Eingeordnet: Digital ID und CBDC

In der Handlungslogik (Praxeologie) können wir friedliches von feindlichem Handeln unterscheiden. Feindliches Handeln liegt immer dann vor, wenn Drohung und Zwang, Täuschung oder Gewalt eingesetzt werden, um einen sich selbst friedlich verhaltenden Menschen zu einer Handlung oder Unterlassung zu bringen, an dessen Besitz zu gelangen oder diesen zu schädigen. Bei friedlichen Handlungen ist eben dies nicht der Fall, und ein Sonderfall der friedlichen Handlung ist die freundliche Handlung: Menschen kooperieren freiwillig, sie machen sich wechselseitig Angebote, die schadlos abgelehnt oder eben angenommen werden können. 

Im Hinblick auf die sich ergebende Situation unterscheiden sich erzwungene und freiwillige Kooperation elementar: Wird die Kooperation erzwungen, so kommt es zu einer sogenannten Pareto-Verschlechterung in Bezug auf die Handlungsfreiheit oder den Besitz der Beteiligten, das heißt, der eine gewinnt auf Kosten und zu Lasten des anderen: eine Win-lose-Situation. Bei freiwilliger Kooperation hingegen wird stets ein neues Pareto-Optimum im Hinblick auf den Wohlstand der Beteiligten erreicht: eine Win-win-Situation. Dies ist eine knappe Zusammenfassung, und wer tiefer einsteigen will, dem empfehle ich den in den Quellen angegebenen Artikel und mein Buch über die Logik des Handelns „Der Kompass zum lebendigen Leben“. 

Lassen Sie uns nun mit dieser praxeologischen Kategorisierung des Handelns die Phänomene Digital ID (Digitale Identität) und CBDC (Central Bank Digital Currency, digitales Zentralbankgeld) betrachten. 

Passierscheine

Historische Vorläufer sind die „analogen“ Pässe und ungedeckte Banknoten. Beide beruhen nicht auf freiwilliger Vereinbarung. Die Menschen haben sich nicht freiwillig dazu verpflichtet, künftig Reisepässe bei sich zu haben, und sie haben sich nicht dazu verpflichtet, ungedeckte Banknoten als allgemeines Zahlungsmittel zu verwenden, sondern sie wurden und werden hierzu gezwungen. Man droht ihnen Übel an, falls sie sich weigern, beispielsweise die Ein- oder Ausreise zu verwehren oder finanzielle Repressionen, falls sie alternative Zahlungsmittel wie Gold oder Bitcoin verwenden möchten, wie die Spekulationssteuer (§23 EStG), oder man zwingt sie, ungedeckte Banknoten zur Zahlung von Zwangsabgaben zu verwenden und dergleichen.

Wir können uns heute kaum noch vorstellen, dass dies einmal anders war, dass die Menschen keine „Passierscheine“ bei sich führen mussten und ihr Geld frei wählen durften. Aber diese Zwänge sind jüngere Entwicklungen der Postmoderne beziehungsweise der Gegenaufklärung, die es vor dem Großen Krieg (1914–1918) beispielsweise in England und weiten Teilen Kontinentaleuropas nicht gab. Der britische Historiker Alan J. P. Taylor (1906–1990) schrieb in seinem Buch „Englische Geschichte, 1914 – 1945“:

„Bis 1914 konnte der aufmerksame, gesetzestreue Engländer durchs Leben gehen und dabei von der Existenz des Staates kaum etwas mitbekommen, vom Postamt und vom Polizeimann einmal abgesehen. Er konnte leben, wo er wollte und wie er wollte. Es gab für ihn keine amtliche Nummer und auch keinen Personalausweis. Er konnte ohne Reisepass oder irgendeine andere Art amtlicher Gestattung ins Ausland reisen oder sein Land für immer verlassen. Er konnte sein Geld in jede andere Währung wechseln ohne Einschränkung oder Mengengrenze. Er konnte Güter von jedwedem Land in der Welt zu denselben Bedingungen wie im Inland kaufen. Ebenso konnte ein Ausländer ohne irgendeine Erlaubnis und ohne die Polizei darüber in Kenntnis zu setzen, sein komplettes Leben in diesem Land verbringen. 

Anders als in Kontinentaleuropa zwang der [englische] Staat seine Bürger nicht zum Militärdienst. Ein Engländer konnte sich bei der Armee einschreiben, wenn er das wollte, oder bei der Marine oder einem Territorialheer. Wenn er wollte, konnte er die Belange der nationalen Verteidigung auch ignorieren. 

Gewichtige Haushaltsvorstände wurden hier und da von der Justiz als Geschworene herangezogen. Ansonsten halfen nur diejenigen dem Staat, denen der Kopf danach stand. Der Engländer zahlte in mäßigem Umfang Steuern: etwa 200 Millionen Pfund 1913–1914 oder etwas weniger als 8 Prozent des Nationaleinkommens … Einfach ausgedrückt half der Staat nur denjenigen, die sich nicht selbst helfen konnten. Den erwachsenen Bürger ließ er in Ruhe.“

Symptome der Gegenaufklärung

Joseph R. Stromberg zitiert A. J. P. Taylor wie folgt: „1914 war Europa eine geeinte zivilisierte Gemeinschaft … Man konnte den Kontinent rauf und runter und in seiner ganzen Breite bereisen, ohne einen Reisepass … bis man an die Grenzen Russlands oder des Osmanischen Reichs gelangte. Man konnte sich in einem fremden Land niederlassen, um zu arbeiten oder um einfach nichts zu tun, ohne irgendwelche gesetzlichen Formalitäten … Jede Währung war so gut wie Gold.“

Pässe und ungedeckte Banknoten wurden den Menschen also aufgezwungen, sie haben sie nicht frei gewählt, und daher sind sie a priori Bestandteile feindlicher Handlungen. „Niemals seit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde das Individuum stärker tyrannisiert“, schrieb Ludwig von Mises (1881–1973) am Ende des 1. Weltkriegs. „Niemand kann heutzutage der Polizei und dem bürokratischen Apparat entkommen.“ 

Ebenso wie mit den analogen Pässen und ungedeckten Banknoten, verhält es sich im Hinblick auf die Feindlichkeit mit den digitalen Nachfolger-Versionen. Viele Menschen haben die „Clique an der Macht“ (Henry Hazlitt, 1894–1993) überhaupt nicht darum gebeten, digitale Identitäten oder digitales Zentralbankgeld einzuführen. Im Gegenteil, es ist ihnen höchst unrecht und sie werden zur Finanzierung dieser Projekte gezwungen. 

Und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, welche Dystopien mit Digital ID und CBDC in Gang gesetzt werden können. Diese Instrumente sind der feuchte Traum jedes Herrschsüchtigen. Schon heute können in Deutschland Kinder ohne „medizintechnische Verbesserung“ nicht in die Kindertagesstätte; die Eltern müssen nachweisen, dass die Kinder gegen Masern geimpft wurden. Noch Anfang letzten Jahres durfte man ohne nachgewiesene „medizintechnische Verbesserung“ nicht ins Restaurant oder in den „nicht notwendigen“ Einzelhandel. In die neuen digitalen Instrumente lassen sich beispielsweise CO2-Emissionen integrieren – oder medizinische Maßnahmen oder etwa „Sprachvergehen“ –, sodass einem Zutritt oder Zahlung nach Gutdünken der „gütigsten Oberaufsicht“ (Immanuel Kant, 1724–1804) verwehrt werden können. 

Immanuel Kant stellte 1784 klar heraus, dass Überwachung und Bürokratie nichts, aber auch gar nichts mit Aufklärung zu tun haben, sondern im Gegenteil die Aufklärung der Menschen behindern: „Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Missbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalsten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist.“

Ausstieg aus dem Gängelwagen

Im heutigen Zeitalter der Gegenaufklärung steht nicht mehr der erwachsene Bürger im Mittelpunkt, der vom Staat in Ruhe gelassen wird, wie A. J. P. Taylor dies beschrieb und wie dies das Menschenbild der Aufklärung war und ist, sondern das Individuum wird als Mündel betrachtet, dem geboten und befohlen wird, als Mündel, das zahlen und gehorchen muss, wenn es in seinem Leben mehr erreichen will als eine „Grundversorgung“, die von der Obrigkeit nunmehr jedermann als „Bürgergeld“ gnädig in Aussicht gestellt wird.

Aus diesem „geistigen Gängelwagen“ (Immanuel Kant) kommen wir nur heraus, wenn wir unsere Mitmenschen motivieren können, den Mut und die Entschlossenheit aufzubringen, selbst zu denken. Ludwig von Mises hat bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts wissenschaftlich bewiesen, dass nur die freie Marktwirtschaft den Frieden unter den Menschen und unter den Völkern dauerhaft sichern kann. 

Nur die Beschränkung feindlichen Handelns auf Verteidigung, Wiedergutmachung und Vergeltung führen zu einer friedvollen und letztlich aufgeklärten Gesellschaft, in der der Einzelne die ganze Dimension seines Menschseins zusammen mit den anderen entdecken kann.  

Quellen:

Eine kurze Praxeologie der Politik in 7 Punkten (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)

Living Freely in England a Century Ago (Nationalreviw.com)

World War I (Joseph R. Stromberg, Mises.org)

Ludwig von Mises on World War I (Fee.org)

Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? – zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

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