Ein Abend mit der Letzten Generation

Als sich die Letzte Generation vor ein paar Wochen in meinem Wohnort für einen Vortrag ankündigte, fand ich die Vorstellung dorthin zu gehen, durchaus amüsant. Als das Datum näher rückte, wurde aus der amüsanten Idee ein tatsächliches Vorhaben. Schließlich hatte ich hier, fernab von Social Media, die Möglichkeit, die Menschen hinter der Letzten Generation und ihr Publikum zu erleben. Ein Hauptgrund für meinen Entschluss, den Vortrag zu besuchen, lag wohl darin, dass ich zwar viele Vorurteile hatte, wie so ein Abend ablaufen würde, aber eben sehr wenig (genau genommen keine) wirkliche Erfahrung. Daher möchte ich diese Kolumne nutzen, um Sie an meinem kleinen Ausflug in die Welt der Letzten Generation teilhaben zu lassen.

Die Letzten und die Älteren

Die Veranstaltung fand in einem kleinen Ladenlokal statt. Anmeldungen waren nicht erforderlich, dennoch war der Platz beschränkt – den aufgestellten Stühlen nach rechnete man mit einem Publikum von etwa 20 Menschen und das bestätigte sich auch so. Was mich zuerst überraschte, war die Altersstruktur des Publikums. Hatte ich doch eher Menschen in jungen Jahren oder im mittleren Alter erwartet, traf ich auf eine Gruppe Senioren. Bis auf eine Frau in den Dreißigern und einen Mann in den Fünfzigern war das Publikum weit jenseits der 60, einige auch über 70 Jahre alt. Es stellte sich schnell heraus, dass man sich kannte, Besucher begrüßten die Referentin der Letzten Generation und erkundigten sich über vergangene Aktionen. Letztendlich lässt es sich nicht verifizieren, aber ich schätze, dass bestenfalls die Hälfte der Anwesenden bisher keinen Kontakt mit der letzten Generation hatte.

Als alle saßen, gab es ein paar einleitende warme Worte und den Hinweis, dass es bei der Veranstaltung untersagt sei, den Klimawandel anzuzweifeln. Das klingt im ersten Schritt vielleicht dogmatisch, ist aber auf den zweiten Blick vollkommen verständlich. Wer einen Vortrag über Klimawandel und die Folgen halten will, kann sich nicht mit der Grundsatzdiskussion befassen, ob es ihn gibt oder ob er vom Menschen verursacht wurde. In der Kirche fängt ja auch niemand an zu diskutieren, ob es Gott überhaupt gibt. Es war mir egal, schließlich war ich zum Verstehen und nicht zum Pöbeln da.

Eine manipulative Mischung

Die Veranstaltung selbst splittete sich in zwei Teile: Einen Vortrag und eine anschließende Diskussionsrunde.

Bevor der Vortrag startete, wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass es nötig ist, sich emotional auf die folgenden Fakten einzulassen und spätestens hier beginnt die Manipulation. Die Menschen sollen die Zahlen nicht einfach zur Kenntnis nehmen, sondern sie sollten die Zahlen spüren, fühlen. Eingeleitet wurde mit einem philosophischen Text einer brennenden Welt, um dann zu den Fakten zu springen. Diese waren eine Aneinanderreihung von Schreckensszenarien, die dem ungeübten Zuhörer, vor allem jenen, die leicht dafür empfänglich sind, Angst machen dürfte. 

So berichtete man von einer Dürre während des Syrienkrieges, die fünf Millionen Flüchtlinge zur Folge hatte. Dass die meisten Menschen wohl aufgrund des Krieges geflüchtet sind, sparte man einfach aus. Es wurden auch die unzähligen Afrikaner thematisiert, die Woche für Woche die Überfahrt nach Europa wagten. Schnell war klar: Diese Menschen litten unter dem Klimawandel und flohen in ihrer Verzweiflung über das Mittelmeer, wo so viele von ihnen einen schrecklichen Tod finden. Grundlegende ökonomische Fragestellungen in Afrika, fadenscheinige Versprechungen der Schlepper sowie Anreizsysteme in Europa, die zu einer Flucht führen, blieben unerwähnt. 

Man behauptete, dass im Jahre 2070 20 Prozent der globalen Landfläche der Sahara gleichen würden und die sogenannten Kipppunkte in Grönland längst überschritten und die Insel somit verloren sei. Solche Themen reihten sich nahtlos aneinander und man bekam den Eindruck, der Vortrag sei eine Mischung aus Wahrheit, Framing und Cherrypicking verschiedener Studienergebnissen und Behauptungen, die für den Zuhörer kaum überprüfbar sind. 

Das Fazit war erwartbar: Wenn wir jetzt nicht handeln, ist die Menschheit verloren. Es liegt in unserer Hand. Den Abschluss des Vortrags bildet ein kleines Gedicht von Michael Schmitt (Quelle: https://extinctionrebellion.de/blog/this-is-the-time—rebellische-poesie/):

Verbunden mit unseren Herzen
vereint in unserer Klarheit
gehen wir hier nicht mehr weg
hör’n nicht auf zu sagen,
sagt die Wahrheit
Das ist unsere Zeit
Wir machen uns immer mehr bereit
aufzustehen für alles Leben auf
unserem Planeten hier, verdammt nochmal,
Wann, wenn nicht jetzt
Wann wenn nicht wir!

Bügerrat – was bedeutet das konkret?

Nach dem Vortrag sowie während der ganzen Veranstaltung wurde man ermutigt, am Protest teilzunehmen. Was folgte, war eine Diskussionsrunde. Diese entwickelte eine gewisse Dynamik, die ich nicht erwartet hätte. Immer wieder wurden die Aktionen der Letzten Generation kritisiert und die Forderung eines Bürgerrats in Frage gestellt. Nur war es keineswegs so, dass man Maßnahmen zum Klimaschutz generell ablehnte, viel mehr war man sich nur nicht über den Weg einig. 

Ein Mann fragte, wieso man nicht auf Atomkraft setze, woraufhin er starken Widerstand bekam und als Schwurbler diffamiert wurde. Ein weiterer Herr sah das Problem nicht in unserem Lebensstil, sondern in der Anzahl der Menschen auf diesem Planeten, derer man habhaft werden müsse. Eine durchaus gruselige Vorstellung, wenn man mal weiterdenkt, wozu das zwangsläufig führt. Ein weiterer Herr stellte die Demokratie in Frage, da diese eben nicht geeignet sei, um solch eklatante Probleme zu bekämpfen, betonte jedoch, dass er auch keinen Führer wolle. Was er stattdessen will, bleibt wohl sein Geheimnis. 

Auch ich habe mich in die Diskussion eingeklinkt und bin ein paar Fragen losgeworden. Auf die Frage, wer die Experten auswählt, die den Bürgerrat beraten, bekam ich erstmalig eine Antwort: Dies soll ein Beirat tun. Das ist zwar mehr, als ich bisher wusste, aber am Ende bleibt es nebulös, denn wie sich der Beirat bildet, ist nicht klar. 

Die andere Frage, die mich wesentlich mehr interessierte war: Welche Entscheidungsbefugnisse hat der Bürgerrat? Ist er gesetzgebend oder ist er einfach nur ein Beratungsorgan, welches keinerlei Durchgriff hat? Die Antwort hier: Der Bürgerrat bestimmt bei allen Gesetzen, die Einfluss auf das Klima haben, mit. 

Wenn man bedenkt, dass man für den Druck eines Buches einen Baum fällen muss, kann man sich vorstellen, wie weit die Tragweite des Bürgerrates gehen würde. Darauf hingewiesen wusste man jedoch keine Antwort, schließlich wolle man den Bundestag ja gar nicht ablösen. 

Auch auf weitere Fragestellungen, wie ein Bürgerrat arbeitet, konnte ich nicht wirklich was in Erfahrung bringen und es drängte sich der Eindruck auf, dass man bei der Letzten Generation selbst nicht so genau weiß, was die Hauptforderung eigentlich beinhaltet.

Wertvolle Eindrücke

Nach einer Stunde Diskussion war der Abend vorbei und was blieb, waren viele Eindrücke, die mich in meiner Haltung bestätigten. Der Vortrag scheint geskriptet und findet so vermutlich bei jeder Veranstaltung Anwendung. Er ist manipulativ und die Veranstaltungen zielen darauf, neue Mitglieder zu rekrutieren. Man ist allerdings auch offen für den Durchschnittsbürger und das muss man der Referentin zugutehalten, stets freundlich und geht auf alle Fragen ein. 

Auch bin ich sicher, dass zumindest die Anwesenden, die Referentin eingeschlossen, überzeugt von dem waren, was sie da erzählten und ernsthafte Ängste haben. Nicht nur einmal sah ich sorgenvolle Gesichter oder Tränen in den Augen. Die Vorträge selbst dürften an anderer Stelle geschrieben und konstruiert werden. Am Ende sind es dann Überzeugungstäter, die die Botschaft unters Volk bringen.

So oder so war der Abend für mich eine wertvolle Erfahrung. Ich kann nur jedem ans Herz legen, sich so eine Veranstaltung ebenfalls mal anzuschauen, wenn die Letzte Generation in der Nähe auftritt. Pöbeln Sie nicht, sondern hören Sie einfach mal zu! Es lohnt sich.

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3 Kommentare. Leave new

  • Nordlicht
    6. Juli 2023 13:51

    Daß sich die Bevölkerungszahl in Syrien von 1960 auf 1985 verdeoppelte und dann bis 2015 nochmals verdoppelt hat, daß damit die überwiegend landwirtschaftlich srukturierte Wirtschaft keine Arbeitsmöglichkeiten mehr bot, das ist der Ausgangspunkt für Verteilungskonflikt und letztlich auch für den Bügrkrieg. – Diese Verteiliungkonflikte haben die USA et al. dann angeheizt.

    Wer solche Fakten nicht zur Kenntnis nimmt, sondern die Syrien-Abwanderung mit „Klima“ und dieses dann mit unseren CO2-Emissionen erklärt, ist entweder dumm oder Lügner.

    Antworten
  • KwaMatiwane
    6. Juli 2023 17:11

    Die Menschen strömen aus Afrika nach Europa, weil es im schwarzen Kontinent keine Arbeitsplätze hat um die dort rasant wachsende Bevölkerung adequat mit Wohlstand zu versorgen.

    Afrika braucht Industrie, Industrie und noch mal Industrie. Alles andere ist Mumpitz!

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    • Wie soll Afrika, ein in allen Belangen sehr heterogener Kontinent, denn u.a. soziale, kulturelle, geographische und politische Voraussetzungen für Industrie in solchem Ausmaß bieten? Wer soll die Fabriken bauen, betreiben, unterhalten, und die nötigen Güter transportieren? Wo sind die Häfen? Wo sind die Ausbildungsstätten? Wo sind die Flüsse zum Transport, wo die geeigneten Landschaften für Autobahn- und Eisenbahnbau? Wo ist die politische Sicherheit? Wo ist die kulturelle Bereitschaft, ein westliches Staatswesen zu halten? Nein, der weiße Weg, Afrika zu einem Teil der weißen Welt zu machen, versagt in unterschiedlichster Form seit Jahrhunderten.

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