zu vernichten: Berufliche Zerstörung, gesellschaftliche Ächtung, Rufmord, Verleumdung, Lawfare, De-Banking. Das sind die Mittel der faschistoiden Macht.
Wie sonst wäre es möglich, dass Dunja Hayali, eine der schlimmsten Hetzerinnen gegen Ungeimpfte in der Corona-Tyrannei, ohne ihren Job beim Staatspropagandafunk zu verlieren sagen kann: „Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen, man muss dann aber halt mit Konsequenzen rechnen!“
Ganz frei nach dem Diktum des blutrünstigen, angeblich sogar menschenfressenden Diktators Idi Amin: „Ich kann Freiheit der Rede garantieren, aber nicht Freiheit nach der Rede.“
Man gibt sich dabei weich und verständnisvoll. Man darf aber den weichen Faschismus nicht beim Namen nennen, sonst wird er ganz schnell hart. Als die von uns allen so geschätzte „Mutti“ Merkel einmal schwadronierte, „wir müssen mehr Leute für unsere Politik abholen“ und ich ergänzte „Stalin: Sag ich doch!“, entging ich nur knapp dem Ostrachismos der Sperrung auf den sozialen Medien.
Die Frage ist aber: Wie kommen wir von A nach B, von der unfreien zur freien Gesellschaft?
Die Route
Wir wissen alle, dass wir nach B wollen. Was wir brauchen, ist eine Landkarte, auf der A und B verzeichnet sind und auf der sowohl gangbare Wege ermittelt als auch nicht gangbares Gelände gekennzeichnet werden kann.
Ich sehe dabei B, nämlich die Privatrechtsgesellschaft als ein ultimatives Ziel an. Es zu erreichen passiert aber in Etappen. Die Etappen dieser Reise fasse ich wie folgt zusammen:
1. Unfreiheit
2. Krise
3. Katharsis
4. Reform
5. Minimalstaat
6. Privatrechtsgesellschaft
Zwischen jedem dieser Schritte befindet sich ein Erkenntnis- und Akzeptanzprozess der breiten Bevölkerung. Es genügt nicht, dass wir hier der Auffassung sind, Ziel und Zweck der Reise zu kennen. Wir müssen die Menschen davon überzeugen, den Weg mitzugehen und gleichzeitig die Politiker zum Abdanken zu zwingen. Es genügt nicht, die Politiker zur Zustimmung zu bewegen, denn sie werden jede Gelegenheit nutzen, das Rad der Freiheit zurückzudrehen.
Sie werden auch keine echten Inseln der Freiheit zulassen, weil sie diese als Bedrohung empfinden. Das ist nach meiner Überzeugung das Haupthindernis für das ansonsten geniale Konzept der freien Privatstadt. Die leuchtende Stadt auf dem Hügel, in der freie Menschen sich selbst verwalten, ihre eigenen Regeln in maximaler Subsidiarität festlegen und dabei enorm wohlhabend werden, ist das Schreckgespenst aller Sozialisten und Sozialingenieure. Allein seine intellektuelle Existenz bringt ihnen Angstschweiß auf die Stirn und Geifer auf die Lippen. Man kann es erkennen, wenn man Deutschlands niedrigsten Gestalten aus dem antifantischen Milieu beim Schreiben über das Thema zusieht.
Deshalb brauchen wir Trittsteine, denn zwischen A und B liegt ein reißender Strom: Das sind die verzweifelt um ihre Pfründe und ihr Diebesgut kämpfenden Mordgesellen, die buchstäblichen Profiteure der Staatsgewalt in ihrer krudesten Form.
Die Abdankung
Wir starten also mit unserem Ausgangspunkt, der unfreien Gesellschaft. Sie produziert, was sie schon immer produzierte: Armut und Elend, Abkapselung der kakistokratischen Eliten, deren Charakter Hannah Arendt mit Bezug auf die nationalen Sozialisten als „Banalität des Bösen“ beschrieben hat.
Das aber ist zugleich die Ursuppe des Aufstands der verelendeten Bevölkerung.
Aus dieser Gemengelage entsteht die Krise. Historisch bedingt manifestiert sie sich in 9 von 10 Fällen im Krieg, weil die versagenden Eliten die ultimative Ablenkung von ihrem Versagen und zugleich das ultimative Disziplinierungsinstrument des mörderischen Kriegsrechts brauchen, um ihren Abschied von der Macht hinauszuzögern.
Das ist der wahre Grund für die aktuelle Kriegstreiberei. Daran können wir auch erkennen, dass sie aus historischer Erfahrung nichts gelernt haben, das übersteigt ihren Kleinganovenverstand. Hätten sie daraus gelernt, dann wüssten sie, dass der Machtwechsel nach einem Krieg mit all seinen Verheerungen auch der menschlichen Seele oft gewalttätiger verläuft als ohne ihn. Das ist keine Entschuldigung, aber eine empirische Beobachtung.
Schließlich folgt die Katharsis, die freiwillige oder unfreiwillige Abdankung der Ochlokratie, der Herrschaft der Übelsten eines Volkes. Die Katharsis führt aber nur dann zur Erlösung, also zur Freiheit, wenn sie intellektuell in der richtigen Weise aufgeladen wird. Das ist unsere ganz große Aufgabe. Deshalb ist es so wichtig, dass das libertäre Gedankengut unsere kleinen Zirkel verlässt und unters Volk gebracht wird. Wir brauchen libertäre Breitenbildung!
Die Katharsis kann im ersten Schritt aber noch nicht zur Privatrechtsgesellschaft führen, weil bei allem Einsehen in die Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen das Bedürfnis nach Sicherheit gerade wegen der Krise überwältigend sein wird, jedenfalls bei der Masse der Menschen.
Für uns ist sie daher Chance und Herausforderung. Wir haben dann die Möglichkeit die radikalen Reformen anzustreben, die zu einer Wiederherstellung der Marktwirtschaft und der politischen Freiheit notwendig sind.
So wenig wie möglich
Die Umsetzung dieser Reformen führt notwendig zum Minimalstaat, zur von Milei so apostrophierten „Minarchie“.
Der Minimalstaat als erreichbares Ziel im ersten großen Schritt reduziert die Staatsquote von aktuell 60 bis 80 Prozent (je nachdem, wie man das misst) auf 10 bis 12 Prozent. Er legt also 80 Prozent des Weges zur Privatrechtsgesellschaft zurück.
Er finanziert sich immer noch durch eine Steuer, idealerweise eine Konsumsteuer, die immer noch Raub und schädlich ist, aber von allen Formen des Raubes erscheint sie mir als die am wenigsten schädliche. Lasst uns aber keine Zweifel daran haben, dass auch sie Raub ist. Sie sollte daher schrittweise ersetzt werden durch das Äquivalenzprinzip, also die Bereitstellung der staatlichen Dienstleistung gegen Bezahlung auf der Ebene freiwilliger Einzeltransaktionen.
Das ist der Übergang vom puren Raub zur staatlichen Monopolrente bei bestimmten Gütern, die er bereitstellt und die damit leider die weiterhin bestehende Ineffizienz des Staates camoufliert.
Ist das einmal erreicht, dann gibt es zwei gleichzeitig zu beschreitende Wege zur Privatrechtsgesellschaft, weil dann die Masse der Menschen sehen kann, dass die Verkleinerung des Staates bei ihrem Wohlstand Wunder gewirkt haben wird. Das führt zu einer Akzeptanz der Diskussion über eine solche Gesellschaftsform und ebnet damit auch den Weg zu kreativer Vielfalt und somit Wettbewerb bei den möglichen Modellen.
Zwei Pfade zum Ziel
Weg Nummer eins ist das Einfrieren der Staatsausgaben auf dem absoluten realen Niveau des ersten Jahres der Etablierung des Minimalstaates. Während die Wirtschaft wächst, bleiben die Staatsausgaben konstant. Da das Wachstum in dieser freien Gesellschaft sehr hoch sein wird, ich denke an langfristig 10 Prozent pro Jahr, halbiert sich die Staatsquote alle sieben Jahre. Nach sieben Jahren beträgt die Staatsquote dann noch 5 Prozent, nach 14 Jahren 2,5 Prozent, nach 20 Jahren 1,25 Prozent. Das klingt für mich schon sehr nah an der Privatrechtsgesellschaft.
Die zweite Route ist die möglichst schnelle Zulassung von freien Privatstädten, denn sie sind das einzige – jedenfalls mir – bekannte Konzept einer Ordnung ohne Staat, das intellektuell ausgearbeitet vorliegt. Funktioniert sie, dann wird sie sich rasant vermehren, einem Virus gleich, nur dass die Wirkung positiv sein wird. Ein Europa der tausend Liechtensteins ist dann in Sicht.
Dann haben wir nicht nur eine Privatrechtsgesellschaft, sondern viele Privatrechtsgesellschaften, die miteinander im Wettbewerb liegen und die Welt besteht nur noch aus ablehnbaren Angeboten.
2 Kommentare. Leave new
Ich habe diesen Beitrag sehr gern gelesen, und muss richtigstellen:
1. Eine „Reform“ wird es nicht geben, zumindest keine Reform politischer Strukturen. Diese sind nämlich auf Reformresistenz hin konstruiert. Kurze Gegenprobe: seit 50 Jahren soll in Deutschland das Steuersystem vereinfacht werden. Wo ist der Erfolg?
2. Der Minimalstaat ist ein Staat, weswegen er ebenfalls nicht hin zu einer Privatrechtsgesellschaft zu transformieren ist. Das exakte Gegenteil ist der Fall: Im Minimalstaat spriessen sofort die Ideen, wie man „nur in diesem einen Fall“ und „nur wegen dieser speziellen Ungerechtigkeit“, und selbstredend „nur ausnahmsweise“ die Idee der Umverteilung wieder einführt, wie selbstverständich und zwingend Befürworter findet, und damit eine Kaskade auslöst.
Mit diesem Phasenmodell verändert man nichts, man bewahrt diesen dysfunktionalen, degenerativen Unfug, der die Menschheit schon fast zwei Jahrtausende Amok laufen lässt.
Der Weg in die freien Privatstädte ist in einem Video „Rückkehr ins Paradies“ konkret beschreiben. Es ist unter Dokumente/Stadtquartier der Atlas-Initiative von mir hinterlegt. Es fehlt nur an der Umsetzung – das theoretische Konstrukt steht.
Eine absolute Erfolgsstory ist die Belle Epoque ab 1871. Wird diese geschichtliche Erfahrung plastisch und anschaulich aufgearbeitet, kann den Mitbürgern aufgezeigt, dass es möglich ist, Wohlstand und Wachstum ohne Geldvermehrung zu erzielen. Auch die Hanse ist ein gutes Beispiel fürs Gelingen.
Wir hätten also eine evidenzbasierte Beweisführung; einmal geschichtlich und einmal durch ein praktisches Handlungskonzept, das wir exemplarisch vorleben.
Mein Wunsch wäre, dass die Atlas Initiative in die praktische Umsetzung kommt. Bis September 2025 kann man schon etwas auf die Beine stellen. Trauen wir uns?