Die digitale Währungsreform

Als Ben Broadbent, ein hochrangiger Beamter der Bank of England, im Jahr 2016 an der London School of Economics einen Vortrag zum Thema »Central Banks and Digital Currencies«, also über das Digitale Zentralbankgeld (CBDC), hielt, dürften seine Zuhörer trotz der streckenweise sehr drögen Ausführungen des Zentralbankers geradezu elektrisiert gewesen sein. Skizzierte der Geldmanager doch gerade eine probate Strategie, um der Herausforderung durch Bitcoin & Co. erfolgversprechend begegnen zu können. Die Strategie war ziemlich simpel und folgte dem Prinzip: Wenn man das Produkt eines Konkurrenten nicht dauerhaft verhindern kann, dann macht man es einfach nach. 

Kontrolleure und Volkserzieher

Bei diesem »Produkt« handelt es sich um die Digitalwährungen, allen voran der im Jahr 2008 gestartete Bitcoin – zunächst kaum beachtet, später von Regierungen und vielen Notenbankern gefürchtet. Wegen der in der Tat sehr ausgeprägten Volatilität dieser digitalen Währung glaubte mancher, der Bitcoin und die rasant wachsende Zahl seiner »Konkurrenten« sei nur ein temporäres Spielzeug für Tech-Nerds. Doch bald wurde deutlich: Die Kryptowährungen waren gekommen, um zu bleiben. 

Und unversehens erkannten die Politiker rund um die Welt, die daran gewöhnt waren (und es wohl immer noch sind), die Bürger über das staatliche Fiatgeld zu steuern, zu kontrollieren und zu erziehen, dass die Digitalwährungen einen dicken Strich durch die Rechnung der politisch Verantwortlichen machen könnten.

Da wäre zunächst der Kampf gegen das Bargeld. Am erfolgreichsten wurde der »War on cash« in den vergangenen Jahren in Schweden geführt, wo noch nicht einmal mehr öffentliche Bedürfnisanstalten Münzen akzeptieren. Hinter diesem Kampf (besser: Krampf) stehen einflussreiche Kreise: Regierungen, NGOs, Konzerne, Agenturen der Vereinten Nationen bis hin zur omnipräsenten Bill & Melinda Gates Foundation. Sie befeuern mit unvorstellbaren finanziellen und propagandistischen Ressourcen den Kampf gegen das Bargeld. 

Was aber macht das Bargeld aus Sicht seiner Gegner so »gefährlich«? – Ganz einfach: Bargeld ist anonym. Und stellt somit ein Hindernis auf dem Weg zu gläsernen Konsumenten und überwachten Bürgern dar. 

Das Ende der Anonymität

Noch können wir mit Bargeld zahlen, selbst wenn man uns die 500-Euro-Note längst schon abgenommen hat. Wir gehen in den Supermarkt, kaufen ein und zahlen an der Kasse mit Geldscheinen und Münzen. Niemand fragt nach unserem Namen oder unserer Kontonummer, niemand kann prüfen, ob wir uns im Sinne der grünen Volkspädagogen »gesund« ernähren, ob wir zum Beispiel ungeachtet grün-alternativer Gehirnwäsche weiterhin Wurst und Fleisch verzehren. 

Und vor allem lässt diese Zahlungsweise auch keine Rückschlüsse auf unseren »ökologischen Fußabdruck« zu, um diesen an semantischer Blödheit schwerlich zu überbietenden Begriff ausnahmsweise einmal zu zitieren. 

Zahlen wir hingegen mit Karte, Handy oder staatlichen Digitalwährungen, dann ist es vorbei mit dieser Anonymität. Wir werden zu gläsernen Konsumenten. 

Ist das ein erstrebenswertes Ziel? Sicher nicht. Und dennoch gilt es vor allem in der jüngeren und mittleren Generation als schick, mit Karte oder Smartphone zu bezahlen. Manche denken wohl, das sei Ausdruck eines urbanen, digitalen Lebensstils. Wie lautet doch eine immer wieder zu hörende Propagandafloskel der Cash-Gegner? »Nur Omas und Ganoven zahlen noch mit Bargeld.« – Falsch, mit Bargeld zahlen vor allem Menschen, die Wert auf Diskretion und Selbstbestimmung legen. 

Ja, die Anonymität ist per se weder suspekt noch anrüchig, sondern in vielen Bereichen unverzichtbar. Ohne die Anonymität von Wahlen gäbe es keine echte Demokratie. Umgekehrt ist größtmögliche Transparenz kein Allheilmittel; vielmehr öffnet sie dem staatlichen Voyeurismus Tür und Tor. 

In den Zehn Geboten steht nirgendwo: »Du sollst keine Geheimnisse haben«. Oft hören wir, wer sich nichts habe zuschulden kommen lassen, brauche auch Kontrollen nicht zu fürchten. Menschen, die so argumentieren, sind schon längst zu Lemmingen mutiert, ohne es zu bemerken. Es gibt nämlich Dinge, die gehen den Staat einfach nichts an, weil wir freie Bürger und keine Knechte der Bürokratie sind.

Kryptowährungen wie Bitcoin & Co, die über die Blockchain-Technologie laufen, sind in diesem Kontext unerwünscht, könnten sie doch auch nach Einführung von Bargeldrestriktionen oder gar eines Bargeldverbots die völlige Durchleuchtung unseres Konsumverhaltens verhindern, da sie zumindest derzeit noch ein gewisses Maß an Anonymität gewährleisten.

Das letzte Gefecht gegen das Bargeld

An dieser Stelle kommen die digitalen Zentralbankwährungen oder CBDCs ins Spiel. Der US-Ökonom Jonathan Newman bezeichnete in einem Vortrag vor dem Mises Institute in den Vereinigten Staaten die digitalen Zentralbankwährungen als »das letzte Gefecht gegen das Bargeld«. Denn aus Sicht von Regierungen und Notenbanken haben CBDCs zwei entscheidende Vorteile: Es handelt sich erstens letztlich um digitales Fiatgeld, kontrolliert von der betreffenden Notenbank. Und zweitens ist dieses digitale Geld nicht anonym wie die Geldscheine und Münzen. 

Im Gegensatz zu den Kryptowährungen (also Bitcoin & Co.), bei denen alle über die Blockchain getätigten Transaktionen dezentral auf unterschiedlichen Geräten der User parallel gespeichert werden und dank Verschlüsselungstechniken den Nutzern weitgehende Anonymität gewähren, sind CBDCs alles andere als »krypto«. Diese werden nämlich über eine zentrale Blockchain direkt von den betreffenden Notenbanken gesteuert. Es ist sogar denkbar, CBDCs ohne Blockchain einzuführen.

Die staatlichen digitalen Währungen hinterlassen immer Spuren und sind sogar programmierbar. Das mutet in der Tat dystopisch an. Denn über die Programmierbarkeit dieser Währung wäre es zum Beispiel möglich, den Menschen ein limitiertes CO2-Kontingent zuzuweisen. 

Auch eignen sich CBDCs, um die Bürger zu einem vom Staat gewünschten Konsumverhalten zu erziehen. Dass China, der totale Überwachungsstaat, der Pionier bei der Entwicklung von CBDCs ist, kann vor diesem Hintergrund sicherlich nicht überraschen. Dort sollen nach aktuellen Schätzungen bereits rund 260 Millionen Menschen mit dem digitalen Renminbi (E-CNY) arbeiten. 

Vorbereitung für E-Euro läuft auf Hochtouren

Aber auch in zahlreichen anderen Staaten rund um den Globus werden aktuell die Weichen für solche Währungen gestellt. Schätzungen zufolge arbeiten die Verantwortlichen in über 120 Staaten an digitalen Zentralbankwährungen. Am weitesten fortgeschritten ist – wie gesagt – China, aber auch in einigen karibischen Staaten, zum Beispiel in Jamaica und auf den Bahamas, wurde bereits digitales Zentralbankgeld eingeführt. Ebenso in Nigeria, wo aber das Geldexperiment zumindest vorläufig krachend gescheitert ist. Die Menschen dort haben den E-Naira geradezu boykottiert. Nur 0,5 Prozent nutzen das ungeliebte Zentralbankgeld. 

Wenig beachtet von der Öffentlichkeit laufen auch im Euro-Raum die Vorbereitungen für den E-Euro auf Hochtouren. Seit November 2023 arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) bereits das Regelwerk, die Plattform und die Infrastruktur aus. Der E-Euro wird kommen, ob schon 2026 oder 2028, das ist im Grunde unerheblich. Es dürfte keinen Big Bang geben, weil dann selbst der einfältigste Zeitgenosse bemerken könnte, dass da gerade eine digitale Währungsreform durchgesetzt wird. Eine Weile bleibt uns das Bargeld wohl noch erhalten, doch dann kommt es – das übliche Narrativ: Digitale Zentralbankwährungen seien doch irgendwie cooler als Omas Geldscheine, und außerdem diene es der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Ob sich die Europäer und insbesondere die obrigkeitshörigen Deutschen ähnlich verhalten wie die aufmüpfigen Menschen in Nigeria, darf bis zum Beweis des Gegenteils bezweifelt werden.

Mithin bleibt die Frage, ob die Menschen Digitales Zentralbankgeld überhaupt brauchen. Und die Antwort auf diese Frage ist eindeutig: Nein! Denn wo die Vorteile einer Digitalen Zentralbankwährung liegen sollen, hat sich noch keinem so recht erschlossen. Wer digital zahlen möchte, kann dies mit seiner Kreditkarte, seiner EC-Karte (Girocard) oder seinem Smartphone. Und jeder, der möchte, kann längst mit den wahren Kryptowährungen arbeiten. Mit anderen Worten: Die Digitalen Zentralbankwährungen werden den Menschen einmal mehr oktroyiert, obgleich kein Mehrwert für die Verbraucher erkennbar ist. 

Was also tun? Die Digitale Zentralbankwährung lethargisch hinnehmen? Können wir den digitalen Euro überhaupt noch verhindern? – Nein, denn dazu sind die Vorbereitungen in der Eurozone und vor allem in der EZB schon viel zu weit fortgeschritten. Und eine Volksabstimmung über den digitalen Euro wird es ebenso wenig geben wie es seinerzeit eine über die Euro-Einführung gab. Aber wir können verhindern, dass es eine Erfolgsnummer wird, indem wir der neuen Währung die Akzeptanz verweigern. 

Denn auch der digitale Euro hat keinen intrinsischen, also inneren, Wert. Ähnlich wie bei Geldscheinen besteht sein „Wert“ nur im Vertrauen der Menschen darauf, mit diesem Geld ihre Einkäufe und Rechnungen bezahlen zu können. Wird der digitalen Währung wenig Vertrauen entgegengebracht und zahlen die Verbraucher weiterhin überwiegend lieber mit Cash oder Karte, dann bleibt der digitale Euro eine Schattenwährung mit Schwindsuchtssymptomen und er wird keine bedeutende Rolle spielen. Diese Strategie funktioniert aber nur, wenn viele Verbraucher von den in diesem Beitrag skizzierten Risiken erfahren. Reden wir also darüber!

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