Ein Ausstieg gegen alle Vernunft

Es ist so weit: Die letzten drei noch laufenden Kernkraftwerke Deutschlands sind vorgestern abgeschaltet worden. Das ist eine gefährliche Wette auf die Zukunft. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die 4.500 Megawatt Atomstrom, die nun wegfallen, auf dem Stromhandelsmarkt das preiswerteste Angebot sind. 

Der Atomstrom wird künftig durch teure Gaskraftwerke ersetzt, die dann den Preis nach oben treiben. Und damit nicht genug: In einem Jahr werden dann noch zusätzlich 10.000 Megawatt Kohlestrom wegfallen.

Kolossaler Mehrbedarf

Die Folgen sind klar: Wenn wir an den Zielen zur CO2-Minderung festhalten, müssen nach dem Ausstieg aus der Atomenergie nach Auffassung der Bundesregierung eben die anderen Sektoren, die die Bürger unmittelbar betreffen, mehr bringen. Nur deswegen muss man jetzt notabene auch den Menschen die Heizung rausreißen und in finanzielle Nöte treiben. Das wäre vermeidbar, wenn man weiter auf Atomkraft setzen würde! 

Durch verstärkte Elektrifizierung von Wärme und Mobilität wird am Ende ein kolossaler Mehrbedarf an Strom entstehen, während wir gleichzeitig das Angebot verknappen. Denn Sonne und Wind können nicht das ausgleichen, was bei der Atomkraft verlorengeht! 

Das ist der Grund, warum die Bundesregierung nun plant, etwa 20.000 MW Gaskraftwerke bis 2030 zu bauen, um die Blackout-Gefahr zu verringern. Dann sollen etwa 150 Terawattstunden (TWh) Erdgasstrom erzeugt werden. Das entspricht etwa 300 TWh Erdgas (bei wohlmeinendem Wirkungsgrad von 50 Prozent in einem Gaskraftwerk). 

Zum Vergleich: 277 TWh Erdgas werden in deutschen Haushalten zur Wärmeerzeugung eingesetzt (2022). Die Erdgasversorgung der Bürger soll mit der scheinheiligen Begründung wegfallen, dass man sich von Gasimporten unabhängiger mache (Energiesouveränität). Gleichzeitig plant die Bundesregierung einen großen Ausbau der Gasimporte in der gleichen Größe. Wer kann das dem Bürger erklären?

Wasserstoff-ready?

Versucht wird das mit dem Argument, die Gaskraftwerke seien doch „Wasserstoff-ready“, ließen sich also auf die Verbrennung von Wasserstoff umstellen! In diesem Zusammenhang hat der Bundeswirtschaftsminister in seiner Not, eine angebliche Technologieneutralität zu begründen, darauf hingewiesen, dass man ja auch Wasserstoffheizungen mit grünem oder blauem Wasserstoff einsetzen könne. 

Damit niemand auf dumme Gedanken kommt, hat er aber diese Option gleich selbst wieder in Frage gestellt. Den Wasserstoff, so meinte er, würde es so schnell nicht geben und außerdem wäre der viermal so teuer, und bestätigt damit en passant, dass die Energiepläne der Bundesregierung Wolkenschieberei sind: „Alle Möglichkeiten sind drin, also Fernwärmesysteme, Heizen mit biogenen Kraftstoffen, meinetwegen auch Wasserstoff, der im Moment nicht verfügbar ist. Aber wer darauf setzt – viermal so teurer, schätze ich mal ungefähr – bitte! Technologieoffen schließt eben auch mit ein, dass man sich teurere Heizsysteme aufbauen kann – und natürlich auch Wärmepumpen.”

Kaum ein Journalist hat gemerkt, dass er damit das Kernstück der grünen klimaneutralen Energieversorgung abgeräumt und seine eigene Politik eigentlich pulverisiert hat. Abstruser geht‘s nicht!

Solange die Dinger sicher laufen

Am Atomausstieg aber hält er natürlich fest. Die Grünen haben sich also mit der endgültige Entscheidung gegen die Kernkraft in Deutschland gegen alle wirtschaftliche Vernunft durchgesetzt. Und das, obwohl die Bundesregierung gerne die Kernkraft aus anderen Ländern nutzt, allen voran aus Frankreich. Wir haben es mit einer sehr deutschen Schizophrenie zu tun: Atomkraft massenhaft zu importieren, aber bei uns zu Hause abzulehnen.

Zu dieser Schizophrenie gehört auch, dass der Wirtschaftsminister Habeck bei seinem kürzlichen Besuch in der Ukraine verlauten ließ: „Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar, und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.“ Auch die deutschen Kraftwerke sind gebaut und laufen sicher – wo ist da der Unterschied?

Tatsächlich kommen 50 Prozent des Stroms in der Ukraine aus der Atomkraft. Hier werden Atomkraftwerke sowjetischer Bauart mit einer Gesamtkapazität von mehr als 14 GW betrieben, wobei sich sechs Blöcke im größten Atomkraftwerk Europas in Enerhodar bei Saporischschja allerdings seit März 2022 unter russischer Kontrolle befinden.

Der ukrainische Energieminister German Galushchenko hat schon im Juni 2022 in einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche“ Deutschland die Lieferung von Atomstrom angeboten. Nachdem am 16. März 2022 das ukrainische Stromnetz mit dem Netz des Verbandes Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) synchronisiert worden war, könne nunmehr „die Ukraine zum Outsourcer von Strom für Deutschland werden“.

Bislang beschränkt sich der Stromexport aus der Ukraine auf Polen und Moldawien. Doch wahrscheinlich wären der deutschen Regierung in ihrer Unaufrichtigkeit auch zukünftige Importe ukrainischen Atomstroms lieber als der Weiterbetrieb der eigenen Kraftwerke – erst recht, wenn vielleicht mit Hilfe auch deutscher Waffenlieferungen Saporischschja irgendwann von der Ukraine zurückerobert worden ist. 

Minimaler Effekt

All diese Abstrusitäten werden damit gerechtfertigt, dadurch werde der Klimawandel gestoppt. Das ist aber eine hanebüchene Argumentation. 

Denn selbst wenn wir dem Bundesverfassungsgerichtsurteil folgen und nur noch 8 Milliarden Tonnen ausstoßen, um dann endlich das böse CO2 ganz loszuwerden – und auf dem Weg sind wir jetzt: Der Effekt, den wir mit dem deutschen Ausstieg aus allem bewirken, liegt gerade einmal bei 0,005 Grad Celsius, selbst wenn man die übertriebenen Hochrechnungen des Weltklimarats zugrunde legt!

Der übliche Einwand gegen diese Betrachtung lautet: Wenn alle so denken, wird das nichts mit dem Klimaschutz. Genau da liegt das Problem: Wir sind die einzigen, die so starr und ideologisch denken und agieren. 

Es geht um Kontrolle

Zu alledem wird der Ausstieg auch noch gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung vollzogen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL/ntv halten 43 Prozent der Befragten die Abschaltung für falsch, nur 28 Prozent sind damit einverstanden. 25 Prozent sind sogar dafür, weitere stillgelegte Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. 

Mehrheitlich sind lt. dieser Umfrage nur Grünen-Wähler mit 65 Prozent für den Ausstieg, bei den anderen Parteien sind die Befürworter in der Minderheit (SPD 40%, FDP 20%, CDU/CSU 15%, AfD 4%). In anderen Umfragen vom Juli 2022 waren aber sogar bei den Grünen-Anhängern 54 Prozent für eine Laufzeitverlängerung.

Die Missachtung des Willens der Bevölkerung ist kein Versehen. Axel Bojanowski hat das jüngst in einem Artikel in der „Welt“ in einen größeren Zusammenhang gestellt: „Der mächtigsten Strömung der Umweltbewegung ging es nie um Naturschutz, sondern um Kontrolle. Der deutsche Atomausstieg ist ein weiterer Triumph dieser Lobby, die menschliches Wohlergehen verhindert und Schaden anrichtet.“

Zu dieser mächtigen Strömung gehören für ihn „mächtige Konzerne wie Greenpeace, WWF oder der Sierra Club. Ihre Geschichte liest sich wie eine Kriegserklärung an die Menschheit. Der Atomausstieg in Deutschland ist ihr nächster Sieg.“ 

Und er zitiert in diesem Zusammenhang die verräterischen Äußerung des amerikanischen Umweltaktivisten Amory Lovins: „Wenn Sie mich fragen, wäre es fast katastrophal für uns, eine Quelle sauberer, billiger und reichlich vorhandener Energie zu entdecken – wegen dem, was wir damit machen würden.“

Säureanschlag auf Leitungen

Ist das Thema Atomkraft in Deutschland angesichts dieser ideologischen Verbohrtheit damit wirklich endgültig beendet? Aus heutiger Sicht ist eine neue Generation inhärent sicherer Kernkraftwerke in Deutschland kaum vorstellbar. Zu lange sind die Planungszeiten, stabiler politischer Konsens über mehrere Legislaturperioden des deutschen Bundestages wäre nötig. 

Da der Ausbau der Kernenergie in Europa aber unabweisbar ist, wird es eher dazu kommen, dass Kernkraftwerke im grenznahen Ausland gebaut werden, um Deutschland mit entsprechenden Stichleitungen zu versorgen. 

Gut wäre es in jedem Fall, wenn die drei jetzt abgeschalteten deutschen Kraftwerke zumindest betriebsbereit bleiben könnten, damit wir in den nächsten Jahren darauf zur Not doch noch einmal zugreifen können. 

Denn grundsätzlich sind laut Atomgesetz tatsächlich zwei Arten des Abbaus von Kraftwerken möglich – sofortiger Abbau oder der sogenannte „Sichere Einschluss“. Beim sofortigen Abbau beginnt der Betreiber zeitnah mit dem Abbau der nuklearen Anlage, während das Kraftwerk beim Sicheren Einschluss für einen längeren Zeitraum in einen fast wartungsfreien Zustand überführt und der endgültige Abbau auf später verschoben wird.

Ich weiß aus berufener Quelle, dass bei einem Atomkraftwerk in einem norddeutschen Bundesland wenige Wochen nach dem Abschalten bereits vorsichtshalber die Leitungen mit Säure gespült und damit die Kraftwerke kaputt gemacht wurden. Mit der so fadenscheinigen wie blödsinnigen Begründung, in der Rohrleitung sei noch Radioaktivität, die müsse rausgeholt werden.  

Die FDP hat bereits verlangt, mit dem kompletten Abbau noch zu warten. Es klingt schön, wenn sie das tut, aber sie hat bei diesem Thema nichts zu sagen. Denn zu entscheiden haben das die drei betroffenen Länder. Beim CSU-geführten Bayern kann man sich vorstellen, dass der Abbau verzögert wird. 

In Niedersachsen und Baden-Württemberg aber regieren die Grünen mit, und da ist zu befürchten, dass auch dort mit solch einem Säureanschlag schnellstens Nägel mit Köpfen gemacht werden. Trotzdem kann man nur hoffen, dass die FDP an dem Thema dranbleibt.

Technologieoffener Klimaschutz 

Notwendig wäre grundsätzlich ein technologieoffener Klimaschutz, das heißt, den Einsatz von Steuergeldern und privatem Kapital so zu lenken und zu fördern, dass nicht die Ideologie entscheidet, sondern die Frage, wie pro Euro die größte Einsparung von CO2 und anderen klimaschädlichen Gasen erreicht werden kann. Und da ist die Atomkraft bis auf Weiteres unersetzlich.

Wenn die Regierung dennoch am Ziel eines klimaneutralen Deutschland bis 2045 ohne Atomkraft festhalten will, müssen andere Tabus gebrochen werden. Es müsste zum Beispiel in großem Stil möglich sein, das in den Kohle- und Gaskraftwerken entstehende CO2 abzutrennen und in tiefe Gesteinsschichten zu verpressen. Diese CCS-Technik dafür hatten wir in Deutschland schon einmal.

Unter Robert Habecks Führung haben die Grünen in Schleswig-Holstein vor einigen Jahren aber eine folgenreiche Kampagne gegen CCS initiiert. Jetzt denkt man offenbar um und nimmt zur Kenntnis, dass der Weltklimarat den Staaten diese Technik seit Jahren dringend empfiehlt. 

Außerdem könnte Deutschland erwarten, dass diese hier bereits erprobte Technik in anderen Ländern zur Anwendung kommt, denn wir dürfen ja nicht vergessen, dass ein großer Teil der Welt nach wie vor auf Kohle setzt – auch wenn uns das nicht gefällt.

Engstirnige Ablehnung

Der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie passiert nicht nur gegen jede ökonomische Vernunft, sondern hängt Deutschland auch vom Rest der Welt ab. Die Weiterentwicklung der Kernenergie wird einen steigenden Beitrag zur Energieversorgung einer wachsenden Welt leisten. China, Russland, Indien und Südostasien werden die Träger dieser Entwicklung sein. Und Deutschland wird nichts anderes übrig bleiben, als Atomkraft zu importieren.

Dabei wäre es ungemein wichtig, dass wir wenigstens bei der Entwicklung der nächsten Generation mitmachen würden, bei den inhärent sicheren Kernkraftanlagen. 

Die bisherigen Probleme mit der Sicherheit und der Endlagerung wären mit der vierten Kraftwerksgeneration weitgehend gelöst, weil aus den abgebrannten Brennelementen durch schnelle Neutronen ein Transmutationsprozess der Energie gelänge. An dieser Technik, die einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, forscht die ganze Welt – nur Deutschland nicht mehr. 

Dazu mehr an dieser Stelle in der nächsten Woche.

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