Jeanne d‘Arc

Wer es wagt, gegen einen übermächtigen Feind Widerstand zu leisten, dessen Name wird oft genug lange, vielleicht sogar für immer totgeschwiegen, auch wenn er viele andere inspiriert hat, es ihm gleichzutun, und sein Opfer daher keineswegs sinnlos war. Doch muß dies nicht bedeuten, daß es dem Widerständler im Falle des Erfolgs notwendigerweise besser ergehen muß: Die Historie ist voll von Beispielen idealistischer Kämpfer, denen es zwar noch vergönnt war, ihren Sieg mit anzusehen, die aber trotzdem von den Strudeln der Geschichte mitgerissen und ins Verderben gestürzt wurden – manchmal sogar verraten von der Hand ihrer eigentlichen Mitkämpfer.

Die Befreierin

Das wohl prominenteste Beispiel hierfür ist Jeanne d’Arc; bis heute das Symbol par excellence des Freiheitsstrebens der Franzosen. Großbäuerlichen Ursprungs, hörte die junge, aus dem Dorf Domrémy stammende Jeanne mit 13 Jahren zum ersten Mal die Stimme der Heiligen Katharina, des Erzengels Michael und der Heiligen Margareta, die sie aufforderten, Frankreich von den Engländern zu befreien und den Dauphin, also den noch ungekrönten Thronfolger, zum Thron zu führen. 

Nach mehreren vergebenen Anläufen und nachdem sie vielfach ihren Glauben unter Beweis stellen mußte, glückte es ihr 1429 schließlich, beim künftigen Charles VII. in Chinon vorsprechen zu dürfen, nachdem sie 22 Tage lang mit einer kleinen Eskorte Feindesland durchqueren mußte. Der Legende nach gelang es ihr, den künftigen König an einer ihrer Visionen teilhaben zu lassen, der sie daraufhin erneut lange auf die Probe stellte, bevor er ihr schließlich eine Rüstung anfertigen ließ und sie (an der Seite erfahrener Ritter) einen Proviantzug nach Orléans leiten ließ. Das Unternehmen wurde zum vollen Erfolg und führte zur Befreiung der Stadt, die noch heute den 8. Mai als Tag der Befreiung feiert. 

Bald darauf waren die Engländer aus allen Gebieten südlich der Loire vertrieben, und der König konnte zusammen mit Jeanne d’Arc die berühmte „chevauchée du sacre“ wagen, um sich nach dem blitzartigen Durchqueren der englischen Linien im burgundisch besetzten Reims zum König salben zu lassen, während Jeanne am Altar die Siegesfahne halten durfte.

Gescheitert

Dieser symbolische Akt, mit dem alle Ansprüche der Engländer auf die französische Krone wieder zunichte gemacht worden waren, sollte zur Wasserscheide des Hundertjährigen Kriegs werden, an dessen Ende die völlige Befreiung Frankreichs von englischer Besatzung stehen sollte und der Beginn der Erfolgsgeschichte des französischen Nationalstaats. 

Eine echte nationalstaatliche Identität sollte in Frankreich wie im Rest Europas zwar erheblich später entstehen, waren die zwischen Ärmelkanal und Mittelmeer gesprochenen Dialekte, Traditionen und Sitten doch viel zu verschieden voneinander und wurden letztlich nur durch die gewaltsame jakobinische Zentralisierung und v.a. die kulturpolitische Nutzung des Schulsystems zusammengezwängt. Trotzdem bewirkte die noch größere kulturelle Fremdheit der englischen Truppen, die Erinnerung an die große Vergangenheit des alten westfränkischen und hochmittelalterlichen Reichs wie auch das Treuegelöbnis der herrschenden Dynastie gegenüber eine zunehmende Verfestigung eines protonationalen Patriotismus und erklärt die Mischung zwischen religiöser Inbrunst und Heimatliebe, die nicht nur Jeanne d’Arc beseelte, sondern die sie auch in ihren Zeitgenossen anzufachen wußte.

Leider sollte es ihr nicht vergönnt sein, die Früchte ihres Kampfes auszukosten: Nachdem ein Vorstoß auf Paris scheiterte, wandte der König sich von ihr ab und strebte lieber nach einem pragmatischen Friedensvertrag. 1430 wurde Jeanne in Compiègne festgenommen und den Burgundern, dann den Engländern ausgeliefert. 

Diese machten ihr unter dem Vorsitz des Bischofs von Beauvais den Prozeß, erreichten 1431 schließlich ihre Verurteilung als Häretikerin und vollstreckten das Urteil am 30. Mai auf dem Scheiterhaufen von Rouen. 

Die Idee der Jeanne d’Arc

Doch noch über den Tode hinaus blieb Jeanne Patronin der französischen Befreiung: Ihre Exekution hatte sie in den Augen der Bevölkerung zur Märtyrerin gemacht und zwang die Burgunder 1435 zur Anerkennung des Königtums Charles VII., was die Engländer in eine unhaltbare Position brachte und 1453 zu ihrem Abzug aus Frankreich führte.

Auch heute bräuchten wir dringend eine neue Jeanne d’Arc – und nicht nur eine einzige, sondern eine ganze Schar, um der woken Zwingherrschaft über unsere abendländische Kultur ein Ende zu bereiten. Freilich, dazu bedürfte es zweierlei, das bezeichnenderweise gerade heute zu einer Seltenheit geworden ist: Zum einen eine tiefe Unschuld im Sinne absoluter moralischer Reinheit – denn viel zu oft zeichnen sich gerade sogenannte konservative Politiker durch einen Lebenswandel aus, der den von ihnen vertretenen Idealen diametral entgegengesetzt ist und somit ihre gesamte Ideenwelt diskreditiert –; zum anderen die eng damit einhergehende Bereitschaft, den Kampf auch dann zu führen, wenn er aussichtslos scheint – und wer von uns ist schon bereit, nicht nur sein tägliches Wohlbefinden, sondern auch seine Gesundheit und seinen Ruf, ja gar sein Leben aufs Spiel zu setzen, obwohl er mit ziemlicher Sicherheit zu fürchten hat, daß seine Hoffnung unerfüllt, ja sein Opfer vielleicht sogar unerkannt bleibt?

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1 Kommentar. Leave new

  • Betr.: „woke Zwangsherrschaft“

    Alle gesellschaftlichen Übel der letzten Jahre kamen zu uns aus den USA. Europa muss sich von den USA befreien.

    „Europa muß sich endlich eingestehen: Wir Europäer sind Objekt US-amerikanischen geopolitischen Interesses und waren nie wirklich Verbündete, denn wir hatten nie ein Recht auf Mitsprache.“ Klaus von Dohnanyi: Nationale Interessen

    Antworten

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