Enteignen als Klimaziel

Immo Sennewald über das Krebswachstum der Klimabürokratie:
 
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Für Leser:

Es sind fünf Jahrzehnte, seit der DDR-Staat meine Mutter und Großmutter vor die Entscheidung stellte, ihm ihr Haus, das Haus meiner Kindheit samt dem zugehörigen Grund mitten in der Stadt, entweder für einen Pappenstiel zu verkaufen oder enteignet zu werden. 

Arm aber versorgt: Freuden der Planwirtschaft

Die beiden machtlosen Frauen ahnten nicht, dass die Enteignung die komfortablere Lösung gewesen wäre: 20 Jahre später hätte sie ihnen eine „Restitution” beschert – und ein Millionenvermögen. Sie hätten am Ende des Jahrhunderts kaum Zeit gehabt, in den ihnen verbleibenden Lebensjahren diesen Geldsegen auszugeben. 

Das konnten sie nicht vorhersehen, also fügten sie sich ins Unvermeidliche: Das Fachwerk, im Geviert um einen Hof mit Beeten, Bäumen, Werkstätten im Hinterhaus errichtet, wurde – wie fast das ganze Altstadtviertel von Suhl – weggebaggert für die sozialistische Erneuerung. Die beiden Frauen durften in Plattenbauten den geringen Erlös, in noch geringeren jährlichen Raten ausgezahlt, für Möbel anlegen. Immerhin war der Komfort dort deutlich besser als das Leben mit Plumpsklo, Kohleöfen, irreparabler Bausubstanz dank der Mangelwirtschaft von Nazi-Krieg und DDR: Die „Erbengemeinschaft“ löste sich auf; ein Schwesternheim in Jena, eine Studentenbude in Berlin nahmen uns Geschwister auf.

Zugleich wurden die letzten Privatunternehmen der DDR verstaatlicht; die Planwirtschaft verhieß Bürgern das Leben in einem besseren Deutschland, befreit vom Kapitalismus. Manche der Enteigneten durften als Angestellte in ihrem Betrieb weiterarbeiten. Der „Sender Jerewan“, Quelle politischer Witze, beantwortete die Frage, was denn eigentlich den Sozialismus vom Kapitalismus unterscheide: Letzterer sei Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, im Sozialismus sei es genau umgekehrt. 

Zu seinen Glanzleistungen gehört zweifellos die „Wohnraumbewirtschaftung“. Bei staatlich gedeckelten Mieten und niemals ausreichendem Bestand wurde vergeben, was von den zuständigen Ämtern und der „Kommunalen Wohnungsverwaltung“ als für den Bürger angemessen eingeschätzt wurde. Natürlich waren Lage, Größe, Ausstattung der Unterkünfte vor allem nach politischen Kriterien ausgerichtet. Geschichten über die Vergabepraxis und ihre Auswüchse füllen Bände. 

Abriss und Monopoly

Die Folgen wurden nach dem Fall der Mauer touristische Attraktionen: Verwahrloste Straßen und Gassen von Altstädten wurden hinauf und hinunterfotografiert, Spekulanten brachten den Immobilienmarkt zum Brodeln, und nein, es waren nicht nur die aus dem Westen. In den Jahren der Planwirtschaft hatten teils legitim, teils durch Korruption und krumme Geschäfte zu Vermögen Gekommene beachtliche Netzwerke geknüpft und konnten beim Monopoly durchaus mitspielen, zumal solche Verbindungen schon im Zuge innerdeutscher Geschäfte nicht nur in die Bundesrepublik hineingewachsen waren. 

Die Medien widmeten ihr Augenmerk vor allem den Geschäften des Stasimajors Schalck-Golodkowski, der mit Franz Josef Strauß Milliardenkredite für den dahinsiechenden Sozialismus ausgekungelt, internationale Waffengeschäfte ohne Ansehen der Beteiligten betrieben und Tausende Antiquitätenbesitzer mit erpresserischen Deals geprellt hatte. Die zigtausend Transfers in Verantwortung der „Treuhandanstalt“ blieben weithin undurchsichtig, östliche wie westliche Gier trieb Lernprozesse in Moneymaking zu schwindelerregendem Tempo.

Nicht alle dank Korruption und Schwarzmarkt schon in der DDR darin Geübten konnten einfach weitermachen. Kellner etwa – zuvor Herren der Platzvergabe in begehrten Gaststätten und leicht mittels D-Mark freundlich zu stimmen – fanden sich in einem Arbeitsmarkt mit großer Konkurrenz wieder, ebenso Handwerker, die gewohnt waren ihre auf Knien rutschenden Kunden mit „West-wegen kommen sie?“ zu begrüßen. Vielen blieb, wie anderen Angestellten, nur der Weg nach Westen, wenige hatten das Kapital, sich selbständig zu machen, und nach fünfzig Jahren totalitärer Bildungspolitik fehlte es einfach am unternehmerischen Nachwuchs. 

Lebensziel: Selbständigkeit?

In den neunziger Jahren produzierte ich etliche Fernsehberichte über Bildungsthemen und stellte bei Vergleichen zwischen alten und neuen Bundesländern überrascht fest, dass Selbständigkeit als Bildungsziel in beiden kaum eine Rolle spielte. Weder Schulen noch Hochschulen orientierten auf unternehmerische Initiative. Sogenannte „Gründerzentren“ blieben Randerscheinungen. Wie in der DDR beschränkten sich Unterrichtsstoff und -methoden auf den Vollzug vorgegebener Arbeitsschritte. Seither – so der Befund einschlägiger Fachleute über die „Bologna-Reform“ – ist das „Verschulen“ der Universitäten nicht zu übersehen. Im Schweizer Tagesanzeiger äußerte 2016 eine Studentin:

“… in der Praxis ist Bologna ein Chaos. Unser Studium ist komplett durchstrukturiert. Jedes Seminar hat eine Zahl von ECTS-Punkten, jede Vorlesung, jedes Kolloquium ist codiert. Flexibilität ja gerne, aber alles im vorgegebenen Raster. Bologna fühlt sich an wie ein autoritärer Chef: kritikunfähig, ineffizient, altmodisch. Aber er gibt den Ton an. Wer ausschert, wird bestraft.“

Ein Training für Selbständigkeit und Eigenverantwortung sieht anders aus. Tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass der soziale – meist familiäre – Hintergrund für unternehmerische Impulse so wenig durch staatliche Förderung zu ersetzen ist, wie sich ererbte und im Heranwachsen ausgeprägte Charakterzüge schulisch beeinflussen lassen. Entscheidend ist, wie einer mit seiner Lebenszeit umgehen will – und diese Frage stellt sich spätestens mit der Berufswahl.

Die allermeisten selbständigen Handwerker, Landwirte, Unternehmer, Freiberufler, mit denen ich im Gespräch war, hatten eines gemeinsam: Sie hatten, verglichen mit Angestellten, viel weniger „Freizeit“ – im Sinne klarer Trennung von Arbeitsaufgaben –, aber sie sahen das nicht als Defizit. Einige Bauern im Schwarzwald mit 16-Stunden-Tagen und erkennbar tiefer Bindung an ihre Heimat erklärten mir, das sei mehr als Arbeit: das sei ihr Leben, und ihre Unabhängigkeit bedeute ihnen mehr als Geld, arbeitsfreie Wochenenden und Urlaube. „Work-Life-Balance“? – sowas brauchten sie nicht. 

Ein Blick auf die Entwicklung der Einkommen aus selbständiger Tätigkeit seit dreißig Jahren, insbesondere der letzten Dekade legt die Frage nahe, ob es sich um eine aussterbende Lebensform handelt. Heute kann, wer einen Installateur, Dachdecker oder Schreiner braucht, schon wieder vom Glück sagen, wenn er einen findet; das Wehklagen über Mangel an Nachwuchs und Fachkräften ist unüberhörbar.

Das Jahrtausend der Bürokraten

Nein, hier folgt keine Auswertung von Statistiken, nur aus persönlichen Erfahrungen gespeistes Betrachten einer Dynamik, die – seit Jahrzehnten anhaltend – im Corona-Geschehen rasant wurde. Während Bäckereien, Metzger, Gasthäuser, Bars, Hotels, Fachgeschäfte … in den Städten verschwanden, dort bislang Tätige nach dem Bezug von Arbeitslosengeld die Jobs ebenso wechselten wie Pflegepersonal, das sich nicht mit mRNA-Wirkstoffen ungeklärter Tauglichkeit und Nebenwirkungen spritzen lassen wollte, blieben die großen Geldmaschinen und per Zwangsbeitrag finanzierten Medien beinahe ungeschoren. Zugleich wuchsen die bürokratischen Apparate; „NGO“ – willige Hilfstruppen der Parteien – profitierten ebenso wie dienstbare „Experten“ inner- und außerhalb von Hochschulen; darbende Printmedien strichen Steuergelder mittels ganzseitiger Impfpropaganda ein. Milliarden wurden für Lockdowns, Testorgien, Impfkampagnen ausgegeben. Viele Selbständige gaben derweil auf.

Um welchen Preis?

Es war eigentlich derselbe, den meine Familie und die Selbständigen im „real existierenden Sozialismus“ vor fünfzig Jahren zahlen mussten: Über ihre Zukunft, die ihnen verfügbare Zeit und was sie daraus machen wollten, entschieden sie nicht mehr selbst, sondern andere.

Das Muster wiederholt sich beim Krebswachstum der Klimabürokratie: Über Energieverbrauch, Heizung, Mobilität, Ernährung sollen demnächst Apparatschiks entscheiden, von denen immer mehr rekrutiert werden.

Die Enteignung der Zukunft

Sklaven waren nicht frei, über ihre Zukunft zu entscheiden, Leibeigene, Bauern und Bürger im Feudalismus waren es nur in engen Grenzen. Wer seinen Sklaven die Lebenszeit zu sehr verkürzte, indem er sie an Hunger oder Krankheiten krepieren ließ, gefährdete die eigene Existenz. Er riskierte Aufstände ebenso wie dahinschwindende Produktivität. Wenn Fürsten, Bischöfe, Könige die Ausbeutung überdehnten, mussten sie befürchten, von bürgerlichen Revolutionen entmachtet zu werden. Die Heere abhängig Beschäftigter im Kapitalismus haben immerhin die Waffe des Streiks auf ihrer Seite: Sie verweigern sich dem Geschäft, Lebenszeit gegen (zu wenig) Geld zu tauschen.

Unter all diesen Verhältnissen durften sich Sadisten im Dienst der Herrschaft qualifizieren: Gewalt – Macht – Lust war und ist der Triebimpuls, mit dem sich Freiheitsdrang und der Wunsch nach selbstbestimmter Zukunft durch Denunzianten, Inquisitoren, Büttel, Folterknechte, Mordbuben klein halten oder ersticken ließen.

Dem Totalitarismus in all seinen Spielarten blieb vorbehalten, sich einerseits als Zukunftshoffnung der Ausgebeuteten – sozialistisch – auszugeben und andererseits die vollkommene Enteignung des produktiven Menschen von seiner Lebenszeit als Machtinstrument zu etablieren: Die Vernichtung durch Arbeit. Konzentrationslager, Gulag, die „Umerziehung“ in Gefangenschaft zum „Neuen Menschen“, der so gefügig wie willenlos seine Lebenszeit „solidarisch“ in den Dienst des „Gemeinwohls“ stellt – sprich: der Partei – und Staatsapparate – sie enteigneten Millionen Menschenleben, die Verluste an verlorener, weil in Kriegen und „Revolutionen“ oder Umstürzen verhinderter, gar zerstörter menschlicher Arbeit nicht gerechnet.

Die Freizeit-Illusion

Besonders an totalitärer Herrschaft ist, dass sie nicht nur alle gesellschaftlichen Formen materieller Macht usurpiert, sondern auch die der informellen. Ersteres geschieht über die Steuern; Hans Hermann Hoppes beim Sandwirt erschienener Beitrag beschreibt es treffend. Die damit einhergehende Enteignung von Lebenszeit betrifft unweigerlich auch die informelle Sphäre: Die Führung wird mit allen Mitteln versuchen, die Deutungshoheit in signifikanten gesellschaftlichen Fragen zu erringen und dauerhaft zu sichern. Keine Zeit für abweichendes Denken.

Wie in Orwells „1984“ ist dazu ein fortgesetztes Umdeuten unvermeidlich: Sprache, Geschichte, Werte müssen Handlungsimpulse der Regierenden jederzeit rechtfertigen. Sie bleiben füglich im Unscharfen, Unbestimmbaren, kognitiv Dissonanten; zwei und zwei kann durchaus mal fünf ergeben, Naturgesetze werden ausgeblendet. 

Wer bisher etwa meinte, seine in bezahlte Arbeit geflossene Zeit in komfortabler „Frei-Zeit“ ausgleichen zu können, wird darüber belehrt, dass er über Reisen, Wohnen, Konsum künftig nicht mehr frei wird entscheiden können, weil sich auch dieser Teil des Lebens politischen Regeln zu fügen hat: „Klimaverträglich“ muss es sein! Er kann freilich, wenn er sich an Aktionen etwa der „Letzten Generation“ oder anderer „NGO“ einschlägiger ideologischer Färbung beteiligt, zum Ausgleich eine CO2-trächtige Flugreise nach Bali oder Hawaii buchen, das wird ihm als Privatperson möglicherweise nachgesehen. Freizeit dürfte ohnehin vor allem für Produzenten eher knapp werden. Die bürokratischen Auflagen des Staates erheischen immer mehr und höhere Steuern; wachsende Heere von Beschäftigten nebst Hilfstruppen, dienstbaren Medien, Kontrolleuren, externen Beratern … müssen finanziert werden.

Immerhin sorgen sie dafür, dass möglichst niemand Zeit mit unerwünschten Gedanken verbummelt: Gesinnungsfeste Mitmenschen, demnächst von blitzschnell und unfehlbar urteilender Künstlicher Intelligenz unterstützt, prüfen überkommene Filme und Literatur auf „unsensible“ Gedankengänge und passen sie – wie etwa die Bibel und Pippi Langstrumpf – politisch korrekt an; Faktenchecker und -korrigierer richten unermüdlich Propagandaströme aufs bis in alle Ewigkeit nachhaltige Regierungshandeln zu und verbreiten sie in Medien, Supermärkten, an Bahnhöfen, Flughäfen, in Sportstudios und Freizeitparks. In China registrieren einschlägige Apps bereits, ob sie wahrgenommen werden; wer nicht spurt, wird mit Punktabzug auf seinem „social score“ bestraft. Robert Habeck will demnächst auf diese Art hierzulande das Heizverhalten kontrollieren.  

Familienbande – nicht karrierefördernd

Seit Kindertagen hängen meine Schwester – sie ist inzwischen auch über 70 – und ich an der Freiheit. Das Leben an der frischen Luft hat uns geprägt: Ob beim Herumstreifen im längst abgerissenen Viertel am Flüsschen entlang, in Wäldern beim Pilze suchen, auf den Bergen beim Rodeln, im Sommer beim Schwimmen: Langeweile gab’s nie, das ist immer noch so. 

Ich bin öfter gefragt worden, wieso sie nicht ein einziges Mal in meinen Büchern auftaucht. Dazu kann ich nur sagen, dass sich in einem jeden Spuren finden – nicht einer attraktiven jungen Frau mit reichlich Verehrern, sondern in Gestalt besonders einfühlsamer, mutiger, selbstbewusster, hilfsbereiter, vor allem eigensinniger und sehr erwachsener Weibspersonen. Als OP-Schwester war sie darin über 40 Jahre lang Vorbild. Sie hat das Elend des DDR-Gesundheitswesens erlebt; noch mehr litt sie unter der zunehmenden Gesundheitsbürokratie West, die Patienten und Klinikpersonal auch künftig mehr Lebensjahre kosten wird, als in Statistiken zu fassen ist.

Obwohl der ererbte Eigensinn sie fortwährend in Konflikte mit „Führungskräften“ brachte, blieb sie ihren Patienten treu, betreute unsere Mutter bis zum Ende, zog einen Sohn groß, darf sich inzwischen an einem Enkel freuen. Weshalb ich diese Privatangelegenheiten hier berichte? Weil es wichtig ist, und die Empfehlung daran hängt, beim Geldverdienen immer mal wieder zu fragen, wieviel Lebenszeit es kostet.

Auch beim Wählen. Denn Lebenszeit ist recht eigentlich unbezahlbar.

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1 Kommentar. Leave new

  • Lutz Biedermann
    6. Juni 2023 22:51

    Sehr geehrter Herr Sennewald,
    totale Zustimmung in allen Punkten. Sie werden es sich denken können, auch auch ich bin aus dem Osten ( Mutter stammt aus Schmiedefeld, Vater aus dem Harzvorland, Bergbaugegend, wo ich mit viel Dreck in einem rauhen Umfeld groß geworden bin. Bei uns hat sich auch fast alles draußen abgespielt, hat aber keinem groß geschadet. Nach dem Abitur hat sich mein weiteres Leben dann in der ” Weltstadt” Leipzig abgespielt. Wir haben dem Verfall der wunderschönen Gründerzeitsubstanz und älterer Bauwerke machtlos zusehen müssen. Zu Messezeiten wurde aufgehübscht, nach der Messe war alles wieder vorbei. Dann hat sich Widerstand formiert und man hatte den Blick westwärts gerichtet. Schnell wurde aber offensichtlich, um was es eigentlich damals ging und heute wieder geht. Das muß ich nicht weiter ausführen. Leider, leider, leider…ist die Menschheit in meinen Augen nicht wahrhaftig lernfähig.
    Zum Abschluß eine Frage: Was denken Sie, wieviel Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter und Rentner können mit Winston Smith aus dem Wahrheitsministerium und dessen Tätigkeit etwas anfangen?
    Herzliche Grüße aus Leipzig

    Antworten

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