Meloni & Musk: Ein neues transatlantisches Machtmodell

Diario Reazionario #01

In der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts haben sich die Rollen verschoben: Nicht mehr ausschließlich Staaten, Ministerien oder diplomatische Korps bestimmen den Gang der Dinge, sondern auch milliardenschwere Unternehmer, Plattformbetreiber und charismatische Einzelpersonen, deren Reichweite sich längst jenseits nationaler Grenzen erstreckt. Einer von ihnen ist Elon Musk. Eine andere ist Giorgia Meloni.

Eine Szene von besonderem Symbolwert spielte sich im Herbst 2024 in New York ab: Beim Global Citizen Award des Atlantic Council ehrte Musk die italienische Premierministerin – und griff dabei tief in das rhetorische Präsentkörbchen. Meloni sei, so Musk, „jemand, der innen noch schöner sei als außen“. Die italienische Regierungschefin konterte mit ebenso überraschender Wärme: Musk sei ein „kostbares Genie“. 

Für die Fangemeinde auf X war die Veranstaltung ein gefundenes Fressen. Memes machten die Runde, die einen Flirt nahelegten. Mal wurde Melonis schmachtender Blick, mal Musks Kompliment als Beleg eines neuen Traumpaars angeführt. Musk ging der Trubel auf der eigenen Plattform so weit, dass er sich genötigt sah, sich zu erklären: Nein, das sei kein Date gewesen. Er habe die Preisverleihung mit seiner Mutter besucht. Ein User wusste darauf zu antworten: Giorgia würde also bereits der Mutter vorgestellt. 

Der Herr der Memes wurde die Geister nicht los. Was umso deutlicher macht: Auf X und im übrigen Netz gelten Musk und Meloni als Paar gesetzt. Dagegen hält ein anderer Fanclub, der eher in Milei und Meloni die bessere Paardynamik ausmacht.

Was auf den ersten Blick wie eine kuriose Allianz erscheinen mag – der südafrikanische Tech-Mogul und die römische Premierministerin mit reaktionärem Parteistammbaum – entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Teil einer neuen geopolitischen Tektonik: eine Verbindung aus unternehmerischer Disruption, nationalstaatlicher Souveränität und konservativem Gestaltungswillen.

Der Moment, der für viele unbemerkt blieb, war hochsymbolisch: Nach der US-Wahl telefonierten der Tesla-Chef und die Regierungschefin. Nicht, um sich mit italienischer Politik zu befassen, sondern um eine Verbindung herzustellen. Zwischen ihr und Donald Trump. Melonis soziales Gespür – das sich deutlich vom Narzissmus anderer Politcharaktere unterscheidet – zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie im Vorfeld des republikanischen Wiederaufstiegs nicht so sehr den direkten Kontakt zu Trump, sondern zu Musk suchte: Wenn man einen echten Bezug zu einem Mann haben will, sollte man sich um dessen wichtigsten Freund kümmern. 

Abgesehen von dieser weiblichen Strategie zeigt es, dass Meloni begriffen hat: Auch bei einer erfolgreichen Amtszeit sind Trumps einflussreichsten Jahre gezählt. Musk wird dagegen bleiben. 

Was folgte, war eine diplomatische Verbindung, die in Brüssel ebenso skeptisch wie in Washington interessiert betrachtet wurde. Meloni hatte, noch bevor Trump wieder das Weiße Haus betrat, „einen Draht nach Mar-a-Lago“. Und Musk, der sich gerne als Plattformarchitekt einer neuen Redefreiheit inszeniert, wurde zum Transmissionsriemen dieser neuen Ordnung.

Doch es blieb nicht bei Gesten. Im Januar 2025 wurde bekannt, dass Italien mit Musks Unternehmen SpaceX verhandelt: Über die Bereitstellung von Starlink, dem Satellitennetzwerk für militärische und sicherheitspolitische Kommunikation. Ein Deal über rund 1,5 Milliarden Euro. Die EU hatte zu diesem Zweck ein eigenes Projekt aufgelegt – das „Iris”-System – doch Meloni entschied sich für Musk. Effizienter, kostengünstiger, erprobt.

Es war mehr als eine Entscheidung für Technologie. Es war ein geopolitisches Signal: Rom orientiert sich nicht an Brüssel, sondern an Texas und Kalifornien. Wo Ursula von der Leyen Regulierungen und Datenschutzverordnungen aufruft, spricht Elon Musk von Geschwindigkeit, Innovation und Autonomie. Es ist eine der charakteristischen Schaukelübungen Melonis, die mal Zuckerbrot an Ursula von der Leyen verteilt – und anschließend die Peitsche gegen Brüssel schwingt.

Ideologisch trennt Meloni und Musk mehr, als es zuerst den Anschein hat. Sie, konservativ, katholisch, staatsorientiert. Er, technolibertär, transhumanistisch, privatwirtschaftlich. Doch gerade diese Unterschiede scheinen ihre Allianz zu stärken: Beide eint der Wille zur Gestaltung. Beide misstrauen supranationalen Behörden. Beide verstehen die Macht der Narrative. In ihrer Regierungszeit hat Meloni überdies in der Ökonomie einen liberaleren Weg als erwartet eingeschlagen – zu ihren Vorbildern zählt neben Johannes Paul II. auch Ronald Reagan.

Musk bietet mit X eine Plattform, die nicht nur für Memes und Trends zuständig ist, sondern für Diskurshegemonie. Meloni nutzt diese Bühne mit Bedacht. Sie inszeniert sich nicht als radikale Umstürzlerin, sondern als besonnene Alternative. Und genau deshalb wird sie gehört. Von Musk. Von Trump. Und von jenen Europäern, die am politischen Status quo verzweifeln, wie er sich etwa in Deutschland mit dem Schlagwort „unsere Demokratie“ durchgesetzt hat.

Trump braucht Gesichter in Europa, die seinen Kurs nicht nur übernehmen, sondern ihn übersetzen. Meloni liefert das. Musk schafft die Brücken – nicht durch Botschaften, sondern durch Plattformen, Technologien, Deals. Bereits im Zollstreit zeichnet sich ab, dass Brüssel in Rom die wahrscheinlichste Verhandlungspartnerin für eine Vermittlung sieht. Ob die Meloni-Regierung diese Erwartungen erfüllen kann, sei dahingestellt. 

Aber ihr wird immerhin mehr zugetraut, als Paris, Berlin – oder gar London, das früher eine „Special Relationship“ zu Washington besaß. Mit dem linken Premier Keir Starmer sind solche Zeiten passé. Dass Starmer zu den Lieblingsfeinden von Musk auf X gehört, spielt Meloni dabei in die Hände. Seit Regierungsantritt verfolgt sie langsam, aber stetig das Ziel, dass Italien selbst zum präferierten Partner der USA wird. Die „Musk-Relationship“ ist ein entscheidender Mosaikstein. 

In der Frage nach einem Waffenstillstand in der Ukraine hat sich Meloni nicht auf den europäischen Kurs eingelassen, der Truppenstationierungen fordert, sondern die transatlantische Allianz bestärkt. Sie war eine der wenigen Politikerinnen Europas, die die Rede von JD Vance in München gelobt hat. Zugleich beging die Römerin bisher nicht den Fehler ihrer polnischen oder ungarischen Kollegen, sich offen gegen europäische Institutionen zu stellen. Sie nutzt sie, wo es ihr nützt, und ignoriert sie, wo sie stören. Musk denkt ohnehin postnational. Was sie eint, ist nicht Brüssel als Feind, sondern als Nebenschauplatz.

Die Fragilität Frankreichs und Deutschlands ermöglichen Meloni diesen Spielraum. Paris wirkt unter Emmanuel Macron zunehmend entzaubert. Er ist ein Sonnenkönig ohne Glanz, dessen Ideen ins Leere laufen. Berlin hingegen ist mit sich selbst beschäftigt: Auf eine zerstrittene Koalition, wirtschaftliche Unsicherheit und sicherheitspolitische Zögerlichkeit folgt Friedrich Merz – vielleicht. Während die traditionellen europäischen Zentren taumeln, hat sich Rom stabilisiert. Meloni nutzt diese Leerstelle, ohne den französisch-deutschen (stotternden) Motor zu düpieren. Anders als Frankreich sieht sich Italien nicht als herrische Führungsmacht, sondern als gestaltende Mittelmacht Europas. Die jahrzehntelange Instabilität in Rom bleibt schmerzhaftes Trauma – man sucht Auskommen, keine Grandeur.

Musks Position in den USA bleibt dagegen komplexer. Er ist zugleich Agenda-Setzer, Infrastrukturanbieter und Medienmacht. Als Ideengeber des Bürokratie-Entschlackers DOGE hat er politisches Gewicht. Aber seine Beraterstelle ist auf nicht mehr als 130 Tage befristet. Spannungen mit der Trump-Administration hatte es kurz nach der Inauguration gegeben. In der Tech-Förderung bekam mit Sam Altman von OpenAI einen Zuschlag: Als Teilhaber eines Joint Ventures namens Stargate. Die Investition in das KI-Projekt beträgt rund 500 Milliarden Dollar. Musk, der mit Grok eine eigene KI auf X anbietet, und mit X.AI eine direkte Konkurrenzfirma unterhält, hat das Projekt scharf kritisiert. 

Wie lange das südafrikanisch-italienische Tandem tragfähig ist, wird demnach die Zeit zeigen. Doch schon jetzt steht fest: Giorgia Meloni hat verstanden, dass Macht im 21. Jahrhundert nicht mehr nur durch Kabinette und Kommissare ausgeübt wird. Sondern durch Netzwerke, Narrative – und durch die kluge Wahl der richtigen Partner.

Und Elon Musk hat in ihr genau das erkannt: eine Partnerin.

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