Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft: Faesers Felix

Diesen Text gibt es auch als Episode im Wurlitzer, dem Podcast des Sandwirts: Hier.

Ein Geheimdienstchef mit schwerer Scheinwerfersucht

Thomas Haldenwang kennt zwar die Grenzen der Meinungsfreiheit, nicht aber die Grenzen seiner dienstlichen Kompetenz. Die Sucht, im Scheinwerferlicht zu stehen, treibt den obersten Schlapphut in die Öffentlichkeit, ganz gleich, ob er er damit dem Amt schadet und seine Ministerin und die Bundesregierung gleich mit lächerlich macht. 

Es wäre eigentlich die Aufgabe der Bundesinnenministerin über die Belange der inneren Sicherheit die Öffentlichkeit zu informieren, nicht die eines ihrer Behördenleiter. Denn ihr und nicht Thomas Haldenwang obliegt die politische Führung. So oft wie der Mann in der Öffentlichkeit auftaucht, fragt man sich schon besorgt, wann er einmal in seinem Büro anzutreffen ist? Oder bilden sich an seiner Bürotür schon Spinnweben? 

Scheinwerfersüchtig jagt er von Auftritten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in exklusiven Presseclubs und auf die Bühne des Berliner Ensembles hin und her. Verwechselt er vielleicht nur bestimmte Medien mit seinen Fachabteilungen und führt sie intern als Abteilung Agitation und Propaganda, die dabei mithelfen soll, was der ostdeutsche Staatsicherheitsdienst einst „Zersetzung“ nannte? 

Den Auftritt auf der Bühne des Berliner Ensemble mit Michel Friedman könnte man noch als etwas hilflosen Versuch des Theaters werten, Samuel Becketts Stück „Warten auf Godot“ aufzuführen, wobei Godot in dieser Inszenierung die Erkenntnis der Wirklichkeit wäre. Wie jeder jedoch weiß: Godot kommt nicht, die Bühnenfiguren Michel und Thomas warten vergeblich und stapfen so hilflos wie tapfer durch kuhfladengoße Mutmaßungen. 

Dass in einer Demokratie die Machtanmaßungen eines Bürokraten öffentliche Kritik hervorrufen, belegt die Funktionstüchtigkeit derselben. Anstatt sich die Kritik zu Herz und Verstand zu nehmen, plusterte sich Thomas Haldenwang jedoch am 1. April 2024 in der FAZ auf und bestätigte damit nur die immer stärker von links bis rechts, von Verfassungsrechtlern, Publizisten, von Philosophen, Schriftstellern, Politikern, Historikern geübte Kritik an seiner Amtsführung, am Umbau des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu einer politischen Polizei. 

Die haldenwangsche Selbstdelegitimierung 

Zwei bisher unerhörte Erfolge erzielte er jedoch, er ist mit Ausnahme von Hans-Georg Maaßen der erste Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Bisher unterzogen sich die Amtsinhaber einer gewissen Diskretion. Oder fallen einem Leser noch Namen von früheren Verfassungsschutzpräsidenten ein? Man kannte sie nicht einmal in ihrer Amtszeit. 

Der zweite Erfolg der unermüdlichen Öffentlichkeitsarbeit des Mannes besteht darin, dass er sich und seine Behörde mit jedem Auftritt unglaubwürdiger macht. Verlautbarungen eines Amtes, dessen Chef seine Hauptaufgabe darin sieht, sie parteiisch in den politischen Prozess einzubringen, können daher nur parteiisch sein. Expertise wird durch Propaganda ersetzt. 

Da verwundert es nicht, dass die Landesämter des Verfassungsschutzes von Sachsen und Thüringen sich der Überprüfbarkeit ihrer Einschätzungen entziehen, indem sie die Gutachten, auf deren Grundlage sie die Landesverbände der AfD ihrer Bundesländer als „gesichert rechtsextrem“ einschätzen, unter Verschluss halten. Doch wer soll diesen Einschätzungen noch Glauben schenken, wenn der Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringens dem Beirat der Amadeu-Antonio-Stiftung angehört und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz öffentlich äußert, dass er seine Aufgabe darin sieht, die Wahlwerte der AfD zu senken? 

Beruhen die Einschätzungen beider Landesämter auf objektiven Grundlagen oder sollen sie nur helfen, die politischen Wünsche der Ampel-Regierung zu erfüllen und ihren Machterhalt zu sichern? Was Thomas Haldenwang mit seinen zahllosen öffentlichen Einlassungen erreicht hat, ist, dass der Verfassungsschutz sein Ansehen als überparteiliche Institution verlor: Er ist zum parteipolitischen Akteur geworden. 

Gemessen werden möchte Thomas Haldenwang offensichtlich daran, dass die Zustimmung der Bürger zur AfD schwindet, doch die steht trotz des Correctiv-Deportations-Plots stabil bei 20 Prozent. Nachdem Correctiv so jämmerlich gescheitert ist und nur noch Glaubwürdigkeit bei Leuten besitzt, die eine schwarze Brille aufsetzen, das Licht löschen, die Rollläden herunterlassen und fest die Augen schließen, darf man mit einer Packung Popcorn in der Hand tief und behaglich in seinen Sessel versinken und auf den nächsten Rollator-Putsch oder das nächste Geheimtreffen warten. 

Möglicherweise wird Correctiv oder der Verfassungsschutz die Verschwörung aufdecken, dass ein Politiker der AfD heimlich in einer Bundestagsrede den Verfassungsschutz kritisiert und mithin delegitimiert hat. Wie auch immer, so wie Thomas Haldenwang laut seiner öffentlichen Einlassungen unterwegs ist, wird man auf den nächsten Anschlag auf die Demokratie wohl nicht lange warten müssen.

Mit welchem Recht?

Die Lehre aus den beiden deutschen Diktaturen lautet, dass Freiheit, demokratische Rechte, Meinungsfreiheit in Sonderheit, freies und gleiches Wahlrecht und zwar aktiv und passiv als pluralistisches Wahlrecht, die strikte und skrupulöse Einhaltung der Gewaltenteilung und die Neutralität der Institutionen des Staates weder einschränkbar, noch auch nur im geringsten Maße verhandelbar sind. Doch au contraire, in seinem Beitrag in der FAZ stellt Haldenwang klar, dass weder die Meinungsfreiheit, noch die Gewaltenteilung für ihn eine Rolle spielen, denn nicht Gerichte urteilen künftig erst- und letztinstanzlich, sondern der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Exekutive sticht die Judikative. Wenn die Meinungsfreiheit für Haldenwang kein Freibrief ist, ist dann die freie Meinungsäußerung Gegenstand eines Haftbefehls? Haldenwang schreibt unmissverständlich:

„Jedoch auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen und unbeschadet ihrer Legalität können Meinungsäußerungen verfassungsschutzrechtlich von Belang sein.

Nach den Verfassungsschutzgesetzen hängt die verfassungsschutzrechtliche Relevanz von Äußerungen als tatsächliche Anhaltspunkte, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz eröffnen, nicht davon ab, ob diese strafbar oder illegal sind.“

Sondern? Wovon dann? Von Haldenwangs Urteil? Die Grenzen der Meinungsfreiheit regelt also nicht mehr das Gesetz, über sie befindet auch nicht ein Gericht, sondern über sie entscheidet in der Bundesrepublik Deutschland der Präsident des Verfassungsschutzes „auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen und unbeschadet ihrer Legalität“ nach eigenem Gut- oder Schlechtdünken. – Das hätte Felix Dserschinski, der Schöpfer der ersten linken politischen Polizei, der berüchtigten Tscheka, nicht besser formulieren können. Die Grenzen der Meinungsfreiheit setzt „auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen und unbeschadet ihrer Legalität“ Thomas Haldenwang. Ist das die Rechtsgrundlage von Ampel-Deutschland?  

Der Rückfall in den Totalitätsanspruch

Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz würde damit zum Exekutor und zum Richter in einem. Er entscheidet nach eigener parteipolitischer Präferenz darüber, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz behauptet: „Die Meinungsfreiheit ist von daher kein Freibrief, sich der – gerichtlich kontrollierten – verfassungsschutzrechtlichen Beobachtung und Bewertung entziehen zu können, wenn tatsächliche Anhaltspunkte etwa für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen vorliegen.“ 

Thomas Haldenwang neigt dazu, sich erhabene Gefühle zu verschaffen, wenn er sich in die Rolle der Jeanne d´Arc der Regierung mit den Worten hineinsteigert: Wir sind politisch neutral, aber nicht gegenüber denen, die gegen unsere freiheitliche Demokratie agieren und agitieren.“

Demgegenüber stellte das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil vom 28.11. 2011 fest: „Denn anders als dem einzelnen Staatsbürger kommt dem Staat kein grundrechtlich geschützter Ehrenschutz zu. Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten.“ – Sprich: Agitation. 

Was Haldenwang vollkommen falsch auffasst, ist die Funktion der Verfassung. Die Verfassung ist eben nicht das Abwehrrecht der Regierung gegen aufmüpfige Bürger, sondern die Verfassung ist das Abwehrrecht der Bürger gegen den übergriffigen Staat! 

Haldenwangs Beobachtungsbereich „Delegitimierung des Staates“ missachtet das Grundgesetz, denn so hat es 2011 das Bundesverfassungsgericht in dem grundlegenden Urteil noch einmal eindrücklich festgehalten: „Allein die Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit von Meinungen als solche ist kein Grund, diese zu beschränken.“ 

Das Verfassungsgericht geht sogar noch weiter: „Die Zulässigkeit von Kritik am System ist Teil des Grundrechtestaats.“ 

Die Legitimation des demokratischen Staates gründet auf dem Prinzip der Freiheit, wie es der Staats- und Verwaltungsrechtler, Rechtsphilosoph und ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem berühmten Diktum gültig formuliert hat:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

Wenn wir das große Wagnis um der Freiheit Willen nicht mehr eingehen, wenn wir die Demokratie als sogenannte wehrhafte Demokratie in einen Panzer und in eine Zwangsjacke stecken, dann haben wir keine Demokratie und keine Freiheit mehr, dann sind wir in einer Diktatur angekommen, dann fallen wir in den Totalitätsanspruch zurück, vor dem Böckenförde warnt. 

Der Rückfall in den Totalitätsanspruch einer Konfession oder einer postmodernen Gesinnung, die Haldenwang mit den exekutiven Mitteln des Staates vorantreibt und die Familienministerin mit 182 Millionen Euro Steuergelder für ihre Gesinnungs- und Konfessionsfreunde finanziert, führt im Ergebnis in die konfessionellen Bürgerkriege zurück, die wir durch demokratische Spielregeln, durch Meinungsfreiheit und ein freies, geheimes und allgemeines Wahlrecht eigentlich überwunden haben. 

Die Demokratie zurückholen

Es existiert übrigens ein einfacher Test: wer von wehrhafter Demokratie spricht, will die Diktatur und entfacht nur die konfessionellen Bürgerkriege, weil er die zivilisierten Formen der demokratischen Auseinandersetzung außer Kraft setzt. Die Gesellschaft ist keine Behörde, man kann eine Behörde leiten, eine Gesellschaft aber nicht. 

Meinungsfreiheit ist nicht nur ein Freibrief, Meinungsfreiheit ist die Grundlage der Freiheit überhaupt. Klar und deutlich heißt es deshalb in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: 

„Der Meinungsäußernde ist insbesondere auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen, da das Grundgesetz zwar auf die Werteloyalität baut, diese aber nicht erzwingt.“

Darin besteht eben das Wagnis der Freiheit. Wer dieses Wagnis nicht einzugehen wünscht, der will die Diktatur, der hat sich bereits selbstermächtigt und stellt sich über das Gesetz. 

Es wird hohe Zeit, dass sich die Bürger, alle diejenigen, die für die Demokratie, für die Freiheit und übrigens auch für den Wohlstand einsetzen, der an der Freiheit und der Demokratie hängt, sich zur Verteidigung des ursprünglichen Grundgesetzes, der Legalität in einem Bündnis der Legalisten, in einem Bürgerbündnis über die Grenzen von rechts und links hinweg zusammenschließen, mit wirklichen Demonstrationen für die Demokratie und auch gegen die Regierungsumzüge beginnen, denn ganz gleich, ob der einzelne sich eher links oder eher rechts, eher im klassischen Sinne sozialdemokratisch oder christdemokratisch, eher konservativ oder eher progressiv verortet: Der Grund, auf dem alle diese notwendigen politischen Auseinandersetzungen als Wettbewerb der Ideen und Konzeptionen ausgetragen werden können, ist die Demokratie mit ihren Spielregeln. Die gilt es gegen alle totalitären Frühlingsgefühle des Staates zu verteidigen!

 

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