Auf dem Plattenspieler: Emma Peters

Künstler: Emma Peters

Song: Clandestina – erstmals veröffentlicht auf ihrem Youtube-Kanal, 2021

Emma Peters ist eine außergewöhnliche französische Sängerin und Songwriterin, die sich abseits des kommerziellen Mainstreams eine ganz eigene Nische geschaffen hat. Erste Bekanntheit erlangte sie durch Youtube-Videos, in denen sie, nur von ihrer Gitarre begleitet, Coversongs vortrug. Anstatt sich danach mit ihren eigenen Liedern den gängigen Trends anzupassen, entwickelte die heute 29-Jährige einen unverwechselbaren Stil, dem sie seither konsequent treu bleibt. Der große internationale Durchbruch mag noch ausstehen, doch in Frankreich hat sie sich bereits eine treue Fangemeinde aufgebaut. Auch über die Landesgrenzen hinaus wächst ihr Publikum stetig, was zeigt, dass „echte“ Musik ihren Weg oft von selbst findet – mich hat sie jedenfalls gefunden und vollkommen überzeugt. Ihr bisheriger Werdegang verdient definitiv eine genauere Betrachtung.

Ich muss zugeben, dass mich moderne Musik nur noch selten wirklich begeistert. Das meiste wirkt austauschbar, nach Schema F produziert und vor allem darauf ausgelegt, schnell konsumiert und ebenso schnell wieder vergessen zu werden. Deshalb war ich natürlich zunächst skeptisch, als ich auf Emma Peters stieß. Hinzu kam, dass ich mit französischer Musik bislang auch kaum Berührungspunkte hatte – die Sprache klang für mich einfach nie besonders ansprechend. Umso überraschender war es für mich, wie sehr mich ihre Musik schließlich in den Bann zog.

Mein erster Berührungspunkt mit Emma Peters war reiner Zufall. Im Jahr 2023 tauchte das Lied „Clandestina“, ihre Interpretation des gleichnamigen Originals des französisch-marokkanischen Rappers Lartiste, wochenlang in meinen Youtube-Empfehlungen auf. Ich erwartete eine weitere belanglose Neuinterpretation eines Songs, der vermutlich schon unzählige Male neu aufgelegt wurde, also ignorierte ich das Video erst einmal. Doch dann stieß ich auf einen kurzen Youtube-Short, der einen Ausschnitt des Songs mit englischen Untertiteln zeigte – und was ich las und hörte, beeindruckte mich tief. 

„Clandestina“ erzählt die tragische Geschichte eines kubanischen Mädchens, das nach Miami flieht, nachdem ihre Liebsten in der Heimat ihr Leben durch Drogensucht verloren haben. Der Song ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, was ihn besonders intensiv macht und den Hörer unmittelbar in das Schicksal der Figur eintauchen lässt. Der Text ist äußerst poetisch und fängt die inneren Kämpfe und Verletzlichkeiten der Kubanerin auf berührende Weise ein. Emma Peters hat den Song zwar nicht selbst geschrieben, aber sie verleiht ihm durch ihre Interpretation eine besondere Tiefe. Ihr Gesang ist voller Gefühl, und die Art, wie sie ihre Stimme an bestimmten Stellen brechen lässt, verstärkt den emotionalen Gehalt des Liedes enorm. Sie hat es meisterhaft verstanden, sich in die Rolle der Erzählerin hineinzuversetzen!

Doch „Clandestina“ war nur der Anfang meiner Entdeckung. Fasziniert von dieser Performance hörte ich mir anschließend ihr Album „Dimanche“ („Sonntag“) an, das damals ihr neuestes Werk war. Der Titel ist dabei kein Zufall: Der Sonntag symbolisiert einen Moment des Innehaltens, der Reflexion, an dem man sich seinen Gedanken und Gefühlen hingeben kann. Genau dieses Gefühl transportiert das Album – es ist eine Sammlung introspektiver Lieder, die tief in Peters‘ eigene Emotionen eintauchen. 

Dabei sind es keine lauten, aufrüttelnden Protestlieder, sondern eher leise, fast zerbrechliche Stücke, die dennoch von einer enormen inneren Stärke zeugen. In jedem Song schwingt das Bedürfnis nach Freiheit mit – der Widerstand gegen gesellschaftliche Erwartungen und der Wunsch, sich nicht in vorgefertigte Lebenswege pressen zu lassen. Der Opener „Terrien“ setzt diesen Ton direkt und unmissverständlich. 

Beeindruckt hat mich auch der Song „Lové“ – ein Wortspiel, das auf französisch sowohl „Liebe“ als auch – im Slang – „Geld“ bedeutet. Hier thematisiert Peters ihre Einsamkeit, ihre Glaubenszweifel und eine gewisse Lebensmüdigkeit – und stellt als mögliche Lösung sowohl Liebe als auch Geld gegenüber. Die Gesellschaftskritik, die darin mitschwingt, ist subtil, aber wirkungsvoll: „Geld regiert die Welt“, aber was die Menschen eigentlich suchen, ist Liebe!

Musikalisch ist das Album vielseitig. Es reicht von sanften Akustikballaden bis hin zu stark Hip-Hop-inspirierten Tracks mit druckvollen Beats und markanten Basslines. Besonders überrascht hat mich, wie gut sie rappen kann – sie steht in dieser Disziplin ihrer Gesangskunst in nichts nach! Ihr Flow ist präzise, gefühlvoll und bringt die Texte stark zur Geltung. 

Auch ihr öffentliches Auftreten ist freiheitlich geprägt und hebt sie somit von vielen anderen Künstlern ab. Wer sich mit ihrer Präsenz in den sozialen Medien beschäftigt, merkt schnell, dass sie keinen Wert auf erzwungene, überinszenierte Selbstdarstellung legt. Es gibt kaum aufwendig produzierte Vlogs oder gestellte Konzertmitschnitte – stattdessen teilt sie intime, spontane Einblicke in ihr Leben. Ob Proben in ihrem Heimstudio, Momente im Café mit ihren Freunden oder lockere Aufnahmen mit ihrer Crew – sie wirkt in jeder Situation natürlich, ungekünstelt und sympathisch. Sie setzt sich nicht bewusst in Szene, sondern lässt ihre Musik und ihre Persönlichkeit für sich sprechen.

Völlig unabhängig agiert Emma Peters zwar nicht, da sie bei dem Label Tôt ou Tard unter Vertrag steht – das wiederum von Believe, einem größeren Musikunternehmen, vertrieben wird. Dennoch wirkt ihre Musik nicht wie das Ergebnis einer Marketingstrategie, sondern vielmehr wie eine ehrliche und authentische Ausdrucksform ihrer selbst. 

In Frankreich hat sich ihr Internet-Hype bereits in reale Erfolge verwandelt – ausverkaufte Touren, Fernsehauftritte und eine stetig wachsende Fangemeinde sprechen für sich. International ist sie eher noch ein Geheimtipp, aber ihr Potenzial ist enorm. Ich bin gespannt, wie sich ihre Karriere weiterentwickelt …

Für mich steht Emma Peters für eine Art Gegenbewegung zum Mainstream: Sie behandelt schwierige Themen, bleibt ihrer eigenen künstlerischen Vision treu und schafft es dennoch, eine große Zuhörerschaft zu erreichen. Sie zeigt, dass es auch heute möglich ist, als Musiker erfolgreich zu sein, ohne sich den üblichen Regeln und Normen der Industrie zu unterwerfen. Und genau das macht sie für mich so besonders!

Hören Sie sich hier auf Youtube die Studio-Version von „Clandestina“ von Emma Peters an, die nach der Viralität ihres Performance-Videos aufgenommen wurde.

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1 Kommentar. Leave new

  • Danke für den Hinweis; kannte ich bisher nicht.

    Der Thema-Ähnlichkeit wegen ein Hinweis auf Manu Chao: Clandestino

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