Die Möglichkeit eines Krieges

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts: Hier.

Allmählich mehren sich die pessimistischen Stimmen. Dass die Ukraine siegen würde und Russland die besetzten Gebiete zurückgeben müsste, scheint sich als moralische Sollensforderung an die Realität zu erweisen. An die Stelle des Wunschdenkens tritt zunehmend die militärische Lagebeurteilung. Trotzdem bleibt unklar, wie es enden wird. Sicher ist nur, was dieser Krieg in Deutschland auslöst. Bisher hatten wir eine Bundeswehr, als ob nicht. Wenn es Ärger in der Welt gab, überließen wir die Drecksarbeit gerne den USA. Aus der Nachkriegsforderung „Nie wieder Krieg“ war ein stabiles Wirklichkeitsbild geworden. Militärisch gab es allenfalls recht zurückhaltende Auslandseinsätze in fernen Ländern.

Der Angriffskrieg Putins hat dieses deutsche Wirklichkeitsbild so radikal verändert, dass Bundeskanzler Scholz von einer „Zeitenwende“ gesprochen hat. Offenbar gab es niemanden mehr hierzulande, der mit der Möglichkeit eines Krieges gerechnet hat. Und für diese Verdrängung des Ernstfalls zahlen wir heute einen hohen Preis. 

Diese Verdrängung des Ernstfalls hat zwei Komponenten: Zum einen das, was die Ampelregierung „feministische Außenpolitik“ genannt hat – und deren Konkretion besteht ja zum Beispiel aus Toiletten in Afrika und Fahrradwegen in Südamerika. 

Zum anderen haben wir in den letzten Jahren eine Politik erlebt, die mit einer Fiktion des Ausnahmezustands arbeitet, um „durchzuregieren“ – die Stichworte lauten „Corona“, „Klimakatastrophe“ und „Kampf gegen Rechts“. Entscheidend ist hierbei, dass diese Simulation des Ernstfalls mit einer Negation des wirklichen Ernstfalls einhergeht. Und deshalb ist die deutsche Politik unfähig, mit Putins brutaler Antwort auf das, was er selbst die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts genannt hat, umzugehen. 

Wir haben uns in der Illusion gewiegt, dass es nur noch Freunde, aber keine Feinde mehr gibt und alle Konflikte durch Verhandlungen gelöst werden können. Wenn dieses Wirklichkeitsbild dann aber von einem echten Feind zerstört wird, kann er für uns nur ein Bösewicht oder Verbrecher sein. Gegen diese Zerstörung einer Illusion wehrt sich die Ampelregierung mit einem „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und fast unbegrenzten Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Nicht nur wirtschaftlich also sind wir „umzingelt von Wirklichkeit“. 

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3 Kommentare. Leave new

  • Flora Kremer
    4. März 2024 14:05

    Etwas präziser: Die erwähnte Nachkriegsforderung „Nie wieder Krieg“ wurde bereits am 13.05.1999 vom Friedensminister und Vizekanzler Joschka Fischer kassiert. Er meinte damals sinngemäss: “Mit uns wird es keine Kriegsbeteiligung geben. Es sei denn natürlich, WIR sind an der Macht – dann fliegen wir runter und bomben alles kurz und klein!”
    So viel zum Sinn von Politik.

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  • Ein Satz wie “Der Angriffskrieg Putins …” in einer ernsthaften Betrachtung erzeugt ein schales Gefühl, denn das ist die offizielle Pflicht-Formulierung in allen Reden und TV-Sendungen. Es wäre müßig, hier zu fragen warum die völkerrechtswidrige Angriffskriege der USA, zB auf den Irak oder auf Serbien nicht auch deutlich als solche benannt werden; das ist nun einmal so. Unser Großer Bruder tut nichts unrechtes; der Russe sehr wohl.

    Merkwürdig finde ich in dieser Runde die Personalisierung des Angriffs. Glaubt der Autor oder jemand anderes tatsächlich, daß hier ein Diktator allein agiert und daß ein anderer Präsident sofort die russ. Truppen aus Donbas und Krim abziehen würde?

    Nach dem, was man so liest, gibt es in Russland keine nennenswerte pazifistische Bewegung, wohl aber Kritik an Putins zu zurückhaltenden Befehlen. Ein Nachfolger könnte eine Art der Kriegsführung befehlen, wie die USA zB gegen den Irak: Erst alles 4 Wochen zerbomben, dann mit großem Truppenaufgebot alle besetzen.

    Daß die russ. Armee sich auf den östlichen russophilen Gebiete beschränkt, ist sicherlich rational. Was allerdings passiert, wenn die UA mit weitreichenden Waffen russ. Städte bombardieren sollte, ist offen. Daß Russland (“Putin” oder wer auch immer) vor Schreck alle Truppen zurückzieht und selbst die Krim verlässt, halte ich jedoch für ausgeschlossen.

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  • Das unipolare Moment ist vorbei. Das hätte man vorhersehen können, vorhersehen müssen. Spätestens aber jetzt, nach Milliarden verheizten Euros und hunderttausend verheizten Ukrainern muss sich Europa von seinem in Verzweiflung um sich schlagenden Lehnsherrn USA freisagen. Die moralische Arroganz des “Wertewestens” ist ein Spiel mit dem Feuer. Es muss ein neues Miteinander in einer sich manifestierenden multipolaren Welt gefunden werden. Das ist schmerzlich, das bedeutet Einfluss-, Kontroll- und auch Wohlstandsverlust. Aber die Alternative ist nur der Weltkrieg. Das ist mir persönlich die fortgesetzte Lehnherrschaft aus Übersee nicht wert. Ich plädiere für die Erwägung einer Eurasischen Partnerschaft.

    Und by the way: “Putins Angriffskrieg” ist nichts als die Kubakrise in gespiegelter Form. Nur das der altersschwache Hegemon heute weniger besonnen agiert als die Sowjetunion seinerzeit.

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